| # taz.de -- Details der Brexit-Einigung: It’s a deal! | |
| > Der Kern des Brexit-Deals ist eine neue Zollregelung für Nordirland. Die | |
| > Grenze zu Irland bleibt offen, obwohl Nordirland die EU-Zollunion | |
| > verlässt. | |
| Bild: Boris Johnson und Jean-Claude Juncker präsentieren den Deal in Brüssel | |
| Berlin taz | Bis zur letzten Minute schien alles offen. Die | |
| Brexit-Unterhändler in Brüssel waren in der Nacht zum Donnerstag um 2 Uhr | |
| früh auseinandergegangen. Rund 12 Stunden später schon wurden die ersten | |
| Teilnehmer des EU-Gipfels erwartet, der eigentlich den neuen Brexit-Deal | |
| zwischen Großbritannien und der EU absegnen sollte. Noch am späten | |
| Vormittag lag immer noch kein fertiger Text vor. Bis kurz vor Mittag | |
| plötzlich EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und der britische | |
| Premierminister Boris Johnson [1][den Durchbruch verkündeten]. | |
| [2][Die Vereinbarung], die wenig später von der EU-Kommission dem EU-Gipfel | |
| zur Annahme empfohlen wurde, nimmt wesentliche Veränderungen an dem | |
| Abkommen vor, das die EU mit Theresa May im November 2018 geschlossen | |
| hatte. Ein neues Nordirland-Protokoll streicht den ungeliebten „Backstop“, | |
| an dem der May-Deal im britischen Parlament gescheitert war. Damit hat | |
| Johnson, der als Backstop-Kritiker im Juli Premierminister geworden war, | |
| einen bis vor Kurzem noch für unmöglich gehaltenen politischen Triumph | |
| geschafft. | |
| [3][Man habe die „Quadratur des Kreises“ geschafft], lobte | |
| EU-Chefunterhändler Michel Barnier. Gemeint ist eine Lösung des Problems, | |
| an dem seit zwei Jahren alle scheitern: Großbritanniens Austritt aus der | |
| EU-Zollunion mit der Offenhaltung der zukünftigen EU-Außengrenze zwischen | |
| der Republik Irland und dem britischen Nordirland zu vereinbaren. | |
| Denn irgendwo muss ja dann eine Zollgrenze verlaufen. Zwischen Irland und | |
| Nordirland? Eine undenkbare Gefährdung des Friedens, sagten Brüssel und | |
| Dublin. Zwischen Nordirland, das dann in der Zollunion bleiben müsste, und | |
| Großbritannien? Eine undenkbare Spaltung des britischen Staatsgebietes, | |
| sagte London. Gar nicht, also indem das Vereinigte Königreich einfach ganz | |
| in der Zollunion bleibt? Dann wäre man ja faktisch weiter in der EU, sagte | |
| London. | |
| ## Nordirland kommt auf die irische Seite der Zollgrenze | |
| Die Lösung lautet nun so: Das gesamte Vereinigte Königreich darf die | |
| Zollunion verlassen. Aber die Zollgrenze zu Irland verläuft nicht an der | |
| irischen Grenze, sondern aus britischer Sicht schon vorher, zwischen | |
| Großbritannien und Nordirland. Dieses liegt dann geografisch auf der | |
| EU-Seite der Zollgrenze, ohne aber zum EU-Zollgebiet zu gehören. | |
| Damit gibt es keine Zollkontrollen auf der irischen Insel. Zollformalitäten | |
| gibt es nur zwischen Großbritannien und Nordirland. Sie greifen aber nur | |
| bei Handelsgütern, die von Großbritannien aus über Nordirland weiter nach | |
| Irland verschifft werden. Bei Gütern, die in Nordirland verbleiben, werden | |
| die erhobenen Zölle später erstattet beziehungsweise gar nicht erst | |
| eingetrieben. | |
| Ein Beispiel: Ein Unternehmen verkauft aus England einen Kühlschrank nach | |
| Nordirland. Der wird nach EU-Regeln verzollt – aber wenn der Abnehmer in | |
| Nordirland sitzt, wird die Zollgebühr nicht fällig. Sitzt der Abnehmer in | |
| der Republik Irland und damit in der EU, ist der Zoll fällig, aber die | |
| Formalitäten haben schon die Briten erledigt; auf der irischen Insel | |
| passiert nichts. | |
| Das Ganze klingt sehr kompliziert. Aber Nordirland hat nur 1,8 Millionen | |
| Einwohner, sein Warenimport aus Großbritannien im Wert von rund 15 | |
| Milliarden Euro pro Jahr besteht hauptsächlich aus Lebensmittelprodukten | |
| für nordirische Supermärkte. Das ist überschaubar. Wichtig ist zusätzlich, | |
| dass in Nordirland, nicht aber in Großbritannien, die Regeln des | |
| EU-Binnenmarkts gelten sollen; also muss es sowieso Warenkontrollen geben. | |
| Am problematischsten für den britischen Premier ist nun aber die | |
| [4][ablehnende Haltung der nordirischen Unionisten in der DUP] (Democratic | |
| Unionist Party), die normalerweise die Regierung unterstützen und in | |
| Nordirland die stärkste Partei sind. Aus DUP-Sicht verändert das Abkommen | |
| den Status Nordirlands innerhalb des Vereinigten Königreichs und benötigt | |
| daher laut dem Karfreitagsabkommen von 1998, das den Frieden in Nordirland | |
| gewährleistet, die Zustimmung beider Bevölkerungsteile – der | |
| protestantisch-unionistischen sowie der katholisch-republikanischen | |
| Parteien. | |
| Der neue Abkommenstext sieht gar keine Zustimmungspflicht Nordirlands vor. | |
| Erst nach 2025 soll das nordirische Parlament entscheiden, ob das Protokoll | |
| weiter gilt. Wenn beide Bevölkerungsteile zustimmen, läuft es weitere acht | |
| Jahre, bei einer einfachen Mehrheit vier Jahre. Wenn es abgelehnt wird, | |
| läuft es zwei Jahre später aus. | |
| 17 Oct 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Brexit-Einigung-in-Bruessel/!5629647 | |
| [2] https://ec.europa.eu/commission/brexit-negotiations/negotiating-documents-a… | |
| [3] /EU-Verhandlungsfuehrer-zu-Brexit-Deal/!5634444 | |
| [4] /Der-neue-Brexit-Deal-und-Nordirland/!5634449 | |
| ## AUTOREN | |
| Dominic Johnson | |
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