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# taz.de -- DFB-Team vor der WM in Russland: Schland in Schlüdtirol
> Das WM-Vorbereitungscamp des DFB-Teams nahe Bozen gleicht einem
> Geheimkommando. Geredet wird nur über Manuel Neuer und Angela Merkel.
Bild: Versteckte Absprachen: Fotografen kommen kaum an das Geheimkommando Titel…
Eppan taz | Neuer fliegt. Neuer hechtet. Neuer springt. Neuer tänzelt.
Neuer boxt. Neuer reklamiert. Neuer schießt. Neuer lacht. Neuer dehnt.
Neuer spricht.
Na ja. Er sagte ein paar Sätze. Der eigene Kanal des Deutschen
Fußball-Bundes verbreitete die Botschaft. Der Torwart sagte, dass es seinem
linken Mittelfuß, der inzwischen schon das dritte Mal gebrochen war, wieder
gut gehe. Voll belastbar. Keine Probleme.
Das ging dann allerdings ein bisschen unter, denn in der ersten Woche des
Trainingslagers wurde unentwegt so viel über Neuers linken Mittelfuß
gesprochen, dass sogar der Betroffene mit dem Bulletin langweilte. Die
Nachricht des Bundestrainers, dass Manuel Neuer im Tor stehen wird, wenn er
denn tatsächlich am Montag dem Weltfußballverband Fifa als deutscher
Nationalspieler für die Weltmeisterschaft in Russland gemeldet wird,
schaffte es sogar an den Anfang des „heute-Journals“ im ZDF.
Das Zeitungssterben und der [1][Trend zu Redaktionsgemeinschaften] ist in
Eppan zu bemerken. Aber es ist immer noch eine große Menge, die nahezu
täglich brav vor dem Gitter wartet, um den Mannschaftsbus mit den getönten
Scheiben zu sehen, der in die Sportzone Rungg rollt. Erst dann darf die
Menge auf den Trainingsplatz.
Die Kinder in Deutschland-Trikots jubeln den Spielern im Bus zu, die Mamas
und Papas, viele in Deutschland-Trikots, halten den Moment mit ihren
Kameras fest und warten geduldig, bis das Gefährt nach etwa zwei Stunden
wieder hinausfährt. Manchmal fahren die Spieler auch auf Mountainbikes
durch die Weinberge der Südtiroler Großgemeinde Eppan von ihrem Hotel zum
Platz und wieder zurück. Dann gibt es auch Autogramme und Fotos mit den
Urlaubern, von denen dann einige zur Schnappatmung neigen.
## Trainingsgelände kommt ganz groß raus
Die Sportzone Rungg ist das Trainingsgelände des FC Südtirol. Der Klub
spielt in diesen Tagen in einer äußerst komplizierten Play-off-Serie um den
Aufstieg in die Serie B. Er hat die Chance, erstmals die zweithöchste Liga
Italiens zu erreichen. Genau in dieser Zeit muss er jedoch nach Kaltern in
den Nachbarort ausweichen, um sich auf die Spiele vorzubereiten.
Anfang Mai hat der DFB die Sportzone Rungg übernommen, Pressezelte
aufgestellt, Werbebanden aufgestellt, Plakate aufgehängt und die Sicht
versperrt.
Walter Baumgartner, der Präsident des FC Südtirol, sagte, dass er für die
Entscheidung Kritik abbekommen habe, das Trainingsgelände einer anderen
Mannschaft zu überlassen. Andererseits sei diese Mannschaft eben der
Weltmeister. Etliche Millionen Euro müsste der Tourismusverein Südtirol
investieren, um auf den Werbewert zu kommen, den er in den 16 Tagen
Aufenthalt des DFB-Trosses für eine bescheidenere Summe erhält, die dennoch
in die Millionen geht.
Am Sonntag soll Bundeskanzlerin Angela Merkel in Eppan einfliegen. „Sie
will der Mannschaft ‚Hallo‘ sagen.“ Das hat Oliver Bierhoff tatsächlich …
gesagt. Der Direktor des DFB und Manager der Nationalmannschaft kennt sich
mit Werbewerten bestens aus. Ein Besuch der Kanzlerin zeigt wieder einmal,
wie relevant der Fußball in Deutschland ist.
## Die WM wirft politische Fragen auf
Merkel ist schon häufig in Südtirol gewesen, um Urlaub zu machen. Es wird
ihr in Eppan leichtfallen, der deutschen Mannschaft viel Glück f[2][ür das
Turnier in Russland] zu wünschen. In Südtirol wartet vielleicht der
Landeshauptmann der Autonomen Provinz Bozen auf sie, in Russland würde es
vermutlich Präsident Wladimir Putin sein. Ob die Kanzlerin auch zur WM
kommen wird, ist offen.
Oliver Bierhoff will mit Merkel und den Spielern auch über die Politik
sprechen. Einer der infrage kommenden WM-Fahrer hat das Thema in Eppan
sogar schon gestreift. „Wir heißen alles nicht gut, was in Russland
passiert“, sagte Matthias Ginter. Aber „gerade eine WM“ könne dem Land
einen positiven Schub geben, der Fußball könne verbinden, die Menschen, die
Religionen, all das: „Das haben wir 2006 in Deutschland gemerkt. Warum
sollte das in Russland nicht möglich sein?“
Über die gesellschaftlichen Auswirkungen des deutschen WM-Sommers ist schon
oft diskutiert worden, über die Nachhaltigkeit auch. Schon die knappe Zeit
für eine Pressekonferenz im Trainingslager reicht nicht aus, um das Thema
ausreichend zu erörtern. Oliver Bierhoff moderierte es deshalb schnell
galant ab: „Die politischen Probleme müssen auf einer anderen Ebene gelöst
werden.“ Am Sonntag komme ja die Kanzlerin.
