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# taz.de -- Erlanger Studentenverbindungen: Illegales Ehrenduell
> In Erlangen fochten Verbindungen ein verbotenes Duell, zwei Personen
> wurden schwer verletzt. Die Korporierten befürchten jetzt ein
> Fecht-Verbot.
Bild: Ausstattung einer Burschenschaft für die Mensur
Berlin taz | In schlagenden Studentenverbindungen sollen Mitglieder mit
Bier- und Fechtritualen ihr vermeintliches Mannsein beweisen. Nach
taz-Informationen haben sich bei einem illegalen Ehrenduell in Erlangen am
10. Februar zwei Männer schwer verletzt. Die Autonome Antifa Freiburg (AAF)
hat interne Chats der Verbindungen veröffentlicht, aus denen weitere
Details hervorgehen. Demnach gehören die Duellanten zur Burschenschaft
Germania im Süddeutschen Kartell und zur Turnerschaft Munichia Bayreuth im
Coburger Convent.
Es handelte sich bei dem Duell um eine sogenannte „Pro Patria-Suite“, bei
der Mitglieder [1][um ihre Ehre kämpfen]. Das ist verboten. Nur die Mensur,
also das Fechten, um „seine Mann zu stehen“, ist unter Auflagen erlaubt.
Die Einladung zu dem Abend bestätigt, dass nicht bloß eine Mensur gefochten
werden sollte. Ein Mann namens Franc V. schrieb am 31. Januar „mit treuen
Munichengrüssen“ seinen „lieben Bundesbrüdern“ von der „Turnerschaft
Munichia Bayreuth im CC“: „Hiermit möchte ich Euch herzlich zu unserer
PP-Suite mit der B! Germania Erlangen einladen“. PP steht für „Pro Patria�…
im Jargon der Korporationen. Einem solchen Duell geht meist eine
Beleidigung voraus.
Die Burschen- und Turnerschaft führten an dem Abend dann eine dreigliedrige
Fechtfolge durch. Drei Burschen und drei Turner traten gegeneinander an.
Geplant war, dass der Abend anschließend „feucht-fröhlich ausklingen“
sollte. Doch es kam anders. Zwei Mitglieder der Munichia wurden durch
„Germanen“ so schwer verletzt, dass sie im Krankenhaus behandelt werden
mussten. In den Worten der schlagenden Verbindungen: Es gab zwei „klinische
Abfuhren“.
## Bis zum Knochen
Den ersten Verletzten brachten Beteiligte noch alleine in die
Universitätsklinik. Der zweite Verletzte war allerdings so schwer verletzt,
das die Anwesenden einen Rettungswagen riefen. Die Rettungsleitstelle
informierte die Polizeiinspektion Erlangen-Stadt.
In den internen Chats, die die Autonome Antifa Freiburg veröffentlicht hat,
berichtet ein „Alter Herr“ des Erlanger Corps Pomerania Silesia Bayreuth:
„Es gab eine Knochenrille und beim zweiten Paukanten konnte eine Arterie
nicht geschlossen werden.“
Die Schwere der Verletzungen durch geschliffene Klingen schockierte die
Radiologie an der Klinik so nachhaltig, dass sie MRT-Aufnahmen des einen
Verletzten veröffentlichte. In einer Pressemitteilung schreibt die Polizei,
dass bei einer „Fechtveranstaltung“ ein 21-Jähriger beim „Wettkampf eine
Schnittwunde am Kopf“ und eine weitere Person ebenso eine „Kopfverletzung“
erlitt. Ermittlungen wegen „gefährlicher Körperverletzung“ seien
aufgenommen wurden. Vom Duell schreibt die Polizei bisher nichts.
Die internen Chats der Verbindungsmitglieder zeigen, dass dort nun große
Sorge besteht. Sie fürchten, dass das studentische Fechten mit scharfen
Waffen komplett verboten werden könnte und eine aufbrechende
gesellschaftliche Debatte um die Mensur. So wettert einer: „Wie kann ein
Paukarzt so blöde sein und die Rettung rufen, wenn die Uni-Klinik 200 m
entfernt ist!!“. Pauken nennen schlagenden Verbindungen das Fechttraining.
