# taz.de -- Comedian über Krisen-Humor: „Positives gegen die Klimakrise“ | |
> Ja, wir dürfen über die Erderhitzung lachen, sagt Poetry-Slammer | |
> Sebastian Rabsahl. Als Sebastian 23 zieht er am liebsten Absurdes aus der | |
> Realität. | |
Bild: Sebastian Rabsahl will immer etwas bewegen | |
taz: Erzählen Sie mal einen Witz übers Klima, Sebastian 23! | |
Sebastian 23: Ich greife gern Geschichten auf, die ihren Humor aus der | |
Absurdität der Realität ziehen. Ex-Bild-Chef [1][Julian Reichelt] hat | |
während der Energiekrise zum Beispiel mal gesagt, weil Strom jetzt zehnmal | |
mehr kostet, müsste der Metzger eigentlich auch den Wurstpreis | |
verzehnfachen. Logisch, Wurst besteht ja – wie wir alle wissen – komplett | |
aus Strom. Darum ist Salami auch vegan. Oder als Jens Spahn im Januar 2023 | |
bei Markus Lanz in der Talkshow saß und ganz trocken meinte, die CDU sei | |
die wahre Klimaschutzpartei. Das sind so völlig absurde Behauptungen, da | |
kann ich mir das Lachen nicht verkneifen. | |
Darf man denn über die Klimakrise lachen? | |
Ja. [2][Humor ist für mich ein wichtiger Faktor im Umgang auch mit Krisen]. | |
Auf der einen Seite, um nicht zu verzweifeln. Wir brauchen das zur | |
Verarbeitung der Realität. Auf der anderen Seite bringt uns gemeinsames | |
Lachen auf Augenhöhe. Dadurch bin ich kein Oberlehrer mehr, der etwas über | |
die Klimakrise erklärt. Wenn wir gemeinsam lachen, dann ist eben auch ein | |
Austausch möglich. | |
Ist es schwierig, zu ernsthaften Themen gute Pointen zu finden? | |
Überhaupt nicht. Man kann sehr ernste Dinge trotzdem auch humorvoll | |
kommunizieren. Die Beispiele, die ich gerade genannt habe, sind von allein | |
schon so absurd, dass man denkt: Oh, da brauche ich jetzt nicht mehr viel | |
an Gag draus zu basteln. | |
Manchmal klingen Nachrichten selbst wie Satire. Zum Beispiel, wenn | |
Saudi-Arabien den Vorsitz der UN-Frauenrechtskommission übernimmt … | |
… oder der Iran der Menschenrechtskommission vorsteht. Nicht zu vergessen: | |
der letzte [3][Klimagipfel in den Emiraten, der vom Chef eines Ölkonzerns] | |
geleitet wurde. Ein Running Gag! | |
Braucht man angesichts solcher Meldungen noch Comedy? | |
Das ist eine gute Frage. Allerdings darf man sie gewiss nicht unkommentiert | |
lassen. Viele dieser Vorgänge leben nur davon, dass sie genug Leuten nicht | |
bewusst sind. Es ist ja so: Die meisten Menschen wollen, dass wir etwas | |
gegen die Klimakrise unternehmen, uns für Gerechtigkeit einsetzen, auch auf | |
feministischer Ebene. | |
Was bedeutet das für Ihre Arbeit als Künstler? | |
Mir ist wichtig zu zeigen: Man kann immer etwas bewegen – und es lohnt sich | |
auf jeden Fall, es auszuprobieren. Ich versuche, durch Unterhaltung auf | |
Bühnen und in Büchern zur Aufklärung beizutragen. Und in den sozialen | |
Medien, wo ich Nachrichten auf satirische Art und Weise aufbereite – und | |
damit eben auch zugänglich mache. | |
Ihr neues Buch, [4][„Alles wird gut“], dreht sich um Zuversicht in | |
Krisenzeiten. Woher nehmen Sie den Optimismus? | |
Da möchte ich gern den US-amerikanischen Umweltschützer Paul Hawken | |
zitieren: „Wenn ich gefragt werde, ob ich pessimistisch oder optimistisch | |
in die Zukunft blicke, ist meine Antwort immer die gleiche. Wenn man sich | |
die wissenschaftlichen Erkenntnisse darüber ansieht, was auf der Erde | |
geschieht und nicht pessimistisch ist, versteht man die Daten nicht. Aber | |
wenn man die Menschen trifft, die daran arbeiten, diese Erde und das Leben | |
der Armen wiederherzustellen, und man ist nicht optimistisch, dann hat man | |
keinen Puls.“ Das kann ich genauso für mich unterschreiben. Hoffnung gibt | |
mir vor allem der Kontakt zu engagierten Menschen, die versuchen, diese | |
Welt zu einem besseren Ort zu machen. Und die trifft man in allen Bereichen | |
und mit so krass viel Bereitschaft, kontinuierlich gegen Widerstände zu | |
kämpfen! Ich bin außerdem in der privilegierten Situation, in einer | |
Demokratie zu leben und mich einsetzen zu können, ohne gleich in einem | |
sibirischen Knast zu landen. Dann muss ich das wohl tun. Auch das stimmt | |
mich natürlich optimistisch. | |
Erleben Sie auch Momente, wo Ihnen die Rolle als Entertainer schwerfällt? | |
Die Räumung von Lützerath für den Kohletagebau hat mich sehr bewegt. Ich | |
komme aus Bochum, nur eine gute Dreiviertelstunde vom Rand der Grube | |
entfernt. Dass das Dorf trotz des massiven Widerstands im Januar 2023 | |
geräumt und abgerissen wurde, war erst mal ein herber Rückschlag. Ich habe | |
eine Weile gebraucht, um – bildlich gesprochen – wieder aus dem Loch | |
rauszukommen. Im Nachgang hat es mich aber noch mehr bestärkt und | |
motiviert, was da passiert ist. | |
Warum? | |
In Lützerath gab es Leute, die versucht haben, diesen Ort mit einer | |
gelebten Utopie zu füllen. Direkt an der Abrisskante konnte man sich | |
umdrehen – und auf der anderen Seite hast du Menschen gesehen, die fröhlich | |
entschlossen und hoffnungsvoll gesagt haben: Nee, wir machen das nicht mit. | |
Wir setzen der Zerstörung etwas Positives entgegen. | |
Utopien spielen eine Rolle für Sie, sich die Hoffnung zu bewahren? | |
Vieles von dem, was wir für utopisch halten, passiert ja längst. Es gibt | |
Städte wie Paris oder Kopenhagen, in denen die Menschen glücklicher sind, | |
weil es viel weniger Autos gibt – und wo sie merken: Krass, jetzt haben wir | |
hier mehr Raum für uns. Das zeigt, dass Veränderung auf struktureller Ebene | |
möglich ist. Glücklicherweise muss niemand im Alleingang den Planeten | |
retten, rituell sein Auto verbrennen und sofort vegan werden. Wir dürfen | |
sogar in den Urlaub fahren und trotzdem etwas gegen die Klimakrise tun. | |
Sie schreiben von „5712 einfachen Schritten“ zur Weltrettung. Welche | |
sollten wir zuerst gehen? | |
Ganz so viele sind es doch nicht. Der erste Schritt ist, sich zu | |
informieren, wie die Lage eigentlich ist. Es gibt unzählige Menschen, die | |
den Zustand der Klimakrise kommunizieren, oder die versuchen, den | |
freidrehenden Turbokapitalismus zu entlarven. Als Zweites gucke ich, | |
welches Thema mich bewegt: Was kann ich machen, das mir auch Spaß macht? Wo | |
kann ich etwas beitragen? Das könnte im aktivistischen Bereich sein, indem | |
ich Demos organisiere oder daran teilnehme – oder, wenn ich im Privaten | |
aufkläre, mich in der Politik engagiere oder in der Firma. Schritt drei: | |
Bildet Banden! Vielleicht gibt es nicht auf jeder Hallig in der Nordsee | |
eine „Fridays for Future“-Ortsgruppe oder einen Verein, der sich für | |
Feminismus einsetzt. Aber überall tun sich längst Menschen zusammen. | |
29 Apr 2024 | |
## LINKS | |
[1] /SZ-Foederl-Schmidt-und-Nius/!6000220 | |
[2] /Optimismus-in-der-Klimakatastrophe/!5949824 | |
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[4] https://www.droemer-knaur.de/buch/sebastian-23-alles-wird-gut-9783963402890 | |
## AUTOREN | |
Maximilian Arnhold | |
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