Es gebe da auch noch den Vorfall aus London. [3][Das Foto.] Mesut Özil und
Ilkay Gündoğan posierten vor einigen Wochen mit dem türkischen Präsidenten
Recep Tayyip Erdoğan für ein Bild, das dem DFB gar nicht gefiel. Sogar der
Bundespräsident schaltete sich ein, weil das Foto Wellen schlug. Die
Relevanz des Fußballs.
Es sei ein Schlag gegen die Bemühungen um Integration gewesen, sagte
DFB-Präsident Reinhard Grindel zum Thema Özil/Gündogan, das der
Bundestrainer gleich am ersten Tag in Südtirol für beendet erklärte. In
Eppan ist Grindel noch gar nicht aufgetaucht. Vielleicht ja am Sonntag. Die
Kanzlerin ist auch seine Parteifreundin.
## Löws Plan bleibt undurchschaubar
Durch den Wald rings um die Sportzone Rungg führen breite Wanderwege. Sie
sind höher als die Trainingsplätze, aber auch dicht bewachsen. Für Urlauber
und Journalisten gibt es fast keine Chance, das Geheimkommando
Titelverteidigung zu beobachten. Die Wege, die dicht an den – teilweise
doppelt verhängten – Zaun führen, werden von der lokalen Polizei
abgesperrt. Sogar der Tennisclub, der an die Sportzone angrenzt, erlaubt
den Zutritt nur Mitgliedern. Das allerdings auch, wenn der FC Südtirol
Flanken und Torschüsse, Anlaufen und Verschieben übt.
Die meisten Trainingseinheiten der Nationalmannschaft sind den Reportern
nur für eine Viertelstunde zugänglich. In denen ist nicht zu erkennen,
welchen Plan der Bundestrainer hat. „Wir wollen halt nichts preisgeben“,
sagte Assistenztrainer Thomas Schneider auf die Frage, warum die beiden
Testspiele gegen die U20-Auswahl des eigenen Verbandes hinter
verschlossenen Türen gespielt wurden.
Mittags, meistens um 12.30 Uhr, bekommen die Reporter ihren großen Happen
vorgesetzt. Pressekonferenz. Dort wird dann erzählt, dass Neuer so hechtet,
boxt und tänzelt, als habe es die acht Monate Verletzungspause gar nicht
gegeben. Dass er „der perfekte Torwart“ sei, der „beste der Welt“.
Zum Einstieg ist meistens zu hören, dass alles top sei in Südtirol, alle
voll mitziehen würden. Das Erschrecken war daher groß, als Assistenztrainer
Schneider sagte, dass Mesut Özil gar nicht voll mitziehen würde: „Natürlich
erwarten wir in den nächsten Tagen und Wochen bis zum Start, dass er sich
selber fordert in den Einheiten, um entsprechende Substanz aufzubauen.“
## Viel Schweigen und kleine Lacher
Von Özil war in Eppan noch nichts zu hören. Von Marco Reus auch nichts, der
die beiden letzten großen Turniere wegen einer Verletzung verpasste. Von
Neuer auch nichts, so wie von Marc-André ter Stegen, der auf der Bank nur
sitzen würde, falls Neuer es nach Russland schafft. Dabei spielte ter
Stegen eine herausragende Saison beim FC Barcelona. Reicht nicht. Neuer ist
Neuer.
Mit Bernd Leno und Kevin Trapp sind noch zwei Torhüter in Eppan. Sie waren
auch noch nicht auf dem Podium, weil sie ja eh nur nach Neuer und ter
Stegen gefragt würden. Gündoğan? Kein Ton bislang. Thomas Müller? Auch
nicht. Müller spielte am Donnerstag mit, als zwei deutsche
Blindenfußballnationalspieler für ihren Sport und Inklusion warben. Alican
Pektas zeigte sich dabei sehr ballverliebt, was Müller zu der Anmerkung
verleitete: „Der ist ja wie Arjen Robben.“ Ein Lacher. Auch mal schön.
Am Freitag war wieder Joachim Löw der große Happen. Er berichtete über die
Lage der Fußballnation und das Testspiel gegen Österreich, das am Samstag
um 18 Uhr in Klagenfurt angepfiffen wird. Am Montag wird er noch mal da
sitzen und erklären, warum er für ebenjene vier Spieler keinen Platz [4][im
endgültigen Kader] hatte, die es treffen wird. Sollten diese vier Spieler
Kevin Trapp, Jonathan Tah, Sebastian Rudy und Nils Petersen heißen, wären
die jungen Redakteure der Mühlezeitung die Gewinner des Trainingslagers.
Die Schülerzeitung der Schule Haslachmühle entwarf nach eigener Auswahl ein
Poster mit 23 vermeintlichen WM-Fahrern, auf dem hervorstechende
Eigenschaften der Spieler in Gebärdensprache dargestellt werden, bei Müller
etwa „Lachen“.
Trapp, Tah, Rudy und Petersen fehlen auf diesem Poster. Die Frage, ob das
eine Panne sei, ein deutlicher Hinweis auf Montag, erwischte Oliver
Bierhoff kalt. „Das macht mich richtig sauer“, sagte der Manager. Er hoffe,
dass in der Frankfurter DFB-Zentrale mal schnell jemand zum Computer renne,
um die Meldung auf der Internetseite des Verbandes zu ändern.
Die Aktion für Inklusion, die es in ähnlicher Form genau wie ein solches
Poster schon vor der WM 2014 und der EM 2016 gab, war Bierhoff durch die
Lappen gegangen. Kommt selten vor. War mal eine nette Abwechslung. Zu
Manuel Neuer hat er dann ja auch noch etwas gesagt.
2 Jun 2018
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## AUTOREN
Marcus Bark
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