Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Brennstoff bleibt Milliardengeschäft: Zu viel Kohle für die Kohle
> Mehrere Milliarden Euro hat die Finanzwirtschaft in Kohlekonzernen
> investiert. Das zeigt eine neue Studie von Klimaschützern.
Bild: Lohnt sich das noch als Investition? Ein Kühlturm des Kohlekraftwerkes M…
Allen Bekenntnissen zum Klimaschutz zum Trotz – die Finanzwirtschaft hat
noch immer viele Milliarden Euro im Kohlesektor investiert. Allein der
größte Investor, der US-amerikanische Vermögensverwalter [1][BlackRock],
hat derzeit in Form von Aktien und Anleihen noch immer rund sieben
Milliarden Euro in acht europäischen Kohlekonzernen angelegt. Das zeigt
eine aktuelle Studie der NGO-Allianz [2][Europe Beyond Coal].
Die [3][Untersuchung trägt den Titel „Fool’s Gold“]. Mitherausgeber sind
insgesamt elf Organisationen, darunter auf deutscher Seite die umwelt- und
entwicklungspolitische Nichtregierungsorganisation Urgewald. Finanziert
wird der Verbund Europe Beyond Coal von der European Climate Foundation.
Hinter dieser wiederum stehen mehrere Stiftungen aus unterschiedlichen
Ländern.
Die Studie erscheint im dritten Jahr und gibt einen Einblick in die
Finanzströme in Richtung Kohlewirtschaft. Von den europäischen Banken steht
aktuell die UniCredit an der Spitze, die 2,8 Milliarden Euro in Aktien und
Anleihen der Kohlewirtschaft investiert hat. Es folgen BNP Paribas (mit 2,1
Milliarden), Barclays (1,7), sowie Société Générale und Deutsche Bank
gleichauf (jeweils 1,3). Das meiste Geld floss in die Unternehmen RWE
(Deutschland), PGE (Polen), EPH (Tschechien), ČEZ (Tschechien), Enel/Endesa
(Italien/Spanien) und Fortum/Uniper (Finnland/Deutschland).
Und doch deutet sich an, dass die Investitionen in den Kohlesektor in
Zukunft abnehmen könnten. Zum Beispiel verschärfte kürzlich der norwegische
Pensionsfonds deutlich seine Kohleausschluss-Richtlinie mit der Konsequenz,
dass er seine RWE-Aktien verkauft. „Das geschah, wie übrigens auch beim
Versicherer AXA, nach Druck aus der Zivilgesellschaft“, sagt Moritz
Schröder-Therre, Sprecher von Urgewald. Weitere Unternehmen dürften folgen.
Allein zwischen Januar und Juni 2020 hätten europäische Finanzinstitutionen
im Schnitt fast jede Woche eine neue Richtlinie veröffentlicht, die deren
finanzielle Verbindungen zur Kohleindustrie begrenzt.
## Langsamer Abschied von der Kohle
Aus Sicht der Autoren der neuen Studie geht die Entwicklung jedoch zu
langsam: „Jedes Finanzinstitut, das wir untersucht haben, behauptet,seine
Kohlegeschäfte einzuschränken“, sagt Kaarina Kolle, Koordinatorin für
Finanzen und Energieversorger bei Europe Beyond Coal. Und dennoch ließen
sie „weiter Geld für den schmutzigen Energieträger fließen“.
Eine der schwächsten Kohle-Richtlinien unter den großen europäischen
Finanzinstitutionen habe die Deutsche Bank, so die Umweltorganisationen.
Die vorliegenden Zahlen belegten, dass die Deutsche Bank „weit von ihrem
selbstformulierten Anspruch einer ‚Klimabotschafterin‘ entfernt“ sei und
damit auch „ein erhöhtes Risiko gestrandeter Investments“ trage.
Auch bei der Allianz sei der Unterschied zwischen Anspruch und Wirklichkeit
groß. Der Versicherungskonzern habe zwar in den Jahren 2015 und 2018
Kohlerichtlinien beschlossen, tätige jedoch weiterhin Kohleinvestitionen
vor allem für externe Kunden, indem er diese über seine
Tochtergesellschaften Allianz Global Investors und Pimco abwickle. Solche
Investitionen für Dritte seien von den Allianz-Kohlerichtlinien nicht
tangiert; die selbst gesetzten Grenzen für Kohle seien ausschließlich für
die Eigenanlagen des Konzerns relevant, die aber nur gut ein Viertel des
verwalteten Vermögens ausmachten.
## Druck aus der Politik
Nicht nur durch die Umweltorganisationen steigt der Druck auf die
Kohlewirtschaft, auch durch die Politik. In einigen europäischen Ländern
wurde die Kohle bereits deutlich zurückgefahren, vor allem in
Großbritannien. Im Vereinigten Königreich stammten im Jahr 2019 nur noch 2
Prozent des erzeugten Stroms aus Kohle, womit der Anteil der fossilen
Energien am Strommix von 2010 bis 2019 von 75 auf 43 Prozent sank; er
basiert nun fast ausschließlich auf Erdgas. Die erneuerbaren Energien
stiegen zugleich auf einen Anteil von 37 Prozent.
Auch in Deutschland wurde im Jahr 2019 rund 25 Prozent weniger Kohlestrom
erzeugt als im Vorjahr. Binnen sechs Jahren ist die Erzeugung gar um 41
Prozent zurückgegangen, auch wegen gestiegener CO2-Preise im
Emissionshandel. Strom aus Steinkohle verlor im vergangenen Jahr zudem in
Spanien, den Niederlanden und Italien spürbar an Bedeutung, bei der
Braunkohle gab es einen Rückgang vor allem in Polen. So sank in der EU die
Erzeugung von Strom aus Steinkohle im Jahr 2019 um 32 Prozent, aus
Braunkohle um 16 Prozent.
Von einem „strukturellen Niedergang“ der Kohle schreiben die Autorinnen und
Autoren der Studie. Nun liege es auch in der Verantwortung der
Finanzwirtschaft, den weiteren Rückgang zu forcieren: „Es ist an der Zeit,
einen Schlussstrich zu ziehen“, sagt Mitautorin Kolle. Hätten Unternehmen
keinen Plan für den Kohleausstieg bis 2030, müssten Investoren und Banken
„sie unverzüglich ausschließen“.
15 Jul 2020
## LINKS
[1] https://www.blackrock.com/de
[2] https://beyond-coal.eu/
[3] https://beyond-coal.eu/2020/07/15/fools-gold-2020/
## AUTOREN
Bernward Janzing
## TAGS
Kohleausstieg
Kohle
Schwerpunkt Klimawandel
Banken
Schwerpunkt Klimawandel
Apokalypse der Woche
Schwerpunkt Klimawandel
Schwerpunkt Klimawandel
## ARTIKEL ZUM THEMA
Ökologische Transformation: Versicherung nur für Klimafreunde
Große Player der Versicherungsbranche wollen sich am 1,5-Grad-Ziel
ausrichten. Dafür haben sie ein neues Netzwerk gegründet.
NGO wertet Investitionen aus: Banken hängen an der Kohle
Geldhäuser aus China, den USA und Japan liegen im Ranking zwar vorne. Aber
auch deutsche Institute investieren weiter.
Negative Emissionen für den Klimaschutz: Steinstaub, der CO2 bindet
Die Menschheit hat lange beim Klimaschutz geschlampt. Nun müssen Filter
her, die das Kohlendioxid aus der Atmosphäre holen.
Die Bremser der Klimapolitik: Das dreckige Dutzend
Welche Argumente nutzen GegnerInnen von klimaschützenden Maßnahmen? Das hat
nun eine Studie untersucht.
NGO Urgewald gegen die Deutsche Bank: Kohlesündern unter die Arme greifen
Die Deutsche Bank unterstützt den Adani-Konzern bei einer Anleihe. Dieser
baut in Australien die größte Kohlemine der Welt. Das sorgt für Proteste.
Klimaziele und EU-Ratspräsidentschaft: Doch noch Klimakanzlerin?
Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft steht vor einem Kraftakt: Mit den
Coronamilliarden muss Angela Merkel Europa endlich zukunftsfähig machen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.