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# taz.de -- Bildungsökonomin über Coronafolgen: „Die Lernzeit hat sich halb…
> Schulen in Deutschland meisterten den Lockdown nur mäßig, kritisiert
> Bildungsökonomin Larissa Zierow vom Ifo Zentrum. Das zeigten auch
> Elternbefragungen.
Bild: Wieviel effektive Lernzeit? Junge beim Distanzunterricht im Januar 2021
taz: Frau Zierow, was wissen Sie als Bildungsökonomin darüber, ob Kinder
wegen Corona weniger gelernt haben?
Larissa Zierow: Wir fanden auf Basis von Elternbefragungen heraus, dass
sich die Lernzeit der Kinder während der Schulschließungen im Schnitt
halbierte. Wir hatten zwei Phasen, wo Kinder nicht zur Schule durften, von
März bis Juni 2020 und Mitte Dezember bis März/April 2021. Wir fragten
Eltern, wie die Tage ihrer