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# taz.de -- Folgen des Dauer-Lockdowns: „Nur Mama ist langweilig“
> Die Nerven im Lockdown liegen oft blank. Abwechslung bei der
> Kinderbespaßung fällt schwer und immer die gleichen Menschen zu sehen
> zermürbt.
Bild: Nach monatelangem Lockdown sind Kinder wie Eltern immer mehr genervt
So langsam sind alle vom Dauer-Lockdown zermürbt. Meine Tochter, die sich
zunächst gefreut hat, nicht mehr in die Schule zu müssen und wie im letzten
Frühjahr ganz viel Zeit mit mir zu Hause verbringen zu können, ist es nach
einem Monat, in dem sie ganz mit ihren Kuscheltieren beschäftigt war,
mittlerweile so leid, sich den ganzen Tag selbst beschäftigen zu müssen,
dass sie meint: „Ich fände langsam auch okay, mal wieder zur Schule zu
gehen. Nur Mama ist doch irgendwie langweilig.“
Ich selbst bin mittlerweile schon genervt, wenn meine Tochter mit ihrem
Faultierkuscheltier spielt, weil seine schrille Stimme mich auch am anderen
Ende der Wohnung aus allem rausreißt. Meine Nerven liegen immer öfter
blank. Ich träume ständig davon, die Wohnung einfach nur für mich alleine
zu haben, und hasse mich gleichzeitig dafür, alleine schon von der
Anwesenheit meiner Tochter genervt zu sein.
Auch mein 71-jähriger Vater, der seit März letzten Jahres von
[1][gelegentlichen Spaziergängen] abgesehen [2][nur zu Hause sitzt] und da
ihm seine Einkäufe abgenommen werden, nicht einmal mehr im Supermarkt unter
Menschen kommt, ist in den letzten Wochen dünnhäutig geworden. Heute hat er
die Nerven verloren, weil seine Deckenlampe nicht mehr funktioniert.
Ich kann ihn verstehen: So sehr ich bisweilen verfluche, in diesem Lockdown
nicht alleine zu sein und frei über meine Zeit verfügen zu können, so wenig
kann ich mir vorstellen, ein ganzes Jahr lang so gut wie keine
Außenkontakte mehr zu haben. Ohne eine Aussicht auf baldige Änderung. Denn
selbst für Risikopatienten kann es mit der Impfung ja noch eine Weile
dauern. So lange trifft mein Vater niemanden außer mir. Seit etwas mehr als
einem halben Jahr komme ich jeden Donnerstag bei ihm vorbei, um für ihn
einzukaufen.
Eine Win-win-win-Situation
Doch durch den Ausnahmezustand entstehen auch ganz neue Synergien: Während
ich monatelang lediglich zu meinem Vater gefahren bin, um ihm zu helfen,
habe ich seit der Schließung der Cafés im November neben vielen sehr guten
Gesprächen mit einem Mal auch noch einen ganz praktischen Nutzen von meinen
Besuchen bei ihm: Da ich in meiner kleinen Wohnung nicht zum Schreiben
komme, habe ich mir, seit die Cafés geschlossen sind und es für
stundenlanges Arbeiten auf Parkbänken zu kalt geworden ist, in meinem
ehemaligen Zimmer in seiner Wohnung ein Schreiblager eingerichtet.
Er hat es seit meinem Auszug vor 20 Jahren nie genutzt. Nun ist es ein
Refugium, in dem ich jederzeit in Ruhe meiner Arbeit nachgehen kann, wenn
meine Tochter anderweitig versorgt ist.
Die wiederum muss nicht mehr jeden Tag mit ihrer „genervten Mama“
rumhängen, die „in diesem blöden Lockdown die ganze Zeit immer nur an ihre
Arbeit“ denkt „und gar keine Lust zu spielen“ hat, wie sie zu Recht klagt:
Eine liebe Nachbarin, die meint, sie sei unterfordert vom Nichtstun in der
Kurzarbeit, hat sich angeboten, ein paar Stunden in der Woche mit ihr zu
spielen: Ihre zwei ältesten Kinder sind erwachsen und die jüngste, die noch
bei ihr wohnt, ist bereits ein Teenie und so selbstständig, dass sie ihre
Mutter nicht mehr braucht.
Bereits zwei Mal war meine Tochter nun dort zu Besuch, hat neue
Gesellschaftsspiele kennengelernt, mit unserer Nachbarin gemalt und Spaß im
Schnee gehabt. Beide Male kam sie beglückt zurück.
Eine Win-win-win-Situation: Die Nachbarin hat mit der Kinderbespaßung der
isolierten Siebenjährigen eine anspruchsvolle temporäre Aufgabe, mein Vater
ist froh, nicht mehr jeden Tag alleine zu sein, und die „genervte,
langweilige Mama“ freut sich nach getaner Arbeit, ihre Tochter
wiederzusehen, und hat auch wieder Elan und Ideen für Spiele.
16 Feb 2021
## LINKS
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## AUTOREN
Eva-Lena Lörzer
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