# taz.de -- Dortmund siegt in Champions League: Wider die eigenen Schwächen | |
> Ohne Weltklassespieler, aber mit viel magischer Energie gegen Atlético | |
> Madrid: Borussia Dortmund gelingt der Einzug ins Halbfinale. | |
Bild: Ende einer Phase der Erfolgslosigkeit: Dortmunds Stürmer Niclas Füllkru… | |
Beschwörungen haben sich schon häufig als nutzlos entpuppt im Fußball, wo | |
so vieles unkontrollierbar ist. Das Spiel selbst ist von Zufällen und | |
unerwarteten Dynamiken geprägt, und viele Faktoren von außen lassen sich | |
schwer steuern. Nur in seltenen Fällen kommt es eben doch genau wie | |
angenommen und erhofft, so wie am Dienstagabend in Dortmund. | |
Ständig und überall wurde vor dem betörend schönen 4:2-Sieg des BVB gegen | |
Atlético Madrid vom geheimnisvollen Zauber berichtet, der in so einer | |
„Nacht“ in der Champions League entstehen könne, gerade hier. „Wir sprec… | |
oft über diese magischen Nächte, ich glaube, das war heute so eine“, | |
erklärte Julian Brandt nach dem Einzug ins Halbfinale, der [1][in dieser | |
schwierigen Dortmunder Saison] wahrlich eine Sensation ist. | |
Der Mittelfeldspieler lag definitiv richtig, denn die Geschichte dieses | |
Spiels riss alle mit. Sie war voller Wendungen, voller großer Momente. | |
Während des gesamten Abends war „unglaublich viel Energie zu spüren“, sag… | |
Sportdirektor Sebastian Kehl. | |
Die Dortmunder sind im Vergleich mit Atlético was Qualität und Erfahrung | |
betrifft eher nicht die stärkere Fußballmannschaft, aber sie verstanden es | |
einfach besser, die Kräfte des Moments zu nutzen. „Man hat ja hier in | |
Dortmund [2][jahrelang immer von Mentalität geredet] und keine Ahnung was“, | |
sagte Kapitän Emre Can geradezu trotzig. „Aber heute haben wir bewiesen, | |
dass diese Mannschaft Mentalität hat.“ | |
Schließlich drohte das Fußballdrama zwischenzeitlich zu kippen. Nach einer | |
2:0-Führung zur Halbzeit (Julian Brandt, 34.; Ian Maatsen, 39.) stand es | |
Mitte der zweiten Hälfte plötzlich 2:2 (Eigentor Mats Hummels, 49.; Angel | |
Correa, 64.). Niemand hätte sich gewundert, wenn die gewieften Spanier nun | |
endgültig zugeschlagen hätten. | |
## „Unfassbare Stimmung“ | |
Auf dieser Basis entstand diese Energie, die als „magisch“ in Erinnerung | |
bleiben wird. „Wir haben weitergemacht, wir haben daran geglaubt, das | |
Stadion hat uns getragen, es war eine unfassbare Stimmung“, sagte Marcel | |
Sabitzer, der sich zu einer Art Chefmagier entwickelte. Schon Maatsens 2:0 | |
hatte der Österreicher vorbereitet, nun lieferte er mit einer fabelhaften | |
Flanke die Vorlage für einen komplizierten Kopfballtreffer von Niclas | |
Füllkrug (71.) und schoss das 4:2 auch noch selber (74.). | |
Am Ende, als sein Körper den Eindruck machte, völlig entkräftet zu sein, | |
warf er sich zudem in Zweikämpfe, ging die Wege, die wirklich weh tun. | |
„Jeder hatte eine unfassbare Bereitschaft“, sagte Füllkrug. Nach dem | |
Abpfiff waren viele Spieler zwar total müde, zugleich aber immer noch | |
derart vollgepumpt mit Energie, dass sie selbst den Weg zur Feier vor die | |
Südtribüne sprintend zurücklegten. | |
Irgendwann erschien dann auch Klubchef Hans-Joachim Watzke auf dem Rasen, | |
weil er ganz nah dabei sein wollte in diesem Moment des Glücks. „Das war ja | |
eine Achterbahnfahrt“, sagte er, „es ist ja für Borussia Dortmund nicht | |
jeden Tag so. Das ist ein stolzer Tag für alle Borussen.“ | |
Im exklusiven Kreis der Halbfinalisten trifft der Revierklub in der | |
übernächsten Woche zunächst im heimischen Stadion auf Paris St. Germain, | |
das Finale in London sei jetzt „definitiv das Ziel“, sagte Füllkrug. Denn | |
die Franzosen haben zwar viel mehr Geld zur Verfügung als der BVB, aber in | |
der Vorrunden-Gruppe war Dortmund bereits Erster vor dem Team um Kylian | |
Mbappé. Das nährt die Zuversicht. | |
## Erinnerungen an die Klopp-Elf | |
Zumal das Gesamtbild dieses Abends Erinnerungen an das große Jahr 2013 | |
weckte, als der BVB zuletzt im Halbfinale dieses Wettbewerbs stand und sich | |
ebenfalls in einem Viertelfinaldrama – damals gegen den FC Malaga – | |
durchsetzte. | |
Vergleichen lassen sich die Situationen jedoch kaum. Vor elf Jahren waren | |
die Dortmunder gerade zwei Mal nacheinander Deutscher Meister geworden, sie | |
wurden von Jürgen Klopp trainiert, der auf dem ganzen Kontinent bestaunt | |
wurde, und spielten diesen berühmten Vollgas-Fußball, der State of the Art | |
war. Im laufenden Jahr ist der BVB hingegen ein Klub, der mit sich selbst, | |
mit seinen Krisen, eigenen Unzulänglichkeiten und Schwächen kämpft. | |
Auch gegen Atlético standen mehrere Krisenspieler auf dem Platz: Jadon | |
Sancho, der in der Hinrunde bei Manchester United aussortiert wurde, Karim | |
Adeyemi, Emre Can, [3][Mats Hummels] und Nico Schlotterbeck, die zuletzt | |
nicht mehr gut genug für die Nationalmannschaft waren. Niclas Füllkrug hat | |
ebenfalls viele schwere Zeiten erlebt und musste 30 Jahre alt werden, bis | |
er zu Saisonbeginn seine erste Champions-League-Partie überhaupt | |
absolvierte. Und die Frage, ob Typen wie Julian Ryerson oder Salih Özcan | |
auf diesem Niveau heimisch werden können, lässt sich zumindest kontrovers | |
diskutieren. | |
Einen Weltklassespieler hat Borussia Dortmund derzeit nicht, umso | |
erstaunlicher, dass Kehl ganz am Ende dieser denkwürdigen Nacht feststellen | |
konnte: „Es ist definitiv eine Aussage, unter den besten vier Teams in | |
Europa zu sein.“ | |
17 Apr 2024 | |
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## AUTOREN | |
Daniel Theweleit | |
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