# taz.de -- Ein Insider erklärt den Yogaboom: „Ich möchte kein Guru sein“ | |
> Der Bremer Yogalehrer Klaus Busch unterrichtet die Bewegungskunst seit | |
> über 20 Jahren. Anders als viele seiner Kolleg*innen hält er sie nicht | |
> für ein Allheilmittel. | |
Bild: Yoga ist mehr als die perfekte Form, sagt Klaus Busch, hier auf dem Weg i… | |
taz: Herr Busch, Sie bringen es seit mehr als 20 Jahren Menschen bei. Warum | |
boomt Yoga? | |
Klaus Busch: Da wirken ganz unterschiedliche Dinge. Manches hat damit zu | |
tun, dass viele Menschen einer sitzenden Tätigkeit nachgehen. In gewisser | |
Weise ist unser Körper aber wie ein Leopard: Der will eigentlich die Bäume | |
hochklettern. Das geht uns so weit verloren, dass wir es gar nicht mehr | |
wahrnehmen. Daraus entstehen aber alle möglichen Beschwerden und | |
Unwohlsein: dass sich Menschen in ihrer Haut nicht wohl fühlen und gar | |
nicht wissen warum. Yoga wirbt natürlich sehr damit, dass es durch die | |
Formen, die es anbietet, sehr systematisch den ganzen Körper in alle | |
möglichen Richtungen bewegt, und es tut Menschen sehr wohl, auch wenn sie | |
sich darüber hinaus gar nicht für Yoga interessieren. Ich glaube aber auch, | |
Menschen wollen ihrer Eigenwahrnehmung wieder näherrücken. Dazu kann Yoga | |
sehr beitragen. | |
Bieten andere Gesundheitsangebote das nicht auch? | |
Damit etwas boomt, braucht es Storytelling. Yoga hat wunderbare Geschichten | |
anzubieten: von den Weisen in den Bergen, von 3.000 Jahre alter Weisheit. | |
Das bringt die Leute dazu zu sagen: Ich mach jetzt Yoga statt | |
beispielsweise Beachvolleyball zu spielen. Ich habe auch nicht viel anders | |
angefangen. | |
Wie denn? | |
Ich war Schachspieler im Erstberuf. Ich habe – wie Leute in einem Bürojob – | |
hoch konzentriert am Brett gesessen und wollte einen körperlichen | |
Ausgleich. Ich habe alles Mögliche probiert, bis ich ein kleines Yoga-Buch | |
in die Hände bekam. Da habe ich gemerkt: Neben dem, was tatsächlich wie | |
Gymnastik aussieht, passiert noch was anderes. Ich konnte nicht erahnen, | |
was das ist. Das hat mich so neugierig gemacht, dass ich gesagt habe: Dem | |
gehe ich auf die Spur. | |
Was haben Sie gefunden? | |
Manche esoterische Linien im Yoga haben dafür oft schnelle Antworten, aber | |
das sind nicht unbedingt meine. Dann müsste ich Dinge glauben, ich will sie | |
aber erfahren. Ich habe auf jeden Fall viel mehr als den kleinen Ausschnitt | |
gefunden, den ich damals gesucht habe. Es gibt so etwas wie [1][Yoga als | |
Übungsweg] und Yoga als Zustand. Der Zustand des Yoga ist ein sehr waches, | |
meditatives In-der-Welt-Sein. Und mir ist wichtig zu sagen: Wir können mit | |
jeder Motivation anfangen, Yoga zu machen. | |
Kommen die Leute heute aus anderen Gründen als vor 20 Jahren? | |
Ich glaube, dass Leute oft mit einer ganz bestimmten Vorstellung kommen, | |
wofür Yoga gut ist. Yoga kann das an Stellen auch leisten, aber ich glaube, | |
dass wir Yoga auch benutzen – ich würde fast sagen missbrauchen – ,um uns | |
zu reparieren. | |
Inwiefern? | |
In der Werbung für Yoga wird sehr betont, Yoga könne Physiotherapie, | |
Psychotherapie ersetzen und alles Mögliche reparieren. Eine Säule meiner | |
Arbeit ist zu versuchen, das zu entkoppeln. Wenn ich sage, Yoga soll meinen | |
verspannten Nacken entspannen, dann kann das gelingen, aber ich bringe mich | |
um ganz viele Dinge. Es könnte gut sein, dass der Nacken genauso besser | |
