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# taz.de -- Alte Lasten & neue Erfolge: Entgiftungskur für Moorfleet
> Rund 30 Jahre nach Schließung des Boehringer Werks einigen sich Senat,
> Chemiekonzern und Umweltverbände auf eine Grundwasser-Sanierung.
Bild: Der damalige Umweltsenator Porschke und der Vorstandssprecher von Boehrin…
HAMBURG taz | „Was wir heute erleben, ist schon nicht alltäglich“, freut
sich eine gut gelaunte Umweltsenatorin und deutet in die Runde der
Versammelten: „Wann treten die Umweltbehörde, ein Chemieunternehmen und die
Naturschutzverbände schon einmal gemeinsam zufrieden vor die Presse?“
Der Grund für Jutta Blankaus (SPD) Freude und den seltenen Schulterschluss
der einstigen Gegenspieler: Am Dienstag billigte der Senat einen
Langzeit-Vertrag, indem sich der Chemie-Riese Boehringer-Ingelheim
verpflichtet, die Grundwasserverunreinigung durch Chlorbenzole rund um sein
ehemaliges Werksgelände in Moorfleet in den kommenden Jahren fast spurlos
zu beseitigen.
Ein Plan, der auch beim BUND Entzücken hervorruft. „Was hier passiert, kann
Vorbildcharakter für die Altlastensanierung in ganz Deutschland haben“,
sagte Maren Jonseck-Orth von der Umweltorganisation.
Der ehemalige Saulus Boehringer mutiert so zum Paulus. Im Frühsommer 1984
schockte ein Dioxin-Skandal ganz Hamburg. Nach vielen Demonstrationen
musste Boehringer seine Moorfleeter Produktionsanlage für
Pflanzenschutzmittel auf Anweisung der Umweltbehörde dicht machen – die
erste aus Umweltschutzgründen verfügte Werksschließung in der
Bundesrepublik.
Doch die Schließung kam zu spät: An Krebs und Chlorakne erkrankte
Werksarbeiter, die mit dem sogenannten Seveso-Dioxin in Berührung gekommen
waren, vergiftete Böden und verseuchtes Wasser gehörten zu den
Hinterlassenschaften der 33-jährigen Werksgeschichte. In den
darauffolgenden Jahren wurde zwar das ehemalige Werksgelände mit einer
Betonwanne samt Asphaltdeckel hermetisch von der Umwelt abgeschlossen, doch
vor allem die gefährlichen Chlorbenzole hatten da schon lange ihren Weg ins
Grundwasser gefunden.
Die nachfolgende Sanierung von Boden und Umgebungswasser brachte kaum
nennenswerte Erfolge: Die weitere Ausbreitung der Schadstofffahne im
Grundwasser konnte durch eine Wasseraufbereitungsanlage zwar gestoppt, die
Giftbelastung dadurch aber nicht wesentlich gesenkt werden. 2013 endete
zudem die vertragliche Verpflichtung Boehringers, die Umweltsanierung
weiter mit zu finanzieren.
„Die jetzt beschlossene Sanierung“, die 40 Jahre dauern und Boehringer rund
17,5 Millionen Euro kosten soll, „finanziert Boehringer deshalb auf
freiwilliger Basis“, rühmt Blankau das Verantwortungsbewusstsein des
Chemiekonzerns. Um dieses Engagement zu goutieren, schießt die
Umweltbehörde den eher symbolischen Betrag von einer halben Million Euro
dazu.
Ab Januar 2016 sollen nun drei Brunnen in der vergifteten Umgebung des
ehemaligen Werksgeländes das belastete Wasser fördern, das anschließend
gereinigt wird. Fast 40 Jahre wird es nach Prognosen von Fachleuten dann
dauern, bis der eminent hohe Schadstoffgehalt überall auf einen
ungefährlichen Bruchteil der heutigen Konzentration so stark abgesenkt ist,
dass Mikroorganismen den Rest übernehmen können.
„Der Sanierungsvertrag ist ein Erfolg für alle Beteiligten“, freut sich
Erika Rudolph von der Billstedter Bürgerinitiative und ein Moorfleeter
Anwohner ergänzt: „Mehr kann man nach Stand der Technik nicht tun – wichtig
ist, dass sich Boehringer nicht vom Acker gemacht hat.“ Auch
Boehringer-Mitarbeiter Jörg Maier-Erbacher findet deshalb große Worte für
das eigene Unternehmen: „Wir haben die Verantwortung für diesen Standort
immer übernommen und werden das auch in Zukunft tun.“
25 Feb 2015
## AUTOREN
Marco Carini
## TAGS
Hamburg
Chemiekonzern
Boehringer Ingelheim
Pflanzenschutzmittel
Umweltverschmutzung
Belastung
Boehringer Ingelheim
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