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# taz.de -- Korruption beim Biathlon: Jagdtrophäen aus Russland
> Ein Bericht zum Biathlon-Weltverband unter Präsident Besseberg zeigt, wie
> sich eine Selbstbedienungsmentalität in Sportverbänden verfestigt.
Bild: Jagt und schießt für sein Leben gern: der ehemalige IBU-Präsident Ande…
Eine feine Sache ist es, wenn sich persönliche Vorlieben und Beruf so gut
zusammenfügen lassen. Das erzählen Leistungssportler immer wieder gern.
Dieser paradiesische Zustand endet aber nicht automatisch mit der Karriere.
Als Sportfunktionär lassen sich die eigenen Neigungen häufig noch besser
mit dem Beruf kombinieren.
Das ist keine Neuigkeit, aber so anschaulich wie auf den 220 Seiten, die
eine unabhängige Untersuchungskommission am Donnerstag vorgelegt hat, lässt
sich das selten nachlesen. [1][Es geht um die Machenschaften des Norwegers
Anders Besseberg], der 25 Jahre lang Präsident des Biathlon-Weltverbands
(IBU) war, und um die Deutsche Nicole Resch, die als Generalsekretärin der
IBU vor allem Besseberg diente.
Der heute 74-jährige Besseberg war in der internationalen Biathlon-Gemeinde
sowohl als passionierter Jäger als auch als Schürzenjäger bekannt.
Gelegenheit dazu wurde ihm vor allem von russischer Seite geboten. [2][Wie
der unter der Leitung des britischen Sportjuristen Jonathan Taylor
entstandene Untersuchungsbericht] festhält, ging Besseberg häufig in
Russland auf teure Jagdreisen, die von seinen Gastgebern bezahlt wurden.
Gegenüber norwegischen Ermittlern habe er eingeräumt, dass diese
Einladungen nur in Verbindung mit offiziellen IBU-Terminen und Weltcups
erfolgten und er in seiner Funktion als IBU-Präsident daran teilnahm.
Einige Jagdtrophäen, berichtete wiederum Generalsekretärin Nicole Resch,
seien aus Russland ins IBU-Büro nach Salzburg geschickt worden. Besseberg
habe sie sich von IBU-Mitarbeitern nach Norwegen bringen lassen.
## Bessebergs Vorliebe für Uhren
Den Ermittlern erzähle Besseberg auch, er habe Dienstleistung von
Prostituierten in Verbindung mit „Russian officials“ erhalten. Darüber
hinaus berichtete der 74-Jährige von einer Freundschaft zu einer Frau, bei
der es zu sexuellem Kontakt gekommen wäre. Er hätte sie bei einer
Veranstaltung 2016 im Rahmen eines Weltcups im russischen Chanty-Mansijsk
kennengelernt. Sie habe ihm gesagt, sie sei eine ehemalige
Nachtclubtänzerin und ein großer Biathlon-Fan. Bei einem späteren Weltcup
im russischen Tyumen sei diese Frau mit einer offiziellen Akkreditierung
des örtlichen Organisationskomitees ausgestattet gewesen.
Eine Vorliebe Bessebergs für Uhren ist zudem aktenkundig. 13 Uhren,
darunter neun Luxusmodelle, hat die norwegische Polizei in seinem Haus
vorgefunden. Ein Exemplar im Wert von 20.000 Euro, gab er zu, habe er als
„persönliches Geschenk“ 2011 in Chanty-Mansijsk anlässlich der 100.
Vorstandssitzung der IBU und seines 65. Geburtstags erhalten. Aufgrund des
Wertes, berichtete Besseberg, habe er das Geschenk ablehnen wollen. Sein
Gegenüber habe aber darauf bestanden und entgegnet, als IBU-Präsident
sollte er eine solche Uhr haben.
Die beharrliche Großzügigkeit hat sich für die Russen durchaus gelohnt.
„Anders Besseberg bevorzugte und schützte konsequent russische Interessen
in praktisch allem, was er tat“, heißt es im Taylor-Bericht. Bemerkenswert
loyal hielt er an seinem [3][Vizepräsidenten Alexander Tichonow] fest.
Bestechungsvorwürfe gegen ihn ließ er nicht untersuchen und ebenso
unbeachtet blieb ein russisches Gerichtsurteil, das Tichonow als einen der
Hintermänner eines versuchten Mordanschlags auf den Gouverneur eines
Verwaltungsbezirks überführte.
Besonders wertvoll dürfte für die Russen die Laxheit Bessebergs bei der
Dopingbekämpfung gewesen sein. Die Untersuchungskommission hält ihm vor, er
habe Sanktionen gegen Russland nicht durchgesetzt, Organisationen belogen
und den Vorstand hintergangen.
Auch der Generalsekretärin Nicole Resch wird vorgeworfen, Hinweise auf
„hochgradig abnorme Blutwerte“ ignoriert zu haben und für russische
Athleten „verdeckte Hilfe“ bei Dopingvergehen geleistet zu haben. Dafür
habe sie exklusive Weine und Essenseinladungen angenommen.
Wie selbstverständlich die Mitnahmementalität bei der IBU war, illustriert
eine weitere Anekdote. Vor den Winterspielen 2010 in Vancouver bot der
kanadische Biathlon-Verband im Wissen um die Leidenschaft von Besseberg
eine Jagdreise an. Der Präsident erkundigte sich, ob die Kanadier das
bezahlen würden. Als ihm erklärt wurde, dass er seine Kosten selbst tragen
müsste, meldete sich Besseberg nicht an. Gut möglich, dass ihm die Russen
damals ein Alternativangebot gemacht haben.
30 Jan 2021
## LINKS
[1] /Doping-im-Biathlon/!5577288
[2] /C:/Users/TEMP/AppData/Local/Temp/ERC%20final%20report%20-28.01.2021-1.pdf
[3] /Biathlon-und-Doping/!5167776
## AUTOREN
Johannes Kopp
## TAGS
Biathlon
Schwerpunkt Korruption
Doping
Wintersport
Schwerpunkt Krisenherd Belarus
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