wird, wenn ich jeden Tag mit einem Hund spazieren gehe. Wenn ich Yoga mit | |
einem bestimmten Ziel mache, verlasse ich mein Mindset nicht und bleibe in | |
der Rushhour, in der ich ständig bin. | |
Was wäre besser? | |
Ich glaube, dass es gut ist, Yoga zu machen, um Yoga zu machen. Zu sagen, | |
es macht Spaß, und ich muss noch gar nicht wissen, wofür es gut ist. Bei | |
Menschen, die lange Yoga machen, rücken sich viele dieser kleinen | |
Beschwerden im Bewegungsapparat an einen guten Platz. Yoga wirkt | |
unterstützend, aber das ist nicht das Zentrum dessen, was Yoga ist. Wenn | |
Leute wirklich Beschwerden haben, sage ich: Geh zum Physiotherapeuten oder | |
Arzt. | |
Es gibt eine unüberschaubare Zahl an Yoga-Angeboten und -Schulen. Was | |
zeichnet Qualität aus? | |
Yoga kommt sehr unterschiedlich daher, ausprobieren ist gut. Grundsätzlich | |
sollten Leute gut ausgebildet sein. Ich glaube aber, wir versuchen hier | |
etwas in die Box unserer Gewohnheiten zu stopfen, wenn wir Leute an | |
Kriterien messen, die wir sonst in unserer Kultur auch haben, also: Hat | |
jemand ein Diplom? Wenn du in zehn Yoga-Schulen gehst, wirklich Yoga lernen | |
willst und dir Zeit lässt, weißt du, wenn die Chemie stimmt. Das muss nicht | |
bei allen Menschen gleich sein. Wir haben ein Gespür dafür, ob Leute für | |
das stehen, was sie da tun, oder ob sie etwas lehren, was in ihnen noch | |
nicht genügend gereift ist. | |
Etwa in einer sechswöchigen Ausbildung zur Yoga-LehrerIn. | |
Es gibt in den letzten Jahren einen Ausbildungsboom. Einerseits ist es | |
toll, dass immer mehr Leute Yoga machen. Andererseits hat das zu einer | |
starken Kommerzialisierung und auch Abflachung mancher Dinge geführt. Leute | |
werden in ganz kurzen Zeiten ausgebildet und bringen relativ wenig | |
Yoga-Erfahrung mit. Das kann ein wunderbarer Einstieg sein, aber ich würde | |
das anders nennen. Man kann so etwas nicht in sechs Wochen lernen. Da wird | |
oft die Form zum Inhalt, das kritisiere ich manchmal an modernem Yoga: Wenn | |
ich eine Form einnehmen kann, dass das schon Yoga ist. Die Form ist aber | |
eher der Rahmen, der mich dazu bringen kann, Dinge anders wahrzunehmen, als | |
ich es gewohnt bin. | |
Sie vertreten mit Ihrem „Fluid-Yoga“ einen Stil, der sich nicht nur der | |
Tradition verpflichtet fühlt, sondern viele Einflüsse aufnimmt. Welche sind | |
das? | |
Eine moderne Sicht auf Yoga kann auf vieles zurückgreifen, was in unserer | |
Zeit gefunden wird. So hat sich in den letzten Jahren ein neues Körperbild | |
geformt mit einer beeindruckenden Sicht auf anatomische Zusammenhänge. Eine | |
Quelle dafür ist der Faszienforscher Robert Schleip. Daneben verwende ich | |
eine Übungsreihe, die von dem italienischen Yogalehrer Renato Turla | |
komponiert wurde. Und ich bin ein neugieriger Mensch und habe Einflüsse aus | |
zeitgenössischem Tanz, Alexander-Technik und ostasiatischen | |
Bewegungskünsten. | |
Warum ist es Ihnen wichtig, diese Quellen offen zu legen? | |
Transparenz unterstützt, dass wir auf Augenhöhe miteinander umgehen! Ich | |
möchte kein Guru sein, der sich über seine Schüler stellt, und sagt, ich | |
werde euch immer etwas voraus haben, mich holt ihr niemals ein. | |
18 Dec 2018 | |
## LINKS | |
[1] https://atisheh.com/2019/06/30/review-of-klaus-busch-and-tulin-sensans-flui… | |
## AUTOREN | |
Astrid Labbert | |
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