| # taz.de -- Flüchtlingsdramen in Nordafrika: Europa ignoriert den Rest der Welt | |
| > Die Bekämpfung von Fluchtursachen spielt für die EU keine Rolle. Das Ziel | |
| > ist nun, schutzsuchende Menschen um jeden Preis fernzuhalten. | |
| Bild: Flüchtende, die das Mittelmeer überqueren wollten, abgefangen an der K�… | |
| Über die Hälfte der Bevölkerung von Sudan, 17,7 Millionen Menschen, haben | |
| nach UN-Daten zu wenig zu essen. Ein Zehntel, über 4 Millionen, sind akut | |
| unterernährt. Knapp 9 Millionen sind inner- und außerhalb des Landes auf | |
| der Flucht. Jenseits der Grenzen, etwa in Tschad, mangelt es an allem. Es | |
| gibt humanitäre Hilfswerke, aber sie haben kein Geld. Während die Welt zu | |
| Recht auf den Horror in Gaza starrt, gerät der [1][Horror in Sudan] knapp | |
| ein Jahr nach Kriegsbeginn zwischen den mächtigsten Generälen des Landes in | |
| Vergessenheit. Wer kann, flieht. Wer nicht kann, stirbt. | |
| Das ist Afrikas unsichtbare Realität, deren sichtbares Ende sich in | |
| Elendslagern „illegaler“ Flüchtlinge in Nordafrika und kenternden | |
| überfüllten Booten im Mittelmeer manifestiert. Nicht nur in Sudan, in | |
| vielen Ländern von Mali bis Kongo kollabieren ganze Gesellschaften unter | |
| der Wucht der mutwilligen oder schleichenden Zerstörung ihrer | |
| Lebensverhältnisse. | |
| Europa begegnet dieser Realität mit einer Mischung aus Härte und Blindheit. | |
| Die Härte besteht in der Entschlossenheit, „illegale“ Migration zu stoppen, | |
| den Zugang zu Asylverfahren zu erschweren und die Deportation von | |
| Schutzsuchenden zu erleichtern. Dafür schließt die EU [2][Abkommen mit | |
| autoritär regierten Transitstaaten] wie Tunesien, Ägypten oder Mauretanien, | |
| wo Grundrechte nicht gelten. Die Blindheit besteht darin, die Gründe zu | |
| ignorieren, aus denen sich Menschen in Bewegung setzen und für die Aussicht | |
| auf ein besseres Leben ihr Leben aufs Spiel setzen. | |
| „Fluchtursachen bekämpfen“ hieß jahrelang das zentrale Mantra der deutsch… | |
| Flüchtlingspolitik: Bessere Lebensbedingungen in den Herkunftsländern | |
| verringern Emigration. Es war schon immer ein Trugschluss: Bessere | |
| Lebensbedingungen ermöglichen vielen Menschen überhaupt erst die | |
| Erweiterung ihres Horizontes. Aber immerhin wurde anerkannt, dass es | |
| Ursachen für Flucht gibt. | |
| Heute ist von „Fluchtursachen bekämpfen“ keine Rede mehr. Europa will | |
| einfach keine Flüchtlinge mehr, zumindest keine außereuropäischen. Man | |
| bezahlt andere Länder nicht mehr für das Verringern von Fluchtursachen, | |
| sondern für das Unterbinden der Flucht. Sollen die Leute doch einfach | |
| hinter dem Mittelmeer unter sich klarkommen – Hauptsache, sie bleiben | |
| drüben. Notfalls gibt man dafür Unsummen von Geld aus und geht gleichzeitig | |
| weltweit auf [3][Einkaufstour für Fachkräfte] und grüne Energiequellen. | |
| Europa will vom Reichtum im Rest der Welt profitieren und zugleich vom | |
| Elend im Rest der Welt nichts wissen. Wen wundert es da, wenn der Rest der | |
| Welt von Europa nichts wissen will? Wenn Europa seine Politik ohne den Rest | |
| der Welt macht, macht der Rest der Welt seine Politik ohne Europa. Bald | |
| wird der vergreisende Kontinent auf sich allein gestellt sein und die Welt | |
| nicht mehr verstehen. Und der Welt wird es egal sein. | |
| 4 Apr 2024 | |
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| Dominic Johnson | |
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