# taz.de -- Club of Rome zur Klimakrise: „Die Reichen müssen zahlen“ | |
> Was tun, um die Klimakrise zu überwinden? Der Club of Rome sieht den | |
> Schlüssel in der Verringerung der sozialen Ungleichheit. | |
Bild: Sierra Leone: Ist die soziale Ungleichheit zu groß, verschärfe diese au… | |
BERLIN taz | Wir können die Kurve kriegen. Das Klima-Problem lässt sich | |
lösen, wenn gleichzeitig die soziale Ungleichheit verringert wird. Das ist, | |
sehr kurz gefasst, die zentrale Botschaft des neuen Berichts des [1][Club | |
of Rome], einer weltweiten Vereinigung von Wissenschaftlerinnen und | |
Wissenschaftlern. Am Dienstag wurde die Studie unter anderem in Berlin | |
vorgestellt. Sie heißt „Earth for All – ein Survivalguide für unseren | |
Planeten“. | |
Breit bekannt wurde der Club of Rome vor 50 Jahren, als er 1972 seinen | |
einflussreichen Bericht „Die Grenze des Wachstums“ veröffentlichte. Die | |
schockierende These damals: Wenn sich die globale Wirtschaftsweise nicht | |
ändere, würden Umwelt, Ökonomie und Lebensqualität im 21., also unserem | |
Jahrhundert zusammenbrechen. Das war ein Ausgangspunkt der Öko-Bewegung | |
nicht nur in Deutschland. Nicht alle skeptischen Vorhersagen des damaligen | |
Berichts seien bisher eingetroffen, doch mehr oder weniger habe man richtig | |
gelegen, sagte Johan Rockström am Dienstag. Der Mitautor der aktuellen | |
Studie leitet das [2][Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung]. | |
Der Survivalguide enthält viele Warnungen und Problembeschreibungen. Jorgen | |
Randers, der schon an den „Grenzen des Wachtums“ mitgearbeitet hatte, | |
sagte: „Innerhalb der nächsten 50 Jahre wird das derzeitige | |
Wirtschaftssystem soziale Spannungen verstärken und den Wohlstand | |
verringern.“ Wenn sich die gegenwärtigen Trends fortsetzten, komme es zu | |
„regionalen Zusammenbrüchen“ – und zwar nicht nur in armen Staaten wie | |
Afghanistan, Pakistan oder Somalia, sondern auch in reichen Ländern. Die | |
Autorinnen und Autoren gingen zwar nicht in die Einzelheiten, als Beispiel | |
könnte man sich aber eine Flutkatastrophe wie an der Ahr 2021 vorstellen, | |
nur viel größer: Die öffentliche Infrastruktur wäre zerstört, die | |
Verwaltung funktionierte und Firmen arbeiteten nicht mehr, die Bewohner | |
flüchteten. Solche Szenarien seien nicht unwahrscheinlich, sagte der Club, | |
und sie könnten zwei Milliarden Menschen weltweit betreffen. | |
Zentral für die Studie ist eine – auf den ersten Blick nicht unbedingt | |
eingängige – These: Die Klimakrise und soziale Krise hängen zusammen. Und | |
zwar nicht nur, indem Dürren und Überschwemmungen Armut verursachen. Ist | |
die soziale Ungleichheit zu groß, erklärt der Überlebensratgeber, | |
verschärfe diese auch die Umweltprobleme. Ein Wirkungszusammenhang: Armen | |
Staaten und ihren Einwohnern fehlen die finanziellen Mittel, um das Klima | |
zu schützen. In wohlhabenden Ländern wie Deutschland stellt sich die | |
Verbindung eher so dar: Leute mit niedrigen Einkommen lehnen Klimapolitik | |
ab, wenn sie die Kosten dafür tragen müssen. | |
## Auch die hiesige obere Mittelschicht ist gefragt | |
Das führte Jorgen Randers zu der These: „Die Reichen müssen die Rechnung | |
zahlen.“ Damit meinte er die obersten „zehn Prozent“ der Bevölkerung, die | |
national und global etwa die Hälfte aller Einkommen auf sich vereinen. Die | |
ökonomische Elite müsse ungefähr ein Fünftel ihrer Einkommen und Vermögen | |
abgeben, damit Sozialpolitik und Klimaschutz finanziert werden können. Das | |
ist nicht nur eine Ansage an Staaten wie Deutschland, 20 Prozent ihrer | |
Wirtschaftsleistung der Rettung der Welt zu widmen, sondern auch an die | |
hiesige obere Mittelschicht: Wer zwei Eigentumswohnungen besitzt, kann | |
schon zum reichsten Zehntel gehören. | |
Zur Umsetzung schlägt der Club beispielsweise Umverteilung mittels Steuern | |
vor. Die Abgaben auf Immobilien, Vermögen, Erbschaften, Firmengewinne und | |
hohe Arbeitseinkommen müssten steigen. Etwa zwei bis vier Prozent des | |
globalen Einkommens jährlich dürften reichen, um den Karren aus dem Dreck | |
zu ziehen, heißt es im Survivalguide. Der Markt regele das nicht alleine, | |
ein aktiver Staat sei gefragt. Die Regierungen müssten diese fünf Ziele | |
anpeilen: Überwindung der Armut, Verringerung der Ungleichheit, Stärkung | |
der Stellung der Frauen, Ökologisierung der Nahrungsmittelproduktion und | |
die Umstellung der Energieproduktion auf erneuerbare Quellen. | |
Dass es in Deutschland vorangehe, sei entscheidend, meinte Rockström. Als | |
viertgrößte Wirtschaftsnation der Erde müsse das Land vormachen, dass die | |
Transformation gelingen könne. Auf die Frage, ob die Welt die Kurve kriege, | |
sagte Randers sinngemäß: „Es wird sehr schwer werden.“ | |
30 Aug 2022 | |
## LINKS | |
[1] https://clubofrome.de/ | |
[2] https://www.pik-potsdam.de/de/startseite | |
## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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