| # taz.de -- Charli XCX macht Quarantäne-Disco: Die Hitze der Körper spüren | |
| > Popsängerin Charli XCX bespiegelt sich mit dem Album „How I’m feeling | |
| > now“ selbst und erinnert sich daran, wie es war, im Club zu feiern. | |
| Bild: Quarantäne ist Disco: Charli XCX entblößt sich und lässt es krachen. | |
| Wie Popstars die Quarantäne verbringen, wissen wir dank | |
| Instagram-Livestreams, Charity-Konzerten und Sofa-Interviews. Die | |
| Coronapandemie gefährdet nicht nur Konzerte, sondern auch | |
| Veröffentlichungszeitpläne. Viele Alben werden geschoben. Eher unerwartet | |
| hatte die junge britische Künstlerin Charlotte Aitchison alias Charli XCX | |
| angekündigt, die Arbeit an ihrem neuen Album aufzunehmen. | |
| Innerhalb von gerade sechs Wochen hat die 27-Jährige nun „How I’m feeling | |
| now“ komponiert, aufgenommen und gemischt – unter Einhaltung sämtlicher | |
| Distanz- und Hygienevorschriften. | |
| Dass Charli XCX damit das Genre „Quarantäne-Disco“ ins Leben gerufen hat, | |
| überrascht nicht. Sie sprengt gerne Grenzen, wie sie in Zusammenarbeit mit | |
| [1][Künstler*innen wie US-Superstar Lizzo], | |
| Avantgarde-Elektronik-Produzentin Sophie und dem PC-Music-Labelchef A. G. | |
| Cook bereits bewiesen hat. | |
| Die beiden Mixtapes „Number 1 Angel“ und „Pop 2“ (2017) wurden von Fans… | |
| Kritik wohlwollend aufgenommen. Im vergangenen Herbst erschien dann das | |
| dritte Album „Charli“, das leider arg glattgebügelt daherkam. | |
| Im Gegensatz dazu ist das vierte XCX-Album „How I’m feeling now“ ohne | |
| Feature-Gäste entstanden. In Zoom-Gruppencalls rief Aitchison Fans dazu | |
| auf, Feedback zu Songskizzen und Textfragmenten zu geben. Auch an | |
| Cover-Artwork und Videokonzeptionen durfte man teilhaben. Für die | |
| Produktion holte sie sich Unterstützung von Dylan Brady (von der US-Band | |
| 100 Gecs). | |
| Charli XCX klingt trotz Hang zum Autotune diesmal nahezu ungefiltert. | |
| Selten hat die Britin so selbstentblößend gewirkt wie in „enemy“. Im | |
| Mittelteil des Songs ist eine Sprachaufnahme zu hören, die aus einer | |
| Therapiesitzung stammt: „I think a tough journey to be on whilst you’re | |
| around a lot of people. I feel like I’m learning that about myself and I | |
| don’t really, really understand it yet. It hurts here, it hurts here“, | |
| erklärt sie mit zittriger Stimme. | |
| Nur wenige Wochen vor Beginn des Lockdowns hat sie eine Therapie begonnen. | |
| Dank seiner eingängigen Melodie entwickelt sich „enemy“ zum melancholischen | |
| Popsong. | |
| Auch andere Songs bieten ungewohnte Einblicke in das Seelenleben der | |
| Künstlerin. Liebesbekundungen an ihren Partner fallen trivial aus. „I like, | |
| I like / I like everything about you“ heißt es etwa in „claws“ oder „I… | |
| you forever / even when we’re not together“ in „forever“. Mit | |
| vorwärtspreschenden Synthesizern und Breakbeat-Hookline beschwört der | |
| vorletzte Titel „anthems“ einen futuristischen Pop-Dancefloor herauf. | |
| „I just wanna go to parties / Up high, wanna feel the heat from all the | |
| bodies“, sinniert Aitchinson und erinnert damit an ihre Feier-Affinität, | |
| die seit jeher eine zentrale Rolle ihres Schaffens einnimmt. Am Ende des | |
| Finales „visions“ ufert ihr Sound in hyperaktiven Techno aus, die | |
| Feierlaune wirkt etwas banal. Die anderen Songs reihen sich als Pop- und | |
| Dancefloor-Ohrwürmer nahtlos aneinander. | |
| Auf „How I’m feeling now“ versucht sich Charli XCX an Bedroom-Pop. Für s… | |
| ersetzt das Schlafzimmer in Zeiten von sozialer Isolation Aufnahmestudio | |
| und Bühne. Erst jüngst widmete die Tageszeitung Guardian diesem Phänomen | |
| ein Feature: Der XCX-eigene Entwurf von Bedroom-Pop klingt aber weder nach | |
| schmieriger Schlafzimmerballade, noch nach Diy-Aufnahmetechnik. Stattdessen | |
| inkludiert sie Autotune-Vocals, quietschende Synthesizer und futuristische | |
| Soundeffekte. | |
| Musik für die Quarantäne ist Charli XCX also geglückt. Ihre Songs eignen | |
| sich aber nicht nur für die Coronakrise, sondern auch für die Zeit danach. | |
| Bis dahin kann man mit „How I’m feeling now“ von ausschweifenden | |
| Partynächten träumen, inklusive schwitzigem Körperkontakt. | |
| 26 May 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Louisa Zimmer | |
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