# taz.de -- Britische TV-Serie „A Spy Among Friends“: Der richtige Stallger… | |
> Ein BND-Mitarbeiter soll für Russland spioniert haben. Ob er sich von Kim | |
> Philby inspirieren hat lassen? Dem MI6-Agenten widmet sich jetzt eine | |
> Serie. | |
Bild: Harold Kim Philby bei einem Treffen mit der Presse im November 1955 | |
Der Name Carsten klingt norddeutsch-zuverlässig. Er erinnert an | |
Gummistiefel, Krabben und Seeluft. Einem Carsten leiht man gerne seinen | |
Rasenmäher. Trotzdem soll der BND-Beamte Carsten L. für die Russen | |
spioniert haben. Vielleicht hat er sich dabei den besten Spion der UDSSR | |
zum Vorbild genommen, einen gewissen Harold. | |
Auch Harold hielt man beim britischen Auslandsnachrichtendienst MI6 für | |
„einen von uns“. Er hatte den gleichen sozialen Hintergrund wie seine | |
MI6-Kollegen und feierte gerne mit ihnen. Bekannt geworden ist er jedoch | |
nicht als der nette Harold, sondern unter seinem Spitznamen: Kim. | |
Harold „Kim“ Philby (1912–1988) war das berühmteste Mitglied des | |
Cambridge-5-Spionagerings. Er hinterging 30 Jahre lang Kollegen und Freunde | |
und war für den Tod von Hunderten von Menschen verantwortlich. Bis heute | |
fasziniert die Briten wie Kim es schaffte, so lange nicht geschnappt zu | |
werden. Die britische Fernsehserie „A Spy Among Friends“ versucht gerade, | |
eine neue Antwort darauf zu geben. Sie rückt Philbys besten Freund Nicholas | |
Elliott in den Mittelpunkt. | |
Der MI6-Mitarbeiter Elliott war bisher nur eine unwichtige Fußnote. Philby | |
selbst beschrieb ihn in einem Bericht an den NKWD als einen „hässlichen, | |
schweinsäugigen“ Mann. In der Serie wird Elliott jedoch ausgerechnet von | |
dem viel zu gut aussehenden Damian Lewis gespielt, der versucht, seiner | |
Figur ungeahnte Tiefe zu geben. | |
## Dröge Männerfreundschaft | |
Dadurch geht die Pointe verloren: Der reale, unansehnliche Elliott war | |
überglücklich, dass der attraktive, clevere Kim Philby ausgerechnet seine | |
Freundschaft suchte. Er tat alles für ihn, unter anderem zahlte er sogar | |
die Schulgebühren von Philbys Kindern. Nicholas Elliotts IQ kann nicht | |
besonders hoch gewesen sein, denn Zweifel kamen ihm nie: Weder als Philbys | |
Freund Guy Burgess 1951 in die Sowjetunion floh, noch als Kims Ehefrau | |
Aileen mehrmals versuchte, ihren Mann als KGB-Spion anzuzeigen. | |
Elliott ignorierte die „Hysterikerin“; sie starb kurz darauf unter | |
mysteriösen Umständen (ähnlich erging es auch Philbys Ehefrau Nr. 3. Eine | |
Ehefrau bei einem Unfall zu verlieren, ist tragisch. Zwei Ehefrauen durch | |
Unfälle zu verlieren, ist vielleicht doch kein Zufall mehr). | |
Die Serie interessiert sich jedoch leider nicht für die vier faszinierenden | |
Ehefrauen Philbys, sondern ausschließlich für seine dröge | |
Männerfreundschaft mit Elliott. Sie endete 1963 – nach zwanzig gemeinsamen | |
Jahren. Die Beweise gegen Philby waren so überwältigend geworden, dass | |
selbst Elliott sie anerkennen musste. | |
Er konfrontierte Kim damit, sie tranken noch einmal eine Menge zusammen und | |
dann setzte sich Kim nach Moskau ab. Elliott konnte diesen Abgang nie | |
verwinden. Bis zuletzt wollte er nicht wahrhaben, dass jemand mit dem | |
gleichen Stallgeruch, sein Kim, ein überzeugter Kommunist sein könnte. | |
1981 reiste Philby auf Einladung von Markus Wolff [1][nach Ostberlin], um | |
dem MfS über sein bewegtes Agentenleben zu berichten. Er erwähnte, dass er | |
sich auf den „Klasseninstinkt“ seiner MI6-Kollegen immer verlassen konnte. | |
Womit wir bei der aktuellen Frage wären: Wie viel Stallgeruch verdankt | |
Carsten L. seine BND-Karriere? | |
3 Jan 2023 | |
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## AUTOREN | |
Karina Urbach | |
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