# taz.de -- Bruce Springsteen auf der Buchmesse: Auftritt vom Boss | |
> Wenn er spricht, wird es musikalisch: US-Rockstar Bruce Springsteen | |
> beantwortet auf der Buchmesse Frankfurt persönliche Fragen. | |
Bild: „Let’s have a drink“, sagt Bruce Springsteen – und meint das auch… | |
FRANKFURT taz | Empfiehlt man sich auf der Buchmesse mit den Worten „Wir | |
sehen uns gleich“, ist das eher eine Floskel. Niemand hält dies für eine | |
Verabredung. | |
Anders Bruce Springsteen. Der stellte am Donnerstagabend abseits des | |
Messebetriebs an einem geheim gehaltenen Ort in Sachsenhausen vor | |
ausgesuchten Journalisten seine Autobiografie „Born to Run“ vor. Oder | |
besser: Ein Moderator stellte ihm Fragen zum Buch, und Bruce Springsteen | |
gab Auskunft. Nach dem etwa 40-minütigen Gespräch sagte Bruce Springsteen | |
dann diesen Buchmessensatz: „Let’s have a drink.“ Viele verließen den Or… | |
nichts darauf gebend, dass der Boss sich gerade mit uns verabredet hatte. | |
Nach zehn Minuten kommt ein kleiner Mann an die Bar, er trägt ein graues | |
Wollsakko, ein weit aufgeknöpftes schwarzes Hemd, dunkle Jeans und Ringe an | |
beiden Ohren, bestellt ein Bier und trinkt einen großen Schluck: „Hey, how | |
are you?“, sagt er, und alle, die noch da sind, sammeln sich um den kleinen | |
Mann, der jedem Einzelnen tief in die Augen guckt und darauf wartet, dass | |
man diese eine Frage stellt, die man schon immer stellen wollte. | |
Meine Frage lautet, ob er die TV-Serie „Show Me a Hero“ von David Simon | |
gesehen hat, in der die auf Tatsachen beruhende Geschichte des scheiternden | |
Durchschnittstypen Nick Wasicsko erzählt wird. Ihr Soundtrack besteht fast | |
ausschließlich aus frühen Springsteen-Songs. Selbstverständlich kennt er | |
die, antwortet Springsteen. Und er findet, dass die Serie seine Songs | |
richtig interpretiert hat. | |
## Zwischen tief rau und samten schmelzig | |
Dann dreht er sich zum Nächsten: „Hey…“ Zuvor, während der Buchvorstell… | |
hatte er seine ursprüngliche Motivation erklärt, Songs zu komponieren: „Ich | |
wollte zu jemandem sprechen, und ich wollte etwas für andere tun.“ Wenn | |
Springsteen spricht, hört sich das an wie Musik. Allein diese für | |
Normalsterbliche unerreichbare Stimmzone zwischen tief rau und samten | |
schmelzig ist schon umwerfend. Wenn er dann noch Buchpassagen vorliest, | |
wird diese Stimme zu einem Instrument. Sie bringt die Wörter derart zum | |
Klingen, dass man von dem, was er liest, sofort in den Bann gezogen wird. | |
Man möchte die fast 700 Seiten dicke, überall auf Platz 1 der | |
Bestsellerlisten stehende Biografie von niemand anders als von Bruce | |
Springsteen persönlich vorgelesen bekommen. Springsteen erzählt, dass alles | |
mit einem Essay begann, den er nach dem Auftritt beim Superbowl geschrieben | |
hatte. An dem hat er dann sieben Jahre weitergeschrieben, so lange bis ein | |
Buch daraus wurde. | |
Er erzählt, dass das Schreiben für ihn bedeutete, Musik darin zu finden. | |
Den Flow und den Rhythmus, den die Wörter bilden. Er erzählt von seinen | |
jungen Jahren als Surfer, von seinem ersten Konzert in Deutschland und von | |
seinem Auftritt vor 160.000 Leuten in Ostberlin, von seinen familiär | |
ererbten psychischen Problemen, von seinem Vater; von seinem | |
Kindheitstraum: Mick Jagger wird krank, und Springsteen springt für ihn | |
ein. | |
## Springsteen for President? – „Why not.“ | |
Und er erzählt, dass es ein bisschen blöd gelaufen ist mit seinem Smashhit | |
„Born in the USA“. Der Refrain sei einfach zu stark gewesen und habe ein | |
Publikum erreicht, das nur auf den Patriotismus darin hörte, aber den Rest | |
des Lieds ignorierte. Wenn Springsteen über sein Buch spricht, hat er die | |
Augen geschlossen. Es scheint, als würde er mit der Tiefe seiner Stimme auf | |
die tiefste Konzentration treffen wollen. Aber er kann auch witzig. Während | |
er zum Lesen seine Brille aus der Sakkotasche holt, sagt er. „Als ich noch | |
Surfer war, hab ich die nicht gebraucht.“ | |
„Rock’n’-Roll ist eine Musik, die etwas wagt und riskiert – und je höh… | |
der Einsatz, umso packender ist der Moment“, schreibt Springsteen, der als | |
Autor so packend ist wie als Musiker. Bleibt nur noch diese eine letzte | |
Frage, die ein Fan schon immer mal stellen wollte: „Bruce Springsteen for | |
president?“ Er lacht: „Why not.“ | |
22 Oct 2016 | |
## AUTOREN | |
Doris Akrap | |
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