# taz.de -- Googles Streit mit China: "... ein toller Kerl" | |
> Google riskiert, aus dem chinesischen Markt zu fliegen. Für kurze Zeit | |
> hatte der Konzern in China die Internetzensur ausgesetzt – die Folgen für | |
> den US-Konzern sind noch nicht absehbar. | |
Bild: Google-Hauptquartier in Peking am 13.Januar 2010. | |
Peking war gestern Schauplatz einer Internetsensation - zumindest für | |
einige Stunden. Wer sich am Vormittag online über heikle Themen wie über | |
die verbotene Falungong-Sekte oder das Tiananmen-Massaker informieren | |
wollte, konnte mit dem Suchdienst Google ohne Mühe Bilder von misshandelten | |
Anhängern dieser verbotenen Sekte finden oder Fotos vom blutigen Einsatz | |
der Armee im Juni 1989 - Informationen, die in China sonst gesperrt sind. | |
Doch schon gegen Mittag wachten die Zensoren auf. Die unter den 338 | |
Millionen chinesischen Internetnutzern verhasste Botschaft "… kann die | |
Seite nicht öffnen" erschien wieder auf den Monitoren. | |
Möglich wurde die kurze Aussetzung der Zensur durch ein Ereignis, dessen | |
Folgen für den amerikanischen Internetkonzern Google noch gar nicht | |
abzuschätzen sind - und das international eine neue Debatte über Zensur und | |
Informationsfreiheit in China auslöste. | |
In einer bemerkenswert offen formulierten Erklärung hatte Google am | |
Dienstagnachmittag amerikanischer Zeit angekündigt, man "erwäge" einen | |
kompletten Rückzug aus China. Gleichzeitig setzte Google die Selbstzensur | |
außer Kraft, mit der [1][Google.cn] bislang nach Wunsch der chinesischen | |
Behörden unliebsame Informationen gesperrt hatte. | |
Unter der Überschrift "Ein neuer Umgang mit China" berichtete | |
Google-Chefjustitiar David Drummond im Firmenblog über eine Serie von | |
Hackerattacken: "Mitte Dezember haben wir einen sehr raffinierten und | |
gezielten Angriff von China aus auf die Infrastruktur unseres Unternehmens | |
entdeckt, der zu einem Diebstahl von Googles geistigem Eigentum führte." | |
Das Hauptziel der Angreifer sei offenbar der Zugang zu den Gmail-Adressen | |
von chinesischen Bürgerrechtlern gewesen, schrieb Drummond. Unter diesen | |
Umständen habe die Firma entschieden, "dass wir nicht länger bereit sind, | |
unsere Suchergebnisse auf [2][Google.cn] zu zensieren". Der Konzern wolle | |
nun klären, ob die lokale Suchmaschine fortan frei zugänglich gemacht | |
werden könne. Dabei sei man sich bewusst, "dass dies bedeuten kann, dass | |
wir die Website [3][Google.cn] und möglicherweise auch unsere Büros in | |
China schließen müssen." | |
Der Konflikt kommt zu einer Zeit, in der vor allem Bürgerrechtler eine | |
deutliche Vereisung des politischen Klimas spüren. Mit immer neuen | |
Kampagnen, die sich offiziell vor allem gegen Pornografie und kriminelle | |
Machenschaften im Internet richteten, wurden in den vergangenen Monaten | |
tausende Webseiten geschlossen. Facebook und Twitter sind ebenfalls | |
gesperrt. | |
Chinas KP hat das Internet von Anfang an als Chance und Gefahr zugleich | |
begriffen: Um ihr Land so schnell wie möglich zu modernisieren, neue | |
Industrien anzusiedeln und die Kommunikation über tausende Kilometer hinweg | |
zu vereinfachen, ließ sie die entferntesten Gegenden verkabeln und mit | |
Sendemasten ausrüsten. Zugleich entwickelte man ein komplexes Zensursystem | |
samt immer wirksamerer Filter und Sperren, die auch ausländische Firmen wie | |
das US-Unternehmen Cisco liefern. | |
Viel effektiver als diese technischen Hilfsmittel ist jedoch der Zwang zur | |
Selbstzensur, mit dem jeder Internetprovider und jede Onlinefirma in China | |
konfrontiert ist. Ihre Manager erhalten von den Sicherheitsbehörden und den | |
Propagandaabteilungen der KP wöchentlich neue Listen mit Themen und | |
Webadressen, die blockiert werden müssen. Wer sich an diese Vorgaben nicht | |
hält, muss mit saftigen Geldstrafen oder gar mit Lizenzentzug rechnen. | |
Dabei ist sich die chinesische Regierung bewusst, dass ihre "Große | |
Feuermauer" genannte Blockade keineswegs alle unerwünschten Informationen | |
fernhalten kann. Eine lebhafte chinesische Internetgemeinde nutzt | |
Proxy-Server und sogenannte Tunnelprogramme, um gesperrte Webseiten zu | |
nutzen. Doch es ist nur eine kleine Gruppe der Chinesen, die sich die Mühe | |
macht und die sich zugleich bewusst ist, dass ihre E-Mails ebenso wie ihre | |
Surfgewohnheiten beobachtet werden können. | |
Als sich Google im Jahr 2006 entschloss, den chinesischen Markt zu erobern, | |
durfte es seine chinesischsprachige Suchmaschine [4][Google.cn] nur unter | |
der Bedingung registrieren, dass es sich den Zensurvorschriften beugte. | |
"Googles Engagement in China war von Anfang an innerhalb unseres | |
Unternehmens höchst strittig", sagt nun der für Nord- und Mitteleuropa | |
zuständige Google-Sprecher Kay Overbeck der taz und ergänzte: "Wir wollen | |
in China eine zensurfreie Internetsuche." | |
Die Firma, deren Motto "Dont be evil", also "Tue nichts Böses" lautet, | |
meinte bislang stets, dass beschränkter Zugang zu Informationen besser sei | |
als gar keiner. Doch mit rund 36 Prozent Marktanteil ist Google derzeit | |
zweitgrößter Internetsuchdienst in China; hinter der einheimischen | |
Suchmaschine Baidu. Ein Verlust des chinesischen Marktes dürfte finanziell | |
Google nichts ausmachen - Schätzungen von Goldman-Sachs zufolge erzielt das | |
Unternehmen dort nur rund ein Prozent seines globalen Umsatzes. | |
Die Erklärung des Konzerns hat in China eine heftige Debatte im Internet | |
ausgelöst. Kritiker warfen dem Unternehmen vor, die Zensur nur zum Vorwand | |
zu nehmen, China zu verlassen, weil man dort wirtschaftlich gescheitert | |
sei. Außerdem stehe Google in China unter Druck, weil sich chinesische | |
Autoren wie die bekannte Schanghaier Schriftstellerin Mian Mian gegen die | |
Onlinenutzung ihrer Werke durch Google wehrten. | |
Doch es gab auch Beifall: "Meine einzige Hoffnung ist, dass Google jetzt | |
die Technologie dafür erforscht, die Große Feuermauer der Zensur zu | |
durchbrechen", schreibt ein Kommentator. Über Twitter verbreiteten sich | |
Fotos von Unterstützern, die Blumen vor das Pekinger Google-Gebäude legten. | |
Daneben stand in chinesischen Schriftzeichen: "Google - ein toller Kerl!" | |
14 Jan 2010 | |
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## AUTOREN | |
Jutta Lietsch | |
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