# taz.de -- Freispruch für UCK-Kommandeure: Die Serben fühlen sich gedemütigt | |
> Empört reagieren Politiker und weite Teile Serbiens auf die jüngsten | |
> Urteile des UN-Tribunals zur UCK. Sie misstrauen den internationalen | |
> Organisationen. | |
Bild: Während im Kosovo gefeiert wird, sind die Serben empört über das Urtei… | |
BELGRAD taz | In Serbien folgt eine gegen das UNO-Tribunal für | |
Kriegsverbrechen gerichtete Empörungswelle der anderen. Kaum waren die | |
kroatischen Generäle Ante Gotovina und Mladen Markac vor zwei Wochen von | |
jeglicher Verantwortung für den „Exodus“ der Serben in Kroatien | |
freigesprochen worden, entlastete das Tribunal am Donnerstag auch den | |
ehemaligen Kommandanten der Kosovo-Befreiungsarmee UCK, Ramush Haradinaj. | |
„Eine neue Ohrfeige für Serbien“, titelten serbische Medien. Politiker | |
sprachen erneut von „Ungerechtigkeit“, „Demütigung der Serben“ und | |
„politischer Justiz“. | |
Bereits nach dem Freispruch der beiden kroatischen Generäle, die 1995 die | |
Militäraktion „Sturm“ befehligten, die die Ermordung von Hunderten und die | |
Vertreibung von über 200.000 serbischer Zivilisten zur Folge hatte, hatte | |
Serbiens Regierungschef Ivica Dacic erklärt: „Die Serben sind verbittert“. | |
Und es gab niemanden, der ihm widersprochen hätte. | |
Jetzt erst recht nicht. Ob Politiker oder Medien, die Akademie der | |
Wissenschaften und Künste, die serbische orthodoxe Kirche oder prowestliche | |
NGOs und Bürgerorganisationen: Sie alle bezeichnen die jüngsten Haager | |
Urteile als „skandalös“, „politisch“, als „Erniedrigung der serbisch… | |
Opfer und Serbiens“. | |
## „EU-Skeptizismus im serbischen Volk fördern" | |
Die zwei Freisprüche sind ein Schock für die serbische Nation. Mit Groll | |
und Unbehagen beobachteten die Serben, wie Kosovo die siegreiche Rückkehr | |
von Haradinaj feierte – genauso, wie es kurz zuvor Kroatien getan hatte. | |
Aus serbischer Sicht feierten beide die „Legalisierung der ethnischen | |
Säuberung“ und der Kriegsverbrechen. | |
Auch Serbiens Präsident Tomislav Nikolic sparte nicht mit Kritik. „Für die | |
fürchterlichen an Serben begangenen Verbrechen wird im Kosovo niemand | |
verurteilt werden. Solche Urteile heizen den Separatismus an und erschweren | |
die Bemühungen, den Frieden in der Region wiederherzustellen. Sie machen | |
bisherige Versuche, die Beziehungen zwischen Belgrad und Prishtina zu | |
normalisieren zunichte und fördern den EU-Skeptizismus im serbischen Volk“, | |
sagte er nach dem Freispruch Haradinajs. | |
Projektionen von Feindbildern kehren als Folge der Urteile des | |
UNO-Tribunals nach Serbien zurück. Und das nach einem Jahrzehnt der zwar | |
stets schleppenden, doch scheinbar unaufhaltsamen regionalen | |
Versöhnungspolitik. | |
## Chance für antieuropäische Parteien | |
Obwohl es nie zuvor einen solchen politischen Konsens über den EU-Beitritt | |
Serbiens gab, war die Unterstützung der verarmten und enttäuschten | |
Bevölkerung bereits vor den Urteilssprüchen auf ein Rekordtief von knapp | |
über 40 Prozent gesunken. Kaum hat sich Serbien von dem Schock der | |
„gewaltsam“ vollzogenen Unabhängigkeit des Kosovo erholt, erreicht nun das | |
Misstrauen der Serben in internationale Organisationen einen neuen | |
Höhepunkt. | |
Antieuropäische Parteien wittern ihre Chance. Die Demokratische Partei | |
Serbiens (DSS) des ehemaligen Regierungschefs Vojislav Kostunica rief die | |
Serben auf, eine Petition gegen die Fortsetzung der EU-Integration zu | |
unterschreiben. Auch die Regierung wird den Groll der Bevölkerung gegenüber | |
dem Westen nicht völlig ignorieren können. | |
Andererseits herrscht in Brüssel und Washington weiter Misstrauen gegenüber | |
der neuen serbischen Regierung. Deren Spitzenleute gehörten teilweise | |
während der Kriege in den 1990er Jahren dem extrem nationalistischen Lager | |
an und beteiligten sich aktiv am Krieg. Ihren politischen Kurs änderten sie | |
erst vor wenigen Jahren. | |
29 Nov 2012 | |
## AUTOREN | |
Andrej Ivanji | |
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