| # taz.de -- Fahrradverkehr in Bremen: Platz fürs grüne Idyll | |
| > Die Humboldtstraße im Bremer Viertel soll noch fahrradfreundlicher | |
| > werden. Deswegen hat das Verkehrsressort einen aufwendigen Versuch | |
| > gestartet. | |
| Bild: Für Autos soll hier bald weniger Platz sein: Humboldtstraße | |
| Bremen taz | Langsam geht über dem Steintor die Sonne auf, eine Radfahrerin | |
| fährt gemächlich neben einem Auto her, das Fenster ist heruntergekurbelt, | |
| die beiden plaudern auf ihrem morgendlichen Weg durch die Humboldtstraße. | |
| Auto und Radverkehr in perfekter Harmonie, könnte man meinen. Doch der | |
| Schein trügt, findet man im Verkehrsressort. Um die Humboldtstraße zu einer | |
| „Fahrradstraße zum Wohlfühlen“ zu machen, soll der Autoverkehr dort nun | |
| weiter reduziert werden. | |
| Linda Neddermann, die Sprecherin der grünen Senatorin für Mobilität und | |
| Stadtentwicklung, sieht hier [1][allerlei Konflikte zwischen Rad- und | |
| Autoverkehr]: „Zum Beispiel Drängeln, zu enges Überholen und zu hohe | |
| Geschwindigkeiten, gerade an den Baumnasen. Außerdem gibt es weitere | |
| Konflikte, die an der Einmündung zum Dobben sowie den Ampeln auftreten.“ | |
| Deshalb hat die Stadt nun einen dreistufigen Verkehrsversuch gestartet, der | |
| seit dem 01.03.2021 läuft. | |
| Eine Videoerhebung aus dem Jahr 2019 hat ergeben, das pro Tag 3.250 bis | |
| 3.650 Autos und 4.600 bis 6.850 Radfahrende diese Fahrradstraße passieren. | |
| Ein Fünftel des Autoverkehrs ist so genannter Durchgangsverkehr. Dieser | |
| gilt in der Unfallforschung als besonders gefährlich: „Die Fahrradstraßen | |
| in Bremen entsprechen bisher nicht den Empfehlungen der Unfallforschung, | |
| möglichst restriktiv mit dem Kfz-Verkehr umzugehen“, sagt Neddermann. | |
| [2][Im Rahmen des Forschungsprojektes „Sunrise“], welches seit 2017 zur | |
| Entwicklung nachhaltiger Mobilität im Quartier läuft, habe es vermehrt | |
| Proteste gegeben: „Es gab wiederholt Beschwerden von Radfahrenden über | |
| Konflikte mit dem Kfz-Verkehr“, sagt Neddermann. | |
| ## Durchfahrtssperre ab Mai | |
| Durch Erhebungen, Zählungen und Befragung der Bürger*innen [3][soll | |
| daher bis zum Ende des Jahres das beste Modell ermittelt] und umgesetzt | |
| werden. Die Idee eines Verkehrsversuchs hat auch im Beirat Östliche | |
| Vorstadt für Zustimmung gesorgt. Der Sprecher des dortigen Fachausschusses | |
| für Mobilität und Klima, Helmut Kersting (Die Linke), begrüßt das | |
| Verkehrsprojekt: „Probleme macht die Humboldtstraße schon seit Jahren, | |
| besonders an den Kreuzungen und den Baumnasen, die die Straße verengen.“ | |
| Seit gestern dürfen daher erst einmal nur noch Anlieger*innen in die | |
| Humboldtstraße fahren. Die neue Regelung wird durch kleine Schilder | |
| angezeigt. „Ich denke dieses Modell wird so gut wie gar keine Auswirkungen | |
| haben, da viele die Schilder übersehen werden und eine Kontrolle kaum | |
| durchführbar ist“, sagt Helmut Kersting. | |
| Ab dem 1. Mai soll es dann eine Durchfahrtsperre für Autos westlich der | |
| Hornerstraße geben. „Ich stelle mir die Sperrung persönlich etwas schwierig | |
| vor, da viele trotzdem in die Straße fahren werden und dann eine | |
| Wendemöglichkeit brauchen“, sagt Kersting. | |
| Das dritte Modell wird ab Juli getestet. Dann soll die Humboldtstraße zu | |
| einer Einbahnstraße werden. „Ich denke die Einbahnstraße ist am | |
| sinnvollsten, aber das wird der Test zeigen“, sagt Kersting. Der Sprecher | |
| der CDU-Bürgerschaftsfraktion für Mobilität und Stadtentwicklung, Heiko | |
| Strohmann, befürchtet hingegen, dass der Verkehr sich auf die anderen | |
| Straßen verlagern könnte: „Eine Verdrängung des Verkehrs auf andere Straß… | |
| kann nicht die Lösung sein.“ | |
| Fragt man die Radfahrer*innen und Passant*innen in der | |
| Humboldtstraße, sehen die die Situation bisweilen entspannter. „Ich habe | |
| nicht das Gefühl, dass hier viele Autos lang fahren“, sagt der Handwerker | |
| Hergen Böttcher. „Ein Verkehrsversuch ist aber nicht schlecht, vielleicht | |
| kommt ja was bei raus.“ | |
| Gar keine Probleme mit der Situation in der Fahrradstraße hat ein Fotograf, | |
| der gerade beruflich in der Humboldtstraße unterwegs ist: „Ich fühle mich | |
| hier wie im Fahrradhimmel.“ Von dem Verkehrsversuch hat er bereits in der | |
| Zeitung gelesen – „die Autofahrer respektieren den Radverkehr hier viel | |
| mehr als in Polen. Ob hier ein paar Autos weniger fahren oder nicht, ist | |
| mir eigentlich piepegal.“ | |
| Die Kosten für den Verkehrsversuch werden auf rund 50.000 Euro geschätzt. | |
| „Das ist ein neuer Weg in der Verkehrsplanung in Bremen“, sagt Neddermann | |
| und bekommt dafür Beifall von der CDU: „Generell finde ich es wichtig, dass | |
| unterschiedliche Varianten 'real’ getestet werden. Das wünsche ich mir auch | |
| bei anderen verkehrlichen Maßnahmen“, sagt Strohmann. | |
| 16 Mar 2021 | |
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| [1] /Temporaere-Radwege-in-Berlin/!5737873 | |
| [2] https://sunrise-bremen.de/ | |
| [3] https://www.bauumwelt.bremen.de/mobilitaet/aktuelle_projekte/verkehrsversuc… | |
| ## AUTOREN | |
| Lukas Scharfenberger | |
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