# taz.de -- China und Google: Das nationale Internet | |
> Wenn sich Google aus China zurückzieht, bricht dort das Netz nicht | |
> zusammen: Andere Portale haben viel mehr Nutzer. Das gilt für fast jede | |
> Web-Kategorie. | |
Bild: Wer zeigt wem den Stinkefinger? Google China oder China Google, das ist h… | |
Sollte sich Google tatsächlich aus China zurückziehen, werden das | |
erstaunlich wenige Nutzer zu spüren bekommen. Zwar hat der Internet-Riese | |
mit seinem lokalen und derzeit noch unter Zensurbedingungen arbeitenden | |
Portal Google.cn in den letzten Jahren zweistellige Marktanteile erreichen | |
können. Doch konkurrierende Suchportale wie [1][Baidu], [2][Sina] oder | |
[3][Netease] sind erfolgreicher, so hatte allein Baidu im vergangenen | |
Sommer über 60 Prozent Marktanteil. | |
Inzwischen gibt es für nahezu jedes im Westen populäre Angebot lokale | |
Alternativen, die sich von den örtlichen Behörden genau – und vor allem: | |
freiwillig – kontrollieren lassen. Twitter ist blockiert, stattdessen | |
microbloggt man etwa bei [4][Fanfou.com]. Für das gesperrte | |
Google-Video-Portal YouTube existieren mehr als ein Dutzend Alternativen. | |
Soziale Netzwerke wie Facebook wurden regelrecht 1:1 kopiert, wenn es nicht | |
gleich chinesische – und damit zensierte – Pendants der US-Firmen selbst | |
gibt, die mit örtlichen Partnern zusammenarbeiten - [5][Myspace.cn] ist ein | |
Beispiel. Online-Shopping wird weder bei Amazon noch bei eBay betrieben, | |
sondern auf Marktplätzen wie [6][Taobao] oder [7][Alibaba], letzteres ein | |
Joint-Venture mit Yahoo. | |
Auch die Zensurmaßnahmen könnten sich bald nochmals deutlich verschärfen. | |
Derzeit arbeitet die Regierung in China noch mit verhältnismäßig einfachen | |
Filtersystemen, die das eigentlich freie Internet einschränken und anhand | |
von Begriffslisten "böse" Seiten sperren. Das erfolgt gerne auch | |
anlassbezogen – etwa zuletzt verstärkt zum 60. Jahrestag Chinas. Die | |
Technik, die sich "goldener Schild" nennt, wird regelmäßig angepasst und | |
soll mehr als eine halbe Milliarde Dollar gekostet haben; rund 30.000 | |
Polizisten sind zur Netzkontrolle im Einsatz, nahezu jede Stadt hat eigene | |
Zensureinrichtungen. | |
Experten zufolge plant das Land jedoch noch deutlich radikalere Maßnahmen: | |
So könnte das gesamte chinesische Internet vom Rest der Welt abgetrennt | |
werden - in Form einer Art von Intranet, in dem die lokalen Angebote | |
dominieren. | |
Jens Kubieziel, Netzzensurexperte beim Chaos Computer Club, [8][erläuterte] | |
auf dem Berliner Hackerkongress "26C3" Ende Dezember, wie das aussehen | |
könnte: China plane in ein bis zwei Jahren, auf das so genannte | |
Whitelisting umzusteigen. Dabei ist das gesamte Netz zunächst einmal | |
gesperrt. Nur Angebote, die explizit zugelassen würden, seien dann noch | |
zugänglich – im Gegensatz zum heute eingesetzten Blacklisting, bei dem | |
gezielt gesperrt werden muss. Der Plan diene auch zur Abschottung des | |
Marktes gegenüber ausländischen Unternehmen: "Wenn ich nicht mehr bei | |
Amazon ein Buch kaufen kann, muss ich es mir eben bei Chinabooks.co.cn oder | |
so besorgen", sagte Kubieziel. | |
Unterdessen wurden weitere Details zu den Hacker-Angriffen bekannt, die | |
Google zu der Drohung veranlasst hatten, den riesigen chinesischen | |
Internet-Markt notfalls ganz zu verlassen. Das amerikanische | |
IT-Security-Unternehmen iDefense Labs will Teile der Attacken | |
zurückverfolgt haben. | |
Wie der Fachdienst "Ars Technica" meldet, seien dabei "Control-Server | |
innerhalb des Bereiches der chinesischen Regierung" als Urheber ausfindig | |
gemacht worden. Diese Rechner sollen für die Steuerung der Angriffe | |
verantwortlich gewesen sein und hätten speziell auf westliche Regierungen, | |
Industrieunternehmen oder Menschenrechtsorganisationen zugeschnittene | |
Datenschädlinge verteilt, die dann monatelang unerkannt zur Spionage | |
dienten. | |
Die Nachrichtenagentur Reuters meldete am Montag zudem, dass die Chinesen | |
bei ihren Internet-Angriffen möglicherweise Hilfe von Google-Insidern | |
bekamen. Mitarbeiter der Niederlassung in Peking würden derzeit überprüft, | |
hieß es in dem Bericht, den Google selbst nicht näher kommentieren wollte, | |
weil es sich um eine laufende Untersuchung handele. Chinesischen Medien | |
zufolge wurden einige Mitarbeiter bereits versetzt, anderen sei gekündigt | |
worden. Auch der Zugriff auf Googles interne Netzwerke sei in der Pekinger | |
Niederlassung teilweise eingeschränkt worden - offenbar eine | |
Sicherheitsmaßnahme. | |
18 Jan 2010 | |
## LINKS | |
[1] http://www.baidu.com/ | |
[2] http://www.sina.com.cn/ | |
[3] http://corp.163.com/eng/home.shtml | |
[4] http://fanfou.com | |
[5] http://www.myspace.cn/ | |
[6] http://www.taobao.com/ | |
[7] http://www.alibaba.com | |
[8] http://events.ccc.de/congress/2009/Fahrplan/events/3523.en.html | |
## AUTOREN | |
Ben Schwan | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
CCC-Jahreskongress in Berlin: Clubmate, Kabel und Computer | |
Die Hacker-Bewegung ist vielfältig. Der CCC ist längst zu einer | |
professionell arbeitenden Lobby-Organisation geworden, den schrägen Charme | |
eines Hackerclubs hat er sich erhalten. | |
Googles Streit mit China: "... ein toller Kerl" | |
Google riskiert, aus dem chinesischen Markt zu fliegen. Für kurze Zeit | |
hatte der Konzern in China die Internetzensur ausgesetzt – die Folgen für | |
den US-Konzern sind noch nicht absehbar. | |
Zensur und Überwachung: Chinas Cyberkrieg gegen die Welt | |
Seit Jahren betreibt China systematisch elektronische Spionage. Der Zweck: | |
politische Gegner aushorchen und technologisch zum Westen aufschließen. | |
Nach Hacker-Angriff auf Google: China verteidigt die Zensur | |
Außer Google wurden noch weitere USA-Firmen von chinesischen Hackern | |
attackiert. China pocht auf Einhaltung seiner Gesetze. Google erhöht | |
derweil die Sicherheit seines E-Mail-Dienstes. | |
Reaktion auf Google-Drohung: China weist Zensur-Vorwurf von sich | |
Der angekündigte Rückzug des US-Konzerns Google lässt Chinas Regierung | |
offenbar kalt. Mit den Angriffen habe man nichts zu tun. Die | |
Hacker-Angriffe seien ein "globales Problem". | |
Cyberkrieg um Suchmaschinen: Baidu verklagt US-Provider | |
Die chinesische Suchmaschine Baidu hat ihren in den USA ansässigen Provider | |
Register.com wegen grober Fahrlässigkeit auf Schadensersatz verklagt. USA | |
erwarten Aufklärung der Angriffe auf Google China. |