| # taz.de -- Bremen gegen Rassismus: „Kein Trend, der verpuffen darf“ | |
| > Die Bremer „Black Lives Matter“-Demo soll darüber aufklären wie man sich | |
| > gegen Rassismus wehren kann, sagen die Organisatorinnen. | |
| Bild: Tausende hatten an der Black-Lives-Matter-Demo in Hannover teilgenommen | |
| taz: Frau Aboukerim, Frau Yilma, warum weiter demonstrieren? | |
| Laura Yilma: Wir wollen zeigen, dass „Black Lives Matter“ kein Trend ist, | |
| der schnell verpuffen darf. Es geht um eine langfristige, nachhaltige | |
| Änderung. Das ist unser Ziel, das muss immer wieder in Erinnerung gerufen | |
| werden. | |
| Mariam Aboukerim: Wir haben uns für die Demo am Samstag explizit Ansätze | |
| überlegt, die wir nach den einzelnen Reden weitergeben wollen. | |
| Ansätze? | |
| M. A.: Ja, konkrete Handlungsansätze, damit die Leute sehen: Okay, da kann | |
| ich etwas verändern. Hier kann ich mein eigenes Bewusstsein schärfen. | |
| Warum kommt es erst jetzt zu diesen Demos? | |
| L. Y.: Ausschlaggebend waren sicher die Bilder aus den USA,... | |
| ...,solche Bilder gab's schon oft! | |
| L. Y.: Warum genau diese Bilder den Anstoß gegeben haben, kann ich mir auch | |
| nicht ganz erklären. | |
| M. A.: Social Media war sehr wichtig, die Plattformen, über die das viral | |
| ging. Die Jugendlichen hatten ja gar keine Möglichkeit, das Video nicht zu | |
| sehen. Niemand konnte die Augen davor verschließen. | |
| L. Y.: Bislang waren es meistens Einzelpersonen, die diesen Kampf schon | |
| länger führen und ihr Umfeld darüber aufgeklärt haben. Aber das war nie so | |
| effizient, wie in einer so großen Gruppe. Und es tut gut, dass es plötzlich | |
| möglich wird, sich darüber auszutauschen. Das eigene Umfeld ist ja oft gar | |
| nicht so aktiv, wie es nötig wäre. Das führt zu extrem vielen neuen | |
| Kontakten. Ich habe in den letzten sieben Tagen mehr Menschen in Bremen | |
| kennengelernt als in den zwei Jahren, seit ich aus Osnabrück zum Studium | |
| hierhergezogen bin. Man ist auf so viel Support gestoßen! | |
| Ist, was ausgetragen wird, ein Konflikt mit der Polizei, der Gesellschaft | |
| oder beiden? | |
| L. Y.: Natürlich war der Ausgangspunkt die Polizeigewalt, aber uns geht es | |
| darum, das Bewusstsein zu schärfen: Die Leute sollen verstehen, wo | |
| Rassismus anfängt. Es geht nicht nur um offensichtliche Stereotypen und | |
| Beleidigungen. Der unterschwellige Rassismus, der mitschwingt, oft | |
| unbewusst, der ist ein großes Problem. | |
| M. A.: Diese Kleinigkeiten, die sich häufen, werden zu gravierenden | |
| Problemen! | |
| L. Y.: Das ist vielen in der Mehrheitsgesellschaft nicht klar. | |
| M. A.: Ich denke auch, dass der Konflikt ein gesamtgesellschaftlicher ist. | |
| Nicht mal unbedingt bei der Polizei. | |
| Die ist halt nur das Organ, das für die Gesellschaft Gewalt ausüben | |
| darf...? | |
| M. A.: Das ist das Problem, denn sie handelt, wie die Gesellschaft denkt. | |
| Und deren Denken ist rassistisch grundiert. Der eigentliche Konflikt liegt | |
| da, wo die Leute weggucken, sich nicht für einander einsetzen, sagen: „Es | |
| ist doch nicht so schlimm, so schwarz bist du doch auch nicht – reg’ dich | |
| mal nicht so auf.“ Es wird viel gegeneinander gearbeitet, oft fehlt es an | |
| der Bereitschaft, einfach mal zuzuhören, nicht um zu antworten und es | |
| besser zu wissen, sondern um die Erfahrungen einfach mal wahrzunehmen. Es | |
| fehlt oft die Bereitschaft zu lernen. | |
| Was ist Blackness für Sie? | |
| L. Y.: Das ist tatsächlich gar nicht leicht zu sagen. Wir haben darüber mit | |
| vielen in Bremen gesprochen, und die Meinungen gehen da total auseinander: | |
| Die einen finden den Begriff „Schwarzer“ falsch, andere bezeichnen sich | |
| selbst so, weil sie sich mit dem Begriff Afrodeutsche nicht identifizieren | |
| können. | |
| Birgt das die Gefahr von Spaltung? | |
| M. A.: Möglicherweise ja. Es ist manchmal ein sehr schmaler Grat... | |
| ...auf dem sich die Redner*innen bewegen können müssen? | |
| M. A.: Wir sprechen tatsächlich täglich über die Reden – die Ansätze und | |
| unseren Fokus: Was wir ankommen lassen wollen. | |
| L. Y.: Es ist uns wichtig, dass die Reden einen roten Faden haben, damit | |
| die Leute, wenn sie nach Hause gehen, da weiterdenken können. Gerade die | |
| Jugendlichen, die vielleicht nur kommen, um ein Foto zu machen, weil es | |
| gerade ein Trend ist, für die ist das wichtig, damit sie sich damit weiter | |
| beschäftigen. Das wollen wir gerne supporten. | |
| M. A.: ... nicht nur gerne. Auf jeden Fall! | |
| 26 Jun 2020 | |
| ## AUTOREN | |
| Benno Schirrmeister | |
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