# taz.de -- Doping im Biathlon: Aufklärung light | |
> Wolfgang Pichler, der schwedische Chefcoach, glaubt nicht an Dopingfälle | |
> bei der Biathlon-WM. Doch er kritisiert den Weltverband. | |
Bild: Über alles fällt Schnee: Mixed-Staffel bei der Biathlon-WM | |
Wolfgang Pichler redet gerne und viel, am Tag vor dem ersten Startschuss | |
bei der Biathlon-WM brachte es der 64-Jährige bei seinem Interview-Marathon | |
auf satte 90 Minuten. [1][Im Zuge des jüngsten Doping-Skandals] bei den | |
Titelkämpfen der Nordischen Wintersportler in Seefeld ging es natürlich um | |
das Thema Manipulation. Die Biathleten hatten in der Vergangenheit selbst | |
damit viel zu tun. An die Aufdeckung neuer Dopingfälle beim Saisonhöhepunkt | |
in Östersund glaubt Pichler aber nicht: „Keiner wird so dumm sein nach | |
Seefeld.“ | |
Ganz anderer Meinung als der oberbayerische Cheftrainer der schwedischen | |
Gastgeber ist Magdalena Neuner. Deutschlands frühere beste Biathletin ist | |
sich fast sicher, dass auch in Östersund in Sachen Doping wieder | |
irgendetwas passiert. | |
Der große Knall, der die Internationale Biathlon-Union (IBU) in ihren | |
Grundfesten erschütterte, liegt nun fast elf Monate zurück. Mitte April | |
2018 gab es am IBU-Sitz in Salzburg eine Razzia, bei den Vorwürfen gegen | |
Spitzenfunktionäre des Verbandes ging es um Doping-Vertuschung und | |
Bestechlichkeit. | |
Seit ihrem Kongress im September im kroatischen Poreč hat die IBU mit dem | |
Schweden Olle Dahlin einen neuen Präsidenten. In der Nachfolge des | |
Norwegers Anders Besseberg, der wegen der Ermittlungen sein Amt bis auf | |
Weiteres niedergelegt hatte und zur Vorstandswahl in Poreč nicht wieder | |
antrat. | |
Wolfgang Pichler moniert, bis heute wisse man nicht, „wer da in was | |
inwieweit involviert war“. Er sagt: „Es ist schwer zu begreifen, dass dabei | |
nichts herauskommt. Das müsste langsam mal zu einem Ergebnis kommen.“ Und | |
auch wenn er den personellen Neustart an der Verbandsspitze begrüßt, bleibt | |
Pichler skeptisch: „Ich bin überzeugt, dass die IBU wirklich Änderungen | |
will. Olle Dahlin war vor seinem Amtsantritt nur vier Jahre dabei. Ich | |
kenne ihn, er ist fair. Aber ob die anderen alle, von denen mancher schon | |
12 oder 16 Jahre im Vorstand ist, wirklich alles aufdecken wollen, da bin | |
ich mir nicht so sicher.“ | |
## „Schlussstrich ziehen“ | |
Er erklärt: „Denn viel schlimmer als jetzt war die Situation ja zwischen | |
2000 und 2016. Wenn man das intern diskutiert, sagen immer alle: Wir haben | |
davon nichts gewusst. Aber das kann natürlich jeder sagen“, betont Pichler, | |
der nach einem Vierteljahrhundert als Biathlontrainer in Mittelschweden nun | |
seine letzten großen Titelkämpfe erlebt. | |
Neu im Amt bei der IBU ist derweil Alf Koksvik. Der 50-jährige Norweger, | |
von 2000 bis 2008 Generalsekretär des norwegischen Biathlonverbandes, | |
bekleidet im Weltverband seit dem 1. März interimsmäßig das Amt des | |
Generalsekretärs. Er soll den außerordentlichen IBU-Kongress im September | |
vorbereiten, dabei einen strategischen Plan entwerfen. | |
Bereits seit einem halben Jahr ist auch DSV-Präsident Franz Steinle in die | |
internationalen Reformanstrengungen involviert. Beim Kongress in Poreč | |
wurde der frühere Chef des Oberlandesgerichts Stuttgart zum | |
IBU-Vizepräsidenten gewählt. | |
„Mit seiner Vergangenheit als Richter ist er für mich eine Person, die | |
unantastbar ist. Solche Leute sind gut für die IBU“, findet Pichler. Er | |
wünscht den neuen Funktionären der argwöhnisch beäugten Branche mehr | |
Offensivgeist. „Es wird so getan, als sei unser Sport immer so versaut und | |
korrupt gewesen. Die IBU sollte jetzt einen Schlussstrich ziehen und alles | |
richtig aufarbeiten.“ | |
Seine ehemaligen Athletinnen Olga Saizewa und Jana Romanowa, [2][die in der | |
Vergangenheit des Dopings beschuldigt wurden] und inzwischen beide | |
zurückgetreten sind, verteidigt Pichler. Der einstige Trainer der | |
russischen Biathletinnen sagt: „Man kann nicht alle über einen Kamm | |
scheren.“ Und er verrät eine erstaunliche Neuigkeit: „Ich weiß, dass die | |
B-Proben von Saizewa und Romanowa vom IOC jetzt geöffnet worden sind – und | |
negativ waren.“ Bei den Skandalspielen in Sotschi 2014 sei kein positiver | |
Dopingfall wirklich aufgedeckt worden. | |
9 Mar 2019 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Morbach | |
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