# taz.de -- Contra Klimastreik: Disruption for Future! | |
> Der Klimastreik der Fridays verschwendet nur Ressourcen, sie sind | |
> gescheitert. FFF brauchen die Taktiken von Ende Gelände und Letzter | |
> Generation. | |
Bild: Nicht gerade ein Fan der Fridays: Tadzio Müller mit Luisa Neubauer im Ju… | |
Was wir in der Klimabewegung uns nicht gern eingestehen: Auch wir werden | |
selbst immer mehr Teil der Verdrängungsgesellschaft, die permanent damit | |
beschäftigt ist, die Klimakrise und ihre Schuld daran von sich | |
wegzuschieben. Dass [1][Fridays for Future allen Ernstes zum 13. Mal zu | |
einem „globalen Klimastreik“] aufruft, ist dafür symptomatisch. | |
2018 und 2019 hatten diese großen Fridays-Demos eine unglaubliche Wucht, | |
beförderten einen neuen historischen Akteur auf die Bühne der | |
Weltgeschichte: die junge „Generation Klima“. Jetzt ist die Wucht zur Brise | |
geworden. Relevanten politischen Fortschritt kann man nicht erwarten, wenn | |
die Demos immer kleiner werden. Das demonstriert vor allem unsere Schwäche | |
als Bewegung. Es gibt uns nur das Gefühl, aktiv zu sein, dabei richten wir | |
in Wahrheit nichts aus. | |
Wir sind gescheitert. Unser zentrales strategisches Ziel, die | |
Treibhausgasemissionen so abzusenken, dass die Erderhitzung die | |
1,5-Grad-Grenze nicht reißt, haben wir nicht erreicht. Global steigen die | |
Emissionen weiter, in Deutschland sinken sie, aber lange nicht schnell | |
genug. Ich meine damit nicht, dass das Scheitern schuldhaft ist. Oder dass | |
es nie kleine [2][Erfolge] gegeben hätte. Gescheitert sind wir trotzdem. | |
Es gab in der Klimabewegung bisher drei strategische Phasen, die jeweils | |
von verschiedenen Gruppen angetrieben wurden. Dahinter standen verschiedene | |
Analysen darüber, warum es keinen Klimaschutz gibt. | |
## Manchmal liefen Kraftwerke für ein paar Stunden nicht | |
Nummer 1: Es fehlt die Aufmerksamkeit für das Problem. Die wollten wir | |
schaffen. Mit Ende Gelände haben wir Aktionen mit spektakulärer Optik | |
durchgeführt. Wir stürmten zu Tausenden in weißen Maleranzügen die | |
Kohletagebaue. Zwar hatten diese Proteste auch kurzweilige praktische | |
Folgen: Manchmal liefen nahegelegene Kraftwerke für ein paar Stunden nicht, | |
weil keine Kohle mehr ankam. Trotzdem war das mehr symbolisch, das | |
eigentliche Ziel waren eindringliche Bilder – und die lieferten wir. | |
Nummer 2: Es fehlt die Zustimmung für die Bewegung und ihre Ideen. Fridays | |
for Future war großartig darin, Zuspruch zu generieren. In Deutschland und | |
weltweit. Plötzlich bestand die Klimabewegung nicht mehr aus radikalen | |
Linken und spinnerten Ökos, sondern vor allem aus Kindern und Jugendlichen | |
von nebenan. Sympathischer geht es nicht. Der Zulauf war enorm, plötzlich | |
entstanden auch noch die Parents for Future, die Scientists for Future – | |
fast jede Gruppe gibt es mittlerweile „for Future“. | |
Die Normalos – im besten Sinne – baten die Regierung um mehr Klimaschutz, | |
organisierten große Demos, machten gute Vorschläge. Manche davon zeigten | |
sogar ein bisschen Wirkung. Dass die Große Koalition sich nicht traute, in | |
ihrem [3][Klimapaket von 2019 mit einem CO2-Preis in Höhe von lächerlichen | |
10 Euro] an den Start zu gehen, sondern auf etwas weniger lächerliche 25 | |
Euro erhöhte, hatte sicher damit zu tun. Der große Wurf war das aber | |
natürlich auch nicht. | |
Nummer 3: Es fehlen unmittelbare Kosten, wenn man als Politik keinen | |
Klimaschutz liefert. Hier wollte Extinction Rebellion ansetzen, | |
mittlerweile ist der relevante Akteur in Deutschland aber die [4][Letzte | |
Generation]. Deren Idee ist, sich beim zivilen Ungehorsam vom | |
Symbolcharakter zu lösen – und das fossile Alltagsleben ganz praktisch zu | |
unterbrechen. Zum Beispiel den Autoverkehr. Das Problem: Alles in allem ist | |
die Bewegung bisher doch zu klein. Und so bleibt es irgendwo doch im | |
Symbolischen. | |
## Je mehr Klimakatastrophe, desto mehr Faschismus | |
Die Klimabewegung steckt also tief in einer Legitimationskrise. Hinzu kommt | |
noch etwas, das wir als Bewegung verdrängen, und darin unterscheiden wir | |
uns keinen Deut von der Mehrheitsgesellschaft: die faschistische Welle, die | |
die reichen Länder der Welt gerade erfasst. Einerseits gilt: Je mehr | |
Klimakatastrophe, desto mehr Faschismus. Schließlich werden die Ressourcen | |
knapper, die Konflikte stärker. | |
Das ist meist Nährboden für Hassideologien, selten für Solidarität. Und | |
andererseits gilt auch: Je mehr Faschismus, desto weniger Klimaschutz. Die | |
meisten der rechtsextremen Parteien leugnen schließlich die Klimakrise. | |
In dieser politisch komplizierten Situation organisiert Fridays for Future | |
nun schon wieder einen „globalen Klimastreik“. Das ist eine Verschwendung | |
aktivistischer Ressourcen. Was könnte diese immer noch größte und mit dem | |
dicksten Legitimitätspolster ausgestattete Bewegungsorganisation erreichen, | |
wenn sie sich weiterentwickeln würde? | |
Sie ist der einzige Akteur, der eine Synthese der drei bisherigen Phasen | |
der Klimabewegung schaffen könnte: Aufmerksamkeit, Zustimmung, Kosten. Die | |
sympathische Masse der Fridays könnte mit den Taktiken von Ende Gelände und | |
der Strategie der Letzten Generation den fossilen Alltag ernsthaft | |
durcheinanderbringen. Was, wenn sich von den hoffentlich wenigstens | |
Zehntausenden, die am Freitag auf der Straße sind, ein paar Tausend einfach | |
hinsetzen und bleiben? Disruption for Future. So brauchen wir die Fridays. | |
14 Sep 2023 | |
## LINKS | |
[1] /Globaler-Klimastreik/!5956945 | |
[2] /Pro-Klimastreik/!5957710 | |
[3] /Klimapaket-der-Bundesregierung/!5651907 | |
[4] /Letzte-Generation-kuendigt-Protest-an/!5956757 | |
## AUTOREN | |
Tadzio Müller | |
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