# taz.de -- Chinas Militärmanöver um Taiwan: Simulation einer Inselblockade | |
> Peking probt mit Militärmanövern, wie es den Inselstaat isolieren könnte. | |
> In Taipeh reagiert man bislang souverän. | |
Bild: Eine chinesische Fregatte feuert eine Luftabwehrrakete ab, hier Mitte Juli | |
Seoul taz | Wie das sprichwörtliche gallische Dorf, das von Römerlagern | |
umzingelt wird, haben sich die chinesischen Truppen am Donnerstag aus allen | |
Himmelsrichtungen rund um Taiwan positioniert. Nur wenige Kilometer von der | |
Inselküste entfernt begann die Volksbefreiungsarmee in sechs Zonen mit | |
ihren [1][angekündigten Manövern]. Und wie das Verteidigungsministerium in | |
Taipeh bestätigte, wurde dabei auch scharf geschossen: Unter anderem | |
zündete Chinas Militär mehrere Flugkörper, darunter auch | |
Langstreckenraketen. | |
Während [2][Nancy Pelosi] bereits längst in Südkorea weilt, müssen die über | |
23 Millionen Taiwaner nun mit den Konsequenzen des Besuchs der | |
US-Politikerin zurechtkommen. Die Maßnahmen stellen eine bisher nie | |
dagewesene Provokation dar – nicht zuletzt, weil sie de facto eine | |
Inselblockade in Echtzeit simulieren. | |
Militärexperten halten das Szenario einer wirtschaftlichen Isolation | |
Taiwans durch China für wahrscheinlicher als einen offenen Eroberungskrieg. | |
Im chinesischen Staatsfernsehen bezeichnete Generalmajor Meng Xiangqing die | |
Manöver als bisher engste „Einkreisung der Insel“: „Das schafft sehr gute | |
Voraussetzungen, um die strategische Lage zugunsten einer Wiedervereinigung | |
zu gestalten.“ | |
Doch wie Mick Ryan, ein pensionierter Armeegeneral aus Australien | |
kommentiert, könnten die Manöver für Peking unerwünschte Nebeneffekte | |
haben. Denn sie werden unweigerlich „wertvolle Einblicke in das | |
militärische Denken und die Fähigkeiten Chinas geben“ – und damit etwa der | |
internationalen Staatengemeinschaft auch potenzielle Schwachstellen der | |
Chinesen offenbaren. Jenes Wissen sei für den Westen von unschätzbaren Wert | |
und helfe bei der künftigen strategischen Ausrichtung in dem Konflikt. | |
## Taipeh bleibt gelassen | |
Im Verteidigungsministerium in Taipeh gab man sich am Donnerstag betont | |
souverän. „Wir streben keine Eskalation an, aber wir scheuen auch nicht | |
zurück, wenn es um unsere Sicherheit und Souveränität geht“, hieß es. | |
Chinas Militärmanöver wurden als „irrationale Handlungen“ bezeichnet, die | |
„den regionalen Frieden gefährden“. | |
Bei den internationalen Reaktionen war vor allem die Vorsicht zu spüren, | |
die Spannungen nicht weiter anzufachen. Die deutsche Außenministerin | |
[3][Annalena Baerbock (Grüne) rief während ihres Besuchs in Kanada zur | |
Deeskalation auf]: Pelosis Besuch dürfe „nicht als Vorwand für militärische | |
Drohgebärden genutzt werden“. | |
Der Taiwankonflikt im Indopazifik gilt als möglicher Ausgangspunkt einer | |
militärischen Auseinandersetzung zwischen Peking und Washington. | |
US-Präsident Joe Biden verfolgt wie auch seine Vorgängerregierungen eine | |
Strategie der „Ambiguität“. Man will es offenlassen, inwieweit man selbst | |
eingreifen würde, wenn China den Inselstaat angriffe. | |
Für Xi Jinping ist die Angelegenheit eine höchstpersönliche und auch | |
emotionale. Sein Vater Xi Zhongxun, hochrangiger Parteikader, stand | |
jahrelang in geheimen Austausch mit Vertretern aus Taipeh, um auf eine | |
Wiedervereinigung hinzuarbeiten. Dass er diese zu seinen Lebzeiten nicht | |
mehr erreichte, kränkte ihn zutiefst. Sein Sohn Xi Jinping hat es sich nun | |
zur Aufgabe gemacht, die Vision eines geeinten Mutterlands zu vollenden. | |
## Unerwünschte Vereinigung | |
Offiziell verfolgt Chinas Staatsführung weiterhin die Strategie, dass man | |
die Herzen der Taiwaner für eine friedliche Wiedervereinigung erobern | |
wolle. Dass dies längst nicht mehr realistisch scheint, ist mehr als | |
offensichtlich. Denn die Kommunistische Partei zieht sich seit Jahren | |
zunehmend den Zorn der Inselbewohner zu. | |
Erst am Mittwochabend lieferte Lu Shaye, Chinas Botschafter in Paris, einen | |
erneuten Vorwand dafür. Während einer Talkshow im französischen Fernsehen | |
gab er ungemein tiefe Einblicke in die Sichtweise des chinesischen | |
Staatsapparats: „Vor zehn, zwanzig Jahren war die Mehrheit in Taiwan für | |
eine Wiedervereinigung“, sagte Lu. Dass sich die Inselbevölkerung | |
mittlerweile dagegenstelle, liege nur an der „antichinesischen Propaganda“ | |
der derzeitigen Regierungspartei. Das zynische Fazit des Diplomaten: „Nach | |
der Wiedervereinigung mit Taiwan werden wir eine Umerziehung durchführen | |
müssen.“ | |
4 Aug 2022 | |
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## AUTOREN | |
Fabian Kretschmer | |
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