# taz.de -- EM im Weserstadion: Kick mit der Glaskugel | |
> Bremen will EM-Austragungsort 2024 werden. Dafür nimmt die Stadt | |
> schwammige Vorgaben und die Profitgier der Uefa in Kauf. | |
Bild: Könnte Austragungsort der Europameisterschaft 2024 werden: Bremer Wesers… | |
BREMEN taz | Nie wieder Zaungast sein, wenn drumherum ein Märchen gefeiert | |
wird! Das scheint die Lehre aus dem Sommer 2006 zu sein, als die | |
Fußballweltmeisterschaft in zwölf deutschen Städten ausgetragen wurde – und | |
Bremen nicht dabei war. | |
Falls 2024 tatsächlich die Fußballeuropameisterschaft in Deutschland | |
ausgetragen wird, worum sich der Deutsche Fußball-Bund (DFB) beim | |
europäischen Dachverband Uefa bewirbt, will Bremen daher einer der zehn | |
Spielorte sein. Der Senat hat in dieser Woche endgültig beschlossen, die | |
Bewerbungsunterlagen bis zum 10. Juli beim DFB einzureichen. | |
Mit wie viel Chancen, ist noch unklar – nicht nur, was die Chancen im | |
Bewerbungsverfahren gegen dreizehn Mitkonkurrenten angeht. „In der Abwägung | |
sehen wir als EM-Spielort große Chancen für unsere Stadt – der Imagegewinn | |
sowie die regionalwirtschaftlichen Effekte lassen sich allerdings nicht in | |
Heller und Cent umrechnen“, sagte der Sprecher der Wirtschaftsbehörde, Tim | |
Cordßen, der taz. | |
Bei den voraussichtlichen Kosten nennt die Stadt mit 10,5 Millionen Euro | |
zwar eine konkrete Zahl – aber unter Vorbehalt. „Wir glauben, dass wir beim | |
Kostenrahmen realistische Annahmen getroffen haben, aber es bleiben | |
Annahmen“, sagt Cordßen. „Wenn man sich zum Beispiel die Entwicklung der | |
Fanzonen über die Jahre anguckt, wird klar, dass das ein Stück weit noch | |
ein Blick in die Glaskugel ist.“ | |
Die von der Uefa vorgeschriebene Fanzone mit Public Viewing stellt mit 3,5 | |
Millionen den zweitgrößten Kostenfaktor dar – fünf Millionen fallen in und | |
am Stadion direkt an, etwa für Pressetribünen, Medientechnik und | |
Bewirtungsanlagen. Dass das Stadion erst vor ein paar Jahren modernisiert | |
wurde und etwa im Vergleich zum größten Konkurrenten Hannover über einen | |
großzügigeren VIP-, Business- und Hospitality-Bereich verfügt, gilt als | |
eine Trumpfkarte der Bremer Bewerbung. | |
2006 – das war nicht nur Sommermärchen, sondern auch Korruptionsskandal. | |
Deswegen sind nun alle Beteiligten am nationalen Bewerbungsverfahren vom | |
DFB bis zu den Städten bemüht, das grassierende Misstrauen gegen die | |
Organisatoren zu zerstreuen – über die Einbeziehung von Transparency | |
International und einen Verhaltenskodex für Entscheidungsträger. | |
Von ursprünglich 18 Interessenten ist nach Freiburg, Dresden und Karlsruhe | |
zuletzt auch Kaiserslautern abgesprungen, aufgrund eines | |
„unverantwortlichen finanziellen Risikos“, wie es dort hieß. Als auch | |
Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau wegen „schwammiger“ Auflagen mit | |
Rückzug drohte, verlängerte der DFB die Bewerbungsfrist. Nach Gesprächen | |
zwischen Bewerberstädten und DFB scheint es nun eine gemeinsame Linie zu | |
geben, „der Uefa potenzielle EURO2024-Stadien auf Basis einer weitgehenden | |
Vollkostenkalkulation anzubieten“, wie es in einer Pressemitteilung der | |
Stadt Dortmund heißt. | |
Keine Rede ist bislang davon, ob es auch an der ungleichen Verteilung von | |
Kosten und Einnahmen noch Änderungen gibt. Die auf 190 Seiten in | |
Juristen-Englisch verfassten „Tournament Requirements“ der Uefa erhalten | |
jede Menge Pflichten der Austragungsstädte gegenüber dem Verband und ihren | |
Lizenznehmern. | |
So ist für die Dauer einer „Exclusive Period“ im Umkreis von 500 Metern der | |
Stadien – auch zu Wasser und in der Luft – jedes Werbeplakat untersagt, das | |
nicht von einer Uefa-Lizenz gedeckt ist, also auch die Eisreklame am Kiosk. | |
Diese Periode beträgt für Städte, die sich wie Bremen um Gruppen- bzw. | |
Achtelfinalspiele bewerben, stolze 33 Tage. Eine Beteiligung an den | |
Einnahmen für den Verkauf von Lizenzen und Werberechten für die Städte ist | |
dagegen nicht vorgesehen. | |
„Wenn ‚wir bezahlen und sie kassieren‘ das Geschäftsmodell von DFB und U… | |
ist, dann ist das etwas einseitig“, hatte der Dortmunder OB gesagt und auch | |
in Bremen hat man andere Vorstellungen von Fair Play. „Es sind kommerzielle | |
Veranstaltungen und da kann es nicht so sein, dass die Städte den roten | |
Teppich ausrollen und die Verbände das Geld verdienen“, sagt der Sprecher | |
der Wirtschaftsbehörde. „Wenn Bremen im nationalen Wettbewerb erfolgreich | |
ist, erwarten wir, dass sich die zehn Austragungsstädte gegenüber dem DFB | |
und anschließend gemeinsam mit dem DFB gegenüber der Uefa klar | |
positionieren, um ihre Interessen und Rechte wahrzunehmen.“ | |
Weitere Unklarheiten gibt es bei der Sicherheit. Die Kosten für die | |
Polizeieinsätze bleiben auf jeden Fall bei den Bewerberstädten hängen, im | |
Bremer Kostenplan ist für Sicherheit jedoch noch überhaupt keine Summe | |
vorgesehen, da sie zum jetzigen Zeitpunkt nicht seriös zu beziffern seien, | |
so Tim Cordßen. | |
Laut Bremer Veranstaltungsgestaltunggesetz müssten die Kosten bei | |
personalaufwendigen Risikospielen – wenn also die Ukraine gegen Russland | |
spielt und nicht Norwegen gegen Malta – an den Veranstalter weitergegeben | |
werden. Dass diese Bremer Sonderregelung, die vom DFB schon mal mit dem | |
Entzug eines Länderspieles bestraft wurde, negative Folgen für die | |
Bewerbung haben könnte, glauben die Bremer Organisatoren nicht. | |
30 Jun 2017 | |
## AUTOREN | |
Ralf Lorenzen | |
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