| # taz.de -- Dokumentarfilm über PJ Harvey: Auf Armutssafari | |
| > Der Film „A Dog Called Money“ begleitet PJ Harvey bei den Aufnahmen zu | |
| > ihrem letzten Album. Damit tut sich die Sängerin keinen Gefallen. | |
| Bild: Die Musikerin PJ Harvey | |
| Am Ende tanzen die Bewohner von Ward 7, einer Gegend in Washington, D. C., | |
| die man in Deutschland wohl als „Problemkiez“ bezeichnen würde, zur Musik | |
| von PJ Harvey. Der Besuch des Viertels hatte Harvey zu ihrem Song „The | |
| Community of Hope“ inspiriert – nun klatschen seine Anwohner im Takt eines | |
| Stücks, in dem sie „Zombies“ genannt werden. | |
| Zur Recherche für ihr 2016 veröffentlichtes Album [1][„The Hope Six | |
| Demolition Project“] reiste die britische Musikerin gemeinsam mit dem | |
| Fotojournalisten und Filmemacher Seamus Murphy in das [2][Kosovo], die | |
| [3][US-Hauptstadt] und nach [4][Afghanistan], um sich auf die Spuren von | |
| Leid und Krieg zu begeben. Dem Album vorausgegangen war der Foto- und | |
| Gedichtband „The Hollow of the Hand“. Drei Jahre später erscheint mit „A | |
| Dog Called Money“ ein Dokumentarfilm, der Harvey bei der Entstehung des | |
| Albums begleitet. Reisesequenzen wechseln dabei mit Szenen von den | |
| Aufnahmen in London, aus dem Off rezitiert die Künstlerin Gedichte. | |
| Harvey ist bekannt als politisch sensible Person: In den 90ern machte sie | |
| sich einen feministischen Reim auf das notorische Männergenre Bluesrock, | |
| 2011 nahm sie mit „Let England Shake“ ein kluges, einnehmendes Album über | |
| Großbritanniens Geschichte und Gegenwart auf. Aber schon zur | |
| Veröffentlichung von „The Hope Six Demolition Project“, von vielen gelobt | |
| als ambitioniertes Werk und musikalischer Triumph, erntete sie Kritik für | |
| ihre Arbeitsweise: Zum Beispiel vom Washington-Post-Journalisten Paul | |
| Schwartzman, der Harvey und Murphy in seinem Auto durch D.C. kutschiert | |
| hatte, ohne zu wissen, wen er da vor sich hatte. Und ohne sein | |
| Einverständnis einzuholen, dass man ihn recht ausgiebig zitieren würde. | |
| Auch aus der Community von Ward 7, deren Viertel Harvey auf der Platte als | |
| Vorhof zur Hölle zeichnet, kam Einspruch: Ganz schön harsche Worte nach | |
| einem Kurzbesuch, fanden die „Zombies“. | |
| Nun ist Harvey Künstlerin und keine Reporterin, einen dezidiert subjektiven | |
| Zugriff auf ihren Stoff darf sie sich erlauben. Mindestens fragwürdig ist | |
| es aber, sich so demonstrativ als Feldforscherin in Szene zu setzen wie | |
| Harvey, seine Protagonisten aber in erster Linie als ästhetisch | |
| interessantes Material zu betrachten. Wir sehen Straßenszenen aus Kabul, | |
| Ziegen vor Baracken, betende Kosovaren und zweifelsfrei spektakuläre | |
| Landschaftsbilder, vor allem aber immer wieder: Harvey, wie sie betroffen | |
| durch Abrisshäuser und über Märkte streift. | |
| Ins Gespräch kommt sie nur mit ein paar Jungs in Washington; ihre | |
| afghanischen Protagonisten dürfen traditionelle Instrumente spielen und | |
| eindrücklich in die Kamera gucken. Das ergibt „World Press Photo of the | |
| Year“-würdige Stills, aber keine echte Auseinandersetzung mit den | |
| Schauplätzen ihrer Stücke. | |
| Weder Murphy noch Harvey scheint es an irgendeinem Punkt schräg vorgekommen | |
| zu sein, auch noch filmisch offenzulegen, wie eine Gruppe weißer, | |
| etablierter Musiker die Eindrücke einer Armutssafari in ihren schützenden | |
| vier Studiowänden verarbeitet. „A Dog Called Money“ erzählt also nicht nur | |
| davon, dass man manchmal lieber nicht erfahren sollte, wie fantastische | |
| Alben entstehen – sondern durchaus auch von globaler Ungleichheit. Nur eben | |
| anders, als die Künstlerin es vermutlich im Sinn hatte. | |
| 14 Nov 2019 | |
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| ## AUTOREN | |
| Julia Lorenz | |
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