| # taz.de -- Film „Der Junge muss an die frische Luft“: Die Welt zum Lachen … | |
| > Caroline Link verfilmt einfühlsam Hape Kerkelings Kindheitserinnerungen. | |
| > Es gelingt ihr, eine Tragikomödie in zartem Ton zu erzählen. | |
| Bild: Julius Weckauf, Jahrgang 2007, spielt den kleinen Hans-Peter | |
| „Hans-Peter, willste ’n Pferd?“ – „Was?“ – „Ob du ’n Pferd wi… | |
| Kind würde da ernsthaft nein sagen, wenn die Oma so direkt fragt? Der | |
| Angesprochene zögert nicht lang, später sitzt er, nach diversen mühevollen | |
| Versuchen des Aufsitzens, tatsächlich im Sattel, wenn auch verkehrt herum. | |
| Der Junge heißt Hans-Peter Kerkeling, ist im Grundschulalter und lebt in | |
| Recklinghausen, da, wo das Ruhrgebiet schon fast zu Ende ist. Ein | |
| beschauliches Leben, der Vater Tischler, die Mutter Floristin, seine | |
| Großeltern zugewandt, die eine Oma (Ursula Werner) bodenständiger, die | |
| andere (Hedi Kriegeskotte) exzentrischer. Er selbst ist etwas pummelig, | |
| versteht es aber virtuos, für sich einzunehmen: Schon als kleines Kind | |
| entdeckt er sein komisches Talent, im Laden der Oma, wo er die Kundinnen | |
| belauscht und hinterher treffsicher imitiert – manchmal ist es auch Ilja | |
| Richter, den er zuvor im Fernsehen erlebt hatte, wie er das Publikum seiner | |
| Sendung „Disco“ begrüßt mit den Worten: „Einen wunderschönen guten Abe… | |
| meine Damen und Herren, hallo Freunde!“ | |
| „Der Junge muss an die frische Luft“ ist die Verfilmung von Hape Kerkelings | |
| gleichnamiger Autobiografie aus dem Jahr 2014. Caroline Link, die mit dem | |
| Komiker den Geburtsjahrgang 1964 teilt, hat Regie geführt. Nach Julia von | |
| Heinz’[1][Komödie „Ich bin dann mal weg“] von 2015 ist dies die zweite | |
| Adaption eines Kerkeling-Buchs. Und Links Arbeit ist, kleine Vorwegnahme, | |
| der berührendere und bessere Film geworden als von Heinz’Nacherzählung des | |
| Kerke-ling’schen Pilgerwanderungsberichts. | |
| Caroline Link hat im direkten Vergleich mit Julia von Heinz einen | |
| Wettbewerbsvorteil: den Hauptdarsteller. Während Devid Striesow in „Ich bin | |
| dann mal weg“ einen freundlichen, zugleich irgendwie konturlosen Hape | |
| Kerkeling auf dem Jakobsweg gab, ist Julius Weckauf in der Rolle des | |
| kindlichen Hans-Peter eine echte Entdeckung. | |
| „Der Junge muss an die frische Luft“ ist Weckaufs erster Leinwandauftritt, | |
| und mit diesem Debüt katapultiert sich der 2007 geborene Darsteller auf | |
| Anhieb ins Kraftzentrum des Films. Das liegt an der selbstverständlichen | |
| Wandelbarkeit, mit der Weckauf in die unterschiedlichsten Figuren schlüpft, | |
| je nachdem, wen sein Hans-Peter da gerade nachahmt, von der | |
| aufdringlich-koketten Frau Kolossa, die wenig Glück mit den Männern hat, | |
| über eine winzige Nebenrolle im Schultheater, die er zum brüllend witzigen | |
| Paradeauftritt mit Publikumsansprache ausbaut, bis zu seiner ganz | |
| selbstverständlichen Karnevalsverkleidung als Prinzessin. | |
| Dabei ist „Der Junge muss an die frische Luft“ keinesfalls eine | |
| Nummernrevue vom einen Schenkelklopfer zum nächsten, eher eine | |
| Tragikomödie. Hinter Hans-Peters Bedürfnis, andere zum Lachen zu bringen, | |
| steht ein heftiger biografischer Riss: die Depression der Mutter, die | |
| schließlich zum Freitod führt, als er 9 Jahre alt ist. Dass es der Mutter | |
| Margret (Luise Heyer) „nicht gut“ geht, bereitet Link behutsam vor, fast | |
| scheint sich die Krankheit mühelos einzufügen ins Panorama der | |
| bieder-eigenwilligen Verwandtschaft mit Tante Lisbeth (Birge Schade), die | |
| als Nonne stets im Habit zu den Familienfeiern erscheint, oder Tante | |
| Gertrud (Eva Verena Müller), die zu jeder ihr sich bietenden Gelegenheit | |
| ihren Gesang beisteuert. Den Tod selbst schildert Link so nüchtern wie | |
| hart, mit einem hilflosen Hans-Peter, der sich beim Entdecken der leblosen | |
| Mutter zu ihr ins Bett legt. Danach ist sie weg und das Kind sprachlos. | |
| ## Mehr als Ruhrpottnostalgie | |
| Der Film beschränkt sich, bei aller angedeuteten Ruhrpottnostalgie, nicht | |
| auf das Bebildern von Hape Kerkelings Kindheitserlebnissen, sondern findet | |
| einen sehr zarten Ton vor allem für die Nöte des traumatisierten Jungen. | |
| Als dieser während der Trauerfeier beim Anblick des Sargs der Mutter | |
| schreiend aus der Kirche rennt, folgt ihm die Kamera mit zwei seiner Tanten | |
| auf den Friedhof, wo er sich unter einer Parkbank versteckt, auf die sich | |
| die Tanten, ebenfalls hilflos, dann setzen. Tante Gertrud, die eine der | |
| beiden, tut, was sie in solchen Situationen immer tut. Sie singt. | |
| Diese Mischung aus Anrührendem und Schrulligem inszeniert Link, ohne sich | |
| der Versuchung des Klamauks hinzugeben. Damit bleibt der Film, bei aller | |
| Gefühligkeit, die in ihm anklingt, stets überraschend, hält die Dinge in | |
| der Schwebe und lässt seiner Hauptfigur Raum, um die Welt um sich herum zu | |
| entdecken. Die er, nachdem er die Mutter mit seinem Lachen nicht retten | |
| konnte, fortan um jeden Preis zum Lachen bringen will. Ein Bekenntnis, das | |
| in der unbedarften Offenheit eines Kindes umso mehr ergreift. | |
| 24 Dec 2018 | |
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| ## AUTOREN | |
| Tim Caspar Boehme | |
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| beliebteste Boulevardzeitung. Die "Bild am Sonntag" beweist sich mal wieder | |
| als Sprachorgan deutscher Promis. In diesem Fall, Hape Kerkeling. |