Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Diskriminierung durch Ableismus: Es kann jede Person treffen
> Spätestens im Alter sind wir alle auf Barrierefreiheit, Außenfahrstühle
> und leichte Sprache angewiesen. Trotzdem wird wenig gegen Ableismus
> getan.
Bild: Treppe in einem Altbau, kein Fahrstuhl in Sicht
Ich sitze bei Freunden auf der Dachterrasse. Was es Neues gibt? Der
Eigentümer überlegt jetzt, einen Fahrstuhl anzubauen. Das würde zwar an den
Mieten in diesem Fall nichts ändern. Trotzdem gefällt der Vorschlag
überhaupt nicht: Ein Außenfahrstuhl an einem Altbau, [1][das gilt als
peinliches Symbol der Gentrifizierung]. Hässlich und außerdem:
Treppensteigen passt doch? Das muss man doch schaffen! Irgendwer kennt wen,
der mit 85 noch problemlos in seine Bude im Vierten gekommen ist.
Thema erledigt. Einen Winter [2][und eine Covid-Erkrankung später] sind wir
wieder verabredet. Ich freue mich, aber mein Körper eher weniger. Ich quäle
mich von Stufe zu Stufe. Mein Kopf ist heiß, meine Brust zieht sich
zusammen. Atemnot. Ich beginne zu schwitzen. Mir prägen sich die Schmerzen
ein, aber auch die Scham: Auf der Treppe zusammenzubrechen und nicht mehr
aufstehen zu können, das ist die eine Angst.
Die andere ist, dass mich jemand so sieht. Es wäre nicht das erste
Treppenhaus, in dem Fremde oder Vertraute sich über meine plötzliche
„Unsportlichkeit“ lustig machen. Warum tun sich so viele – auch diejenige…
die sonst großen Wert auf Antidiskriminierung legen – so schwer, wenn es um
Ableismus geht?
Ableismus ist eine Form der Diskriminierung, von der jede Person plötzlich
betroffen sein kann. Spätestens im Alter! Und überhaupt: Niemand ist immer
voll leistungsfähig (was auch immer „Leistung“ alles sein mag). Außerdem
profitieren auch Nichtbehinderte von Maßnahmen zur Barrierefreiheit.
Aufzüge, Reduktion von Lärm, Rückzugsmöglichkeiten, Bildbeschreibungen,
[3][leichte Sprache oder Untertitel] kommen ganz verschiedenen Menschen in
unterschiedlichen Situationen zugute. Im Kulturbereich haben
Künstler*innen und Publikum viele Verbesserungen der Behinderten- und
chronisch Kranken Bewegung zu verdanken.
## Es braucht strukturelle Veränderung
Und trotzdem: Ob in Kultur, Bildung oder Aktivismus – zu viele sind beim
Thema ängstlich, abwehrend oder zu bequem. Vielleicht, weil hier kein
schneller Effekt für ein diskriminierungssensibles Image zu erzielen ist.
Vorurteile und die sogenannten „Barrieren in den Köpfen“ abzubauen, das ist
nur ein Teil. In Zugänglichkeit und Barrierefreiheit muss auch konkret
investiert werden. Am deutlichsten zu sehen ist das bei architektonischen
Anforderungen.
Im Bereich Antirassismus kommt man mit symbolischen Aktionen leichter
davon. Ein Workshop wurde gemacht und ein Statement gegen Rassismus auf die
Website gepackt. Aber ein Schild, das sagt: „Wir sind gegen
Behindertenfeindlichkeit, alle sind herzlich willkommen!“ über der Treppe
zum Eingang ist offensichtlich unglaubwürdig.
Wie in allen Bereichen der Öffnung braucht es strukturelle Veränderungen.
Der Gedanke, in noch einem Bereich mehr geben zu müssen, kann besonders
Künstler*innen und Einrichtungen mit wenig Ressourcen überfordern.
Was hilft, ist, voneinander zu lernen, gegenseitige Unterstützung und
Wohlwollen. Das Zugeständnis an mich selbst, nicht immer sofort perfekt
sein zu müssen, hat mir den Kulturbetrieb zugänglicher gemacht.
1 Dec 2023
## LINKS
[1] /Dokuserie-ueber-Berlin/!5961220
[2] /Unsichtbarkeit-von-Long-Covid/!5958391
[3] /Zugaenglichkeit-von-Sprache/!5943636
## AUTOREN
Simone Dede Ayivi
## TAGS
Ableismus
Menschen mit Behinderung
Diskriminierung
Barrierefreiheit
Kolumne Diskurspogo
Ableismus
Krisenmanagement
Leben mit Behinderung
Rassismus
Kolumne Diskurspogo
Kolumne Diskurspogo
## ARTIKEL ZUM THEMA
Menschen mit Behinderung: „Wer AfD wählt, wählt gegen uns“
Zu den Menschen, die Angst vor einer AfD-Regierung haben, zählen auch
Menschen mit Behinderung. Ernst genommen fühlen sie sich damit nicht.
Schreiben in Krisenzeiten: Überall brennt's, ich bin im Büro
Rechtsextreme Netzwerke, ein zerstörter Planet, die Welt in der Dauerkrise.
Unsere Autorin fragt sich: Was ist der richtige Weg darüber zu schreiben?
Politische Bildung für Behinderte: Und jetzt noch mal alle
In Frankfurt (Oder) lernen Menschen mit Behinderungen, wie Politik
funktioniert – auch in Hinblick auf die Brandenburger Landtagswahlen
kommendes Jahr.
Antisemitismus und Rassismus: Wenn Moral zum Werkzeug wird
Rechte passen ihre Meinungen gerne so an, dass die Argumentation passt.
Marginalisierte Gruppen werden auf diese Art oft gegeneinander ausgespielt.
Kunst in Krisenzeiten: Wie sie trösten kann
Kunst ist ein wichtiges Instrument. Sie stößt Diskussionen an, verbindet
Menschen miteinander und hilft uns dabei, Erfahrungen zu verarbeiten. Aber
Kunst zu schaffen, ist nicht einfach.
Alltäglicher Rassismus in Deutschland: Rassismus vermeiden ist schwieriger
Rassismus ist für viele Betroffene ganz alltäglich. Oft versuchen sie – so
wie unsere Autorin – rassistischen Begegnungen aus dem Weg zu gehen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.