## Wackelt bald auch die bisher legale Mensur?
Der Mann erklärt im Chat weiter: „Es ist blöde, weil 1. die Rettung nicht
der Schweigepflicht unterliegt und gesetzlich verpflichtet ist, bei
Körperverletzung die Polizei zu verständigen und weil 2. die Chirurgie
selbst wenn man den Patienten hinträgt schneller erreichbar ist als mit der
Rettung und weil jetzt 3. die politische Diskussion um ein Mensurverbot
wieder angestoßen wird“.
In den Chats wird denn auch prompt dargelegt, wie bei solchen Unfällen
reagiert werden sollte, um Polizei und Öffentlichkeit außen vorzuhalten.
Ein Alter Herr beklagt aber auch, dass bei einem früheren Duell in Erlangen
schon mal ein „Paukant“ ins Krankenhaus gebracht werden musste.
Eine Sprecherin der Freiburger Autonomen Antifa sagt, aus den Chats gehe
hervor, dass das Fechten um die Ehre verbreiteter sei als bekannt. Der
Nachweis sei wegen des Corpsgeistes in Korporationskreisen schwer zu
führen, betont sie. Aber: „In diesem Fall ist die Sachlage eindeutig“.
Die Rechtslage ist nicht minder deutlich. In einem Grundsatzurteil von 1953
entschied der Bundesgerichtshof, dass bei einer Mensur die Einwilligung in
die Körperverletzung nicht sittenwidrig sei. Dies würde aber nicht auf
Duelle zutreffen, „die der Austragung von Ehrenhändeln dienen“.
„Ehrenhändel widersprechen dem staatlichen Gewaltmonopol und sind deshalb
seit Jahrhunderten verboten“ sagt die Kulturwissenschaftlerin Alexandra
Kurth der taz. Sie beobachtet schon lange die Studentenverbindungen in
Deutschland. Laut ihr schwanke die strafrechtliche Verfolgung von Duellen.
Oft sei es schwierig, nachzuweisen, dass überhaupt ein Duell stattgefunden
hat.
Doch im aktuellen Fall ist Kurth hoffnungsvoll: „Sollte sich herausstellen,
dass es sich bei den Erlanger Mensuren tatsächlich um Ehrenhändel gehandelt
hat – und vieles spricht dafür – darf man einen hochspannenden Strafprozess
erwarten.“
Aber auch [2][die derzeit legalen Mensuren] sind umstritten. Die „guten
Sitten“, zu denen der Bundesgerichtshof 1953 Mensuren als
Männlichkeitsritual zählte, könnten heute ganz anders ausgelegt werden,
hofft die Sprecherin der Freiburger Autonomen Antifa. „Ein potenziell
tödlicher Fechtkampf als Mutprobe zur Bildung einer Gruppenidentität
elitärer Männerbünde würde heute wohl als Verstoß gegen die ‚guten Sitte…
gesehen werden.“
Ein Aschaffenburger Rechtsanwalt von der Burschenschaft Libertas Würzburg
warnt in den internen Chats selbst: „Wenn heutzutage wirklich einmal ein
Gericht darüber entscheiden müsste, ob die Mensur gegen die guten Sitten
verstößt (…), sehe ich ehrlich gesagt ziemliche Unwetterwolken am Horizont
aufziehen“. Die Sprecherin der Freiburger Antifa sagt dazu: „Wir hoffen,
für schlechtes Wetter zu sorgen“.
[Anm. d. Red.: Der Vorsitzende der Erlanger Burschenschaft Germania lässt
uns unter Vorlage eines Einstellungsbescheides der StA Nürnberg Fürth
wissen: „Weder waren die Mensuren Ehrenhändel, noch wurde auf die
vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen verzichtet, noch wurden unübliche
Mensurklingen verwendet.“]
23 Feb 2023
## LINKS
[1] /Ritueller-Fechtkampf/!5069885
[2] /Mitglied-in-rechter-Burschenschaft/!5873668
## AUTOREN
Andreas Speit
## TAGS
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