| # taz.de -- Elfenbeinküste vor Präsidentschaftswahl: Händchenhalten mit Ado | |
| > Kaum jemand bezweifelt, dass Alassane Dramane Ouattara wiedergewählt | |
| > wird. Bemerkenswert ist, dass diese Wahl friedlich verläuft. | |
| Bild: Ado ist allgegenwärtig. | |
| Abidjan taz | Madjalia Korogo fasst vorsichtig die rechte Hand des | |
| Präsidenten an, mustert ihn von Fuß bis Kopf und schaut dann wieder in | |
| Richtung Kamera. Während Alassane Ouattara freundlich lächelt, versucht die | |
| junge Frau, seriös zu wirken. Wann hat man schon die Möglichkeit, sich mit | |
| dem Präsidenten der Elfenbeinküste ablichten zu lassen? Ein paar Minuten | |
| später, als sie das Foto in den Händen hält, strahlt sie endlich. „Gut | |
| geworden, oder?“ | |
| Der echte Ouattara ist es zwar nicht, sondern nur ein Aufsteller aus Pappe. | |
| Trotzdem lässt er in Yopougon, einem dichtbesiedelten Stadtteil von | |
| Abidjan, junge Menschen Schlange stehen. | |
| Ausgerechnet Yopougon! Das Viertel galt vor fünf Jahren als Bastion des | |
| damaligen Präsidenten Laurent Gbagbo. Er verlor Ende 2010 die Stichwahl | |
| gegen Ouattara, erkannte die Niederlage jedoch nicht an. Es folgte ein | |
| Bürgerkrieg, bis zu Gbagbos Verhaftung durch französische Truppen am 11. | |
| April 2011 starben mehr als 3.000 Menschen. In Yopougon wurden Massengräber | |
| entdeckt. Ab 10. November muss sich Gbagbo vor dem Internationalen | |
| Strafgerichtshof in Den Haag verantworten. | |
| Vom Bürgerkrieg ist auf dem Platz, wo Ouattaras Wahlkampftruppe Zelte, eine | |
| Musikbühne und das mobile Fotostudio aufgebaut hat, nichts zu spüren. Die | |
| Polizei ist nicht präsenter als anderswo. Hinter der Absperrung schauen ein | |
| paar Neugierige zu. Die 25-jährige Madjalia Korogo schüttelt den Kopf. Sie | |
| ist in Yopougon aufgewachsen und kann sich noch gut an die blutigen | |
| Ausschreitungen erinnern. „Schlimm war das“, sagt sie, „aber zum Glück | |
| spüren wir davon heute nichts mehr.“ Ohne Probleme könne sie heute durch | |
| ihr Viertel spazieren, Freunde treffen und das T-Shirt tragen, auf dem | |
| „Avec Ado“ steht – das wäre früher lebensgefährlich gewesen. „Mit Ad… | |
| der Wahlkampfslogan des 73-jährigen Präsidenten Alassane Dramane Ouattara, | |
| der überall mit seinen Initialen benannt wird. | |
| Ado ist allgegenwärtig. Gegen seine großen Werbeplakate wirken die der | |
| sieben Herausforderer mickrig. Es scheint fast, als ob sie nicht einmal | |
| mehr einen ernsthaften Wahlkampf betreiben. Wenige Tage vor der | |
| Präsidentschaftswahl am Sonntag geht ohnehin jeder von einem Sieg Ouattaras | |
| im ersten Wahlgang aus. Ganz zu Recht, wie Madjalia Korogo findet: „Er hat | |
| hart für unser Land gearbeitet und viel getan.“ | |
| Genannt wird, was am sichtbarsten ist: Straßen hat er gebaut und Brücken. | |
| Dass die Entwicklung in der Elfenbeinküste seit Ende der insgesamt fast 12 | |
| Jahre Krieg und Instabilität durchaus erfolgreich ist, bestätigt auch das | |
| neue Ranking der Mo-Ibrahim-Stiftung, das Fortschritte in der | |
| Regierungsführung afrikanischer Länder misst. Die Elfenbeinküste liegt zwar | |
| immer noch nur auf Platz 35 von 54 Staaten, steigt aber schneller auf als | |
| jedes andere Land. | |
| ## Jugend zu zwei Dritteln arbeitslos | |
| Trotzdem bleibt das große Problem der massenhaften Jugendarbeitslosigkeit, | |
| das Ouattara eigenen Angaben zufolge in der zweiten Amtszeit angehen will. | |
| Ob dann auch Madjalia Korogo eine bezahlte Beschäftigung finden wird? Sie | |
| lächelt verlegen und druckst herum. Es ist Mittwochnachmittag, 15 Uhr. Sie | |
| muss nirgendwo sein und hat keinerlei Verpflichtungen. „Ich würde ja gerne | |
| als Sekretärin arbeiten. Aber wo?“, fragt sie. Schätzungen zufolge sind | |
| mindestens zwei Drittel der 15- bis 24-Jährigen ohne Jobs. | |
| Das ist nicht die einzige tickende Zeitbombe, die Ouattara entschärfen | |
| muss. Mehr als viereinhalb Jahre nach Gbagbos Verhaftung gibt es keine | |
| Versöhnung zwischen den verfeindeten politischen Lagern. Nur auf einem | |
| Wahlplakat der Kandidatin Henriette Lagou Adjoua, die unter Gbagbo mal | |
| Familienministerin war, ist davon die Rede. Ansonsten wird das Thema lieber | |
| nicht angesprochen. | |
| Das könnte am Sonntag dazu führen, dass kaum jemand wählen geht. In den | |
| Wählerlisten, die als völlig veraltet gelten, stehen nur rund 6,3 Millionen | |
| Menschen bei einer Gesamtbevölkerung von 23 Millionen. Dazu kommt, dass | |
| Teile der Opposition zum Boykott aufrufen – darunter die Hardliner von | |
| Gbagbos FPI (Ivorische Volksfront), deren gemäßigter Flügel an der Wahl | |
| teilnimmt. „Keine gute Idee“, kritisiert Bamba Sindou, Koordinator von | |
| Poeci, ein Zusammenschluss nichtstaatlicher Organisationen zur Ausbildung | |
| von Wahlbeobachtern, den Boykott. „Wer etwas kritisiert und ändern will, | |
| sollte lieber Wähler für sich gewinnen.“ | |
| Madjalia Korogo ist am Sonntag dabei. Ihre Wählerkarte hat sie abgeholt. | |
| „Um sechs Uhr morgens werde ich vor dem Wahllokal stehen“, sagt sie | |
| entschlossen. Dann schaut sie noch einmal auf das Foto und lächelt. „Mein | |
| Präsident und ich. Ist es nicht eine schöne Erinnerung?“ | |
| 23 Oct 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Katrin Gänsler | |
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