# taz.de -- Christ:innen in Gaza zum Osterfest: Es bleiben nur das Gebet und di… | |
> Während der Krieg in Gaza weitergeht, bereiten sich Christinnen und | |
> Christen auch hier auf Ostern vor. Es wird ein Fest voller gedrückter | |
> Stimmung. | |
Bild: Am Palmsonntag beim Gottesdienst der griechisch-orthodoxen Kirche in Gaza… | |
Gaza-Stadt, Berlin taz | Wenn am Abend des Karsamstags nach Sonnenuntergang | |
Christinnen und Christen auf der ganzen Welt die heilige Osternacht feiern, | |
wird auch Ihab Ayad sich in seine Kirche begeben. Und vor den goldenen | |
Ikonen der Liturgie der Auferstehung Jesu Christis beiwohnen. Er hat es | |
nicht weit – er wohnt ja auf dem Gelände der Gemeinde. Seit dem 10. Oktober | |
2023 hat er dort Zuflucht gesucht, in einem Nebengebäude der | |
griechisch-orthodoxen Sankt Porphyrius-Kirche in Gaza-Stadt. | |
Ostern, der wichtigste Tag des christlichen Kalenders, ist eigentlich ein | |
Fest der Freude. Doch in den palästinensischen Gebieten – auch im | |
Westjordanland, aber vor allem in Gaza – ist die Stimmung gedrückt. Schon | |
im zweiten Jahr in Folge fallen [1][die Feierlichkeiten kleiner und ruhiger | |
aus]: aus Respekt vor den vielen Toten und Verletzten, die die | |
Palästinenser seit dem Beginn des Krieges nach dem Überfall der Hamas auf | |
Israel am 7. Oktober 2023 zu beklagen haben. | |
Und aus Sicherheitsgründen. Denn nach einer temporären Waffenruhe, die von | |
Mitte Januar bis Mitte März die Menschen in der Region aufatmen ließ, | |
[2][hat der Krieg wieder begonnen:] mit anhaltenden Luftangriffen, immer | |
weiter reichenden Evakuierungsaufforderungen des Militärs und einem so | |
immer weiter schrumpfenden Gebiet, in das die Menschen im Gazastreifen noch | |
fliehen können. | |
Bislang ist die Sankt Porphyrius-Kirche, deren Gemeinde Ayad angehört, | |
nicht von den Evakuierungsaufforderungen des israelischen Militärs | |
betroffen. Sie liegt in Gaza-Stadt, im Viertel Zeitoun. Das benachbarte | |
Viertel Shujaiya wurde Ende vergangener Woche zum Kampfgebiet erklärt, | |
viele Bewohnerinnen und Bewohner haben es verlassen. Der Krieg rückt näher. | |
## Viele Kirchen sind zu Notunterkünften geworden | |
Ayad selbst lebt zwar in einem kleinen Zimmer auf dem Gelände der Kirche. | |
Doch Teile seiner Familie, erzählt der 31-Jährige, seien während der | |
Waffenruhe zurückgekehrt in ihr Zuhause. „Wir hatten Glück“, sagt er. Ihre | |
Wohnung im Viertel Tal-el-Hawa in Gaza-Stadt sei bisher nur geringfügig | |
beschädigt worden. Und falls irgendwann die Aufforderung des Militärs | |
komme, das Gebiet zu verlassen, würde die Familie einfach zurück auf das | |
Gelände der Kirche ziehen. | |
Wie Ayad geht es vielen Christinnen und Christen im Gazastreifen: Die | |
griechisch-orthodoxe Kirche, aber auch die römisch-katholische Kirche zur | |
heiligen Familie, ebenfalls in Gaza-Stadt gelegen, sind nach dem Beginn des | |
Krieges zu Notunterkünften geworden – vor allem aber nicht nur für die | |
Christen des Küstenstreifens. Etwa 1.000 christliche Familien hätten vor | |
dem Krieg im Gazastreifen gelebt, sagt Ayad. Eine genauere Zahl ist nicht | |
bekannt, seine Angabe deckt sich aber mit den Berichten verschiedener | |
Medien. Viele von ihnen lebten in Gaza-Stadt. | |
Einst waren es mehr. Doch schon nach der Machtübernahme durch die | |
islamistische Hamas gab es eine Welle des Fortzugs, etwa Richtung | |
Westjordanland. Denn auch wenn die christlichen Gemeinden unter der Hamas | |
weiter ihren Glauben leben durften, haben die immer wiederkehrenden Kriege | |
mit Israel und die auch im Alltag spürbare Ausrichtung Gazas nach den | |
Überzeugungen der Hamas viele wegziehen lassen. Ungefähr die Hälfte, | |
schätzt Ayad, habe den Gazastreifen seit Kriegsbeginn verlassen. Wer eine | |
zweite Staatsbürgerschaft hat, wurde evakuiert, andere zahlten viel Geld | |
für die Ausreise nach Ägypten. | |
## Auch Kirchen werden von Luftangriffen getroffen | |
In der Kirche fühlt er sich relativ sicher. Dass das in diesem Krieg auch | |
täuschen kann, hat er aber recht schnell erfahren müssen, erzählt Ayad. Bei | |
einem israelischen Luftangriff am 19. Oktober 2023 starben auf dem Gelände | |
der Kirche mindestens 17 Menschen. Eine ganze Familie, fünf Geschwister mit | |
ihren jeweiligen Kindern und Ehepartnern, sei ausgelöscht worden, erzählt | |
er. | |
Die Wucht der Explosion sei so heftig gewesen, dass die Opfer teils auf die | |
Straße geschleudert wurden. Über 400 Menschen, die meisten von ihnen | |
Christen, so berichtet es Vatican News, waren damals auf dem Gelände | |
untergekommen. Seitdem gab es zwar keine vergleichbaren Angriffe auf und um | |
das Gelände mehr. Doch das laute, monotone Brummen der Aufklärungsdrohnen, | |
die täglich über dem Gazastreifen fliegen, sind auch in der Kirche zu | |
hören. | |
Weil die Lage weiterhin so gefährlich ist, wird es bei der katholischen | |
Gemeinde in Gaza an diesem Karfreitag keine Prozession geben, die die | |
Passion Christi nachspielt, berichtet ihr Priester Vater Gabriel Romanelli | |
der Vatican News. Auch auf ihrem Gelände sind Hunderte untergekommen. Einer | |
von ihnen ist George Anton, Leiter des Notfallkomitees der katholischen | |
Kirche in Gaza. Mit seiner fünfköpfigen Familie ist er noch am 7. Oktober | |
2023 aus dem Viertel Rimal nördlich von Zeitoun geflohen. Das Haus der | |
Familie wurde vollständig zerstört, erzählt er. | |
Das ganze Leben der Familie findet seitdem auf dem Gelände der Kirche | |
statt: „Es gibt ein Team, das zweimal pro Woche kocht und uns auch darüber | |
hinaus mit Essen versorgt. Die Kirche kümmert sich außerdem um die Bildung | |
der Kinder, in Zusammenarbeit mit dem Bildungsministerium hat sie | |
Unterricht organisiert.“ | |
## Im Gazastreifen mangelt es an allem | |
Selbst wenn er in sein Viertel zurück könnte, warte dort nichts mehr auf | |
ihn. Vor dem Krieg, erzählt er, habe die Familie ihr Zuhause zu Ostern | |
reich geschmückt. Manchmal seien sie nach Jerusalem gereist, um dort in der | |
Grabeskirche zu feiern. Alle Akte der Freude, sagt er, seien dieses Jahr | |
abgesagt. Es bleibe nur die traditionelle Liturgie und das Gebet. Er habe | |
verinnerlicht, [3][was Papst Franziskus der katholischen Gemeinde in Gaza] | |
immer wieder sagte: „Seid stark und fürchtet euch nicht, denn ihr seid | |
Kinder Gottes, und er wird für euch sorgen.“ | |
Dennoch, erzählt er, mangele es im Gazastreifen an allem: sauberes Wasser, | |
Essen, Medizin. „Wir sind alle betroffen – ob Christen oder Muslime.“ Denn | |
seit Anfang März hält Israel die Grenzübergänge zu Gaza fest geschlossen, | |
Hilfsgüter werden nicht mehr durchgelassen. Das mache sich direkt | |
bemerkbar, erzählt Ihab Ayad vor der Kirche Sankt Porphyrius: „Während der | |
Waffenruhe, als die Grenzübergänge offen waren, haben wir täglich gemeinsam | |
gekocht. Nun hat die Kirchenverwaltung die Anweisung erhalten, dass nur | |
noch ein- oder zweimal pro Woche gekocht werden soll, um Vorräte zu sparen“ | |
– eine Fastenzeit und ein Osterfest auf Sparflamme. | |
Jedes Jahr, erzählt Ayad, habe er mit seiner Familie zu Ostern Süßes | |
gebacken. Traditionell wird in den arabischen Ländern am Ende der langen | |
Fastenzeit von Aschermittwoch bis Ostern Maamoul, ein mit Nüssen oder | |
Datteln gefüllter und mit Staubzucker bestreuter Keks, hergestellt. | |
Muslimische Freunde hätten die Familie zum Fest besucht, ihre Glückwünsche | |
überbracht, erzählt er. Letztes Jahr, als der Krieg etwa ein halbes Jahr | |
alt war, habe er immerhin noch im kleinen Kreis mit Familie und Freunden | |
ein wenig gefeiert. Nicht aber in diesem Jahr. | |
„Stoppt diesen Krieg“, sagt Ayad. Wenn er nach einem Wort der Aufmunterung | |
suche, sagt Anton, denke er an seinen Lieblingsvers der Bibel – Psalm 23: | |
„Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Und wanderte ich auch im | |
Tal des Todes, so fürchte ich kein Unglück, denn Du bist bei mir“. | |
17 Apr 2025 | |
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## AUTOREN | |
Lisa Schneider | |
Malak Tantesh | |
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