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# taz.de -- Biathlon und Doping: Der neue kalte Krieg
> Bei der Weltmeisterschaft öffnet sich in der Biathlon-Gemeinde ein tiefer
> Graben: Strittig ist nach drei ertappten russischen Sündern der Umgang
> mit dem Thema Doping.
Bild: Wie viele sind noch gedopt? 10 km-Rennen der Frauen in Pyeongchang.
Wie ein Skiurlauber auf dem Weg ins Hallenbad sah Wolfgang Pichler aus, als
er gestern um die Mittagszeit in blauen Gummischuhen durch das
Pyeongchanger Teamquartier "Green Pia" schlappte. Doch der Schein trog: Der
oberbayerische Trainer der schwedischen Biathleten war nicht in Badelaune -
sondern ein grimmiger, unzufriedener Mann: "Wir alle", klagte der
54-Jährige, "haben jetzt den Ärger - weil die Russen gedopt haben."
Soll heißen: nur die Russen. Wie viele Fälle im Fahrwasser der überführten
Russen Albina Achatowa, Dmitri Jaroschenko und Ekaterina Jurjewa noch ans
Tageslicht befördert werden - und wo -, ist ungewiss. Sicher jedoch ist,
dass das Dopingtrio einen tiefen Graben in der Biathlon-Gemeinde gerissen
hat. Und Anders Besseberg steht nun daneben und weiß nicht, wie er den
ganzen Kladderadatsch wieder zuschütten soll.
"Es ist nicht erfreulich, was hier passiert", seufzte der Chef der
Internationalen Biathlon-Union (IBU), als er am Montag durch die
Panoramascheibe des "Green Pia" blickte. "Bei uns gibt es eine große
Splittung - da sind Fronten, die gegeneinander kämpfen." Auf der einen
Seite: die Russen, die von den meisten Ländern Osteuropas - auch auf Grund
ökonomischer Abhängigkeiten - trotz allem weiter unterstützt werden. Auf
der anderen: die westliche Fraktion, für die Wolfgang Pichler inmitten des
kalten Biathlon-Krieges den Oberrohrspatz spielt.
"Dafür, wie sie sich jetzt, nach den Dopingfällen, präsentieren, müssten
sie eigentlich gleich noch einen mitkriegen", faucht Pichler - und meint
damit zum Beispiel Olga Saizewa, die zweifache Bronzemedaillengewinnerin
von Pyeongchang, die bei Fragen zu den gedopten Landsleuten lieber
anhaltend lacht, als sich von ihren Teamkollegen zu distanzieren. Für die
Krönung sorgte allerdings der russische IBU-Vizepräsident Alexander
Tichonow, der in einem TV-Interview zu dem überführten Biathleten-Trio
meinte: "Ich bin auch gegen Doping - die Sportler aber sind unschuldig."
Als sie diesen zweiten Teil des Satzes hörte, stand Elena Anikina erst
einmal der Mund offen. "Hat er das wirklich gesagt?", fragte die
Sportdirektorin des russischen Biathlon-Verbandes (RBU) im ZDF entsetzt
nach, entschuldigte sich anschließend für Tichonow und kündigte eine
"schonungslose Aufklärung" der aktuellen Dopingfälle an. Und da wartet
reichlich Arbeit: Dem bereits beim Weltcup-Auftakt Anfang Dezember positiv
getesteten Jaroschenko etwa wurde beim Oberhof-Weltcup im Januar gerade ein
weiteres Dopingvergehen nachgewiesen.
Mit samtweicher Stimme erklärte Anikina also, die drei sündigen Athleten
hätten in einem Gespräch mit dem neuen RBU-Präsidenten Michail Prochorow
ihre Schuld eingestanden und wollten nun "dabei mithelfen, herauszufinden,
wer mehr oder weniger Schuld trägt". Nicht zuletzt von der Schärfe der
internen Aufarbeitung wollen speziell die Schweden einen möglichen Boykott
des Weltcup-Finales im russischen Chanty-Mansijsk Ende März abhängig
machen. Wolfgang Pichler berichtete gestern, Mitglieder seines
Nationalteams bekämen seit einiger Zeit Morddrohungen, verpackt in E-Mails
aus Russland - und kommentierte vielsagend: "Der Herr Tichonow ist ja schon
einmal wegen Anstiftung zum Mord verurteilt worden."
Soll heißen: Auszuschließen ist gar nichts. Zunehmend ausgeschlossen ist
für Magdalena Neuner zurzeit jedoch eine engere Kontaktaufnahme mit den
Kolleginnen und Kollegen aus Russland. Macht deren Gebaren die sechsfache
Weltmeisterin doch ähnlich wie Schweden-Coach Pichler Tag für Tag
fassungsloser. "Die sitzen am Tisch und lachen. Das ist für mich nicht
nachvollziehbar, ich kann mich nicht in diese Menschen hineinversetzen",
erklärte Neuner gestern und schüttelte dazu das blondierte Haupt: "Wie die
sich hier verhalten - das ist total krass."
Und Magdalena Neuner ist nicht allein: "Den anderen geht es wie mir, die
haben auch ein Problem damit. Also geht man sich eben ein bisschen aus dem
Weg." Ein Verhalten, das gewaltig an den kalten Krieg bei den
Biathlon-Funktionären erinnert. "Ich bin", gestand Anders Besseberg gerade
erschöpft, "seit 17 Jahren IBU-Präsident. Aber so etwas wie im Moment habe
ich noch nicht erlebt."
17 Feb 2009
## AUTOREN
Andreas Morbach
## TAGS
Biathlon
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