# taz.de -- Deutsche Wohnen Berlin: Kommt doch runter! | |
> In der Nachbarschaft der taz sollen 527 Wohnungen an die berüchtigte | |
> Deutsche Wohnen verkauft werden. Dagegen gibt es Proteste. | |
Bild: Demonstration gegen Mietwucher | |
Etwa 100 Leute sind am Freitagvormittag zur spontanen Kundgebung an der | |
Hedemannstraße Ecke Friedrichstraße gekommen. Florian Schmidt, grüner | |
Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, zeigt sich am Megafon zufrieden. | |
Schließlich ist erst gestern bekannt geworden, dass der Block aus den 70er | |
Jahren, der aus 22 Wohnhäusern besteht und in dem etwa 1.500 Mieter in 527 | |
Wohnungen leben, wohl nicht wie geplant an eine städtische | |
Wohnungsbaugesellschaft verkauft werden wird, sondern an die berüchtigte | |
Deutsche Wohnen. „Ich habe erst gestern erfahren, dass die Gewobag eine | |
Absage erhalten hat“, so Schmidt. | |
Viele Journalisten und Mietaktivisten sind gekommen, Bundestagsabgeordnete | |
Canan Bayram (Grüne) sagt Kämpferisches, aber auch Mieter aus den Wohnungen | |
selbst haben auf die Straße gefunden, auch viele ältere. Ein Mann Mitte | |
siebzig sagt, er sei seit 36 Jahren hier. Er habe eine Behinderung, er | |
würde wohl nichts mehr finden. „Das sind gute Wohnungen, die Heizungen | |
funktionieren und im Sommer bleibt es kühl“, fügt er an. Derzeit zahle er | |
um die 500 Euro warm für 46 Quadratmeter. | |
Als sich die Kundgebung in Gang setzt, um den Block einmal zu umrunden, | |
läuft er ganz vorn mit. Immer wieder treten Menschen ans Fenster des | |
Blocks, er winkt jedem Einzelnen, man möge doch bitte runterkommen. Die | |
Befürchtung, die momentan die Runde macht: Sollte der derzeitige Besitzer | |
den Block als Share Deal verkaufen, wären dem Bezirk die Hände gebunden – | |
und das, obwohl die Häuser gerade noch so im Milieuschutzgebiet liegen. | |
Auch wenn es klappt, wird es teuer werden für Bezirk, das Vorkaufsrecht zu | |
nutzen. | |
Was den Fall fast noch spannender macht als den in der Karl-Marx-Allee, der | |
zuletzt groß diskutiert wurde: Die südliche Friedrichstadt ist einer der | |
ärmsten Kieze Kreuzbergs. Am nahen Mehringplatz gibt es mehr Kinderarmut | |
als überall sonst in Berlin. 64,4 Prozent von ihnen sind Empfänger von | |
Transferleistungen. Gleichzeitig wird viel gebaut, unter anderem das neue | |
Haus der taz direkt gegenüber des fraglichen Blocks. Die alten Anwohner | |
fürchten Verdrängung. | |
Eine halbe Stunde nach der Kundgebung sagt Florian Schmidt überraschend, er | |
habe gerade mit dem Fonds kommuniziert, man habe die Verhandlungen mit der | |
Gewobag wieder aufgenommen. Vielleicht kann auch diese Ecke noch gerettet | |
werden. | |
31 May 2019 | |
## AUTOREN | |
Susanne Messmer | |
## TAGS | |
Florian Schmidt | |
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin | |
Volksbegehren Deutsche Wohnen enteignen | |
Friedrichstraße | |
Deutsche Wohnen | |
Florian Schmidt | |
Florian Schmidt | |
Florian Schmidt | |
Share Deals | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Berliner Friedrichstraße in der Krise: Erste Lagen zu vermieten | |
Hier ging es mal mondän zu. Dann kamen die Nazis, die Zerstörung, die DDR. | |
Nach 1989 erlebte die Friedrichstraße einen Boom. Jetzt kriselt es. | |
Berlin kauft 670 Wohnungen: Ein Beispiel, das Mut macht | |
Der Ankauf Hunderter Wohnungen durch die Stadt Berlin ist ein Signal an | |
Spekulanten: Ihr mögt gerissen sein, aber wir sind auch nicht blöd. | |
Verkauf an Private abgewendet: Gewobag bekommt Zuschlag | |
Innerhalb nur weniger Tage hat sich das Blatt gewendet: Über 500 | |
Kreuzberger Wohnungen gehen doch nicht an einen Privatinvestor. | |
527 Sozialwohnungen zu verkaufen: Deutsche Wohnen will zuschlagen | |
Am Freitag soll der Kreuzberger Block zwischen Friedrichstraße und | |
Wilhelmstraße verkauft werden. Baustadtrat Florian Schmidt kündigt | |
Widerstand an. | |
Genossenschaft für Vorkaufsfälle: Eine frische und gewinnende Idee | |
Neue Mietergenossenschaft fürs Vorkaufsrecht gegründet, wenn kommunale | |
Unternehmen nicht einspringen können. Ein Wochenkommentar. | |
Mietenwahnsinn in Berlin: Die große Unbekannte | |
Durch Share Deals umgehen Immobilienunternehmen das Vorkaufsrecht und | |
dürfen auch noch legal Steuern sparen. Die Bezirke sind bisher machtlos. |