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# taz.de -- Forscher über Studentenverbindungen: „Wird sich wenig verändern…
> Deutsche Studentenverbindungen sind grundsätzlich konservativ und haben
> ein Nachwuchsproblem, sagt Rechtsextremismusforscher Bernhard Weidinger.
Bild: Fechten als Männlichkeitsritual: Der 22-jährige Niels ist Teil einer St…
taz: Herr Weidinger, welche Funktionen erfüllen Studentenverbindungen
heute?
Bernhard Weidinger:Die zentrale Funktion von Verbindungen heutzutage ist
der Selbsterhalt. Wir sprechen von sehr wenig dynamischen Organisationen,
die teilweise seit Jahrzehnten mit Nachwuchsproblemen zu kämpfen haben. Da
steht die Traditionspflege im Vordergrund. Daneben gibt es natürlich den
[1][sozialen Aspekt], also die Kneipen, die Feste.
Für schlagende Verbindungen ist auch das Fechten von großer Bedeutung. Ist
das noch zeitgemäß?
Das lässt sich sicher diskutieren. Meines Erachtens sollte im 21.
Jahrhundert die [2][Frage der Sittenwidrigkeit] studentischer Fechtrituale
neu erörtert werden. Das dafür bis heute maßgebliche BGH-Urteil stammt aus
den frühen 1950ern. (Laut dem Urteil ist die Einwilligung in
Körperverletzungen bei Fechtkämpfen nicht sittenwidrig, d. Red.)
Verbindungsstudenten sagen, dass die Mensur mittlerweile harmloser sei als
ein Boxkampf. Finden Sie das auch?
Der Vergleich mit dem Boxen an sich ist schon schief, weil es sich bei der
Mensur nicht um einen sportlichen Wettkampf, sondern um ein
Männlichkeitsritual handelt, das aus dem Verletzungsrisiko überhaupt erst
seine Bedeutung zieht. Wie hoch das Risiko ist, hängt ab vom jeweils
geltenden Regelwerk. Aber aufgeschlitzte Wangen und offene Arterien zählen
sicher nicht zu den typischen Boxverletzungen.
Kommen solche Verletzungen noch häufig vor?
Ein derartiger Fall aus Erlangen hat vor Kurzem einmal mehr gezeigt, dass
große Bemühungen unternommen werden, solche Vorfälle geheim zu halten. Man
verarztet die Verletzungen direkt am Haus oder stellt dort, wo das nicht
mehr geht, mit bekanntem Klinikpersonal Einvernehmen her, dass nichts an
die Polizei gemeldet wird. Insofern ist davon auszugehen, dass es eine
erhebliche Dunkelziffer gibt.
Wie viel hat sich in den letzten 50 Jahren überhaupt beim Fechten
verändert?
In meiner Wahrnehmung kaum etwas. Dort, wo das Fechten identitätsstiftend
ist, sind auch gerade die Pflege der Tradition und die Nichtveränderung des
Rituals identitätsstiftend. Wenn man in größeren Zeiträumen denkt, sagen
wir 100 Jahre, kann man schon feststellen, dass deutlich weniger gefochten
wird und wohl auch weniger Unfälle passieren.
Und wie reformfähig sind Studentenverbindungen insgesamt?
Es gibt Verbände, wo es eine vergleichsweise hohe Bereitschaft gibt, sich
ändernden Zeiten anzupassen. Und andere, wo genau das ganz grundsätzlich
abgelehnt wird, wo man stolz darauf ist, an Formen und Ideen des 19.
Jahrhunderts festzuhalten. Die [3][Deutsche Burschenschaft] wäre ein
Beispiel für Letzteres.
Die sticht auch durch rechtsextreme Einstellungen heraus. Aber sind
Burschen anderer Verbände so viel weniger rechts, wie sie behaupten?
Gerade in Deutschland gibt es ein erhebliches Spektrum, das von liberal bis
rechtsextrem reicht. Im Schnitt wird man das Verbindungsstudententum
jedenfalls rechts der studentischen Mitte verorten können.
Die meisten Verbindungen sind als Männerbünde organisiert. Es gibt aber
auch gemischte Verbindungen. Sind sie die Zukunft?
Bei gemischten Verbindungen ist über die letzten Jahrzehnte kein besonderes
Wachstum zu beobachten. Auch wenn man in die USA schaut, wo es ein noch
lebendigeres Verbindungswesen gibt als hier, sieht man zwar gemischte
Verbindungen, aber die Regel sind sie nach wie vor nicht. Es ist
offensichtlich so, dass die Geschlechtshomogenität für viele der Mitglieder
auch ein Motiv ist, überhaupt in eine Verbindung einzutreten.
Wie könnten sich Studentenverbindungen in Zukunft entwickeln?
Eine Entwicklung könnte hingehen zu einem amerikanischen Modell, bei dem
das Feiern sehr stark im Vordergrund steht. Insgesamt erwarte ich aber,
dass sich im Verbindungswesen relativ wenig verändert.
Strukturkonservatismus ist Teil seiner DNA.
28 Mar 2023
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## AUTOREN
Joscha F. Westerkamp
## TAGS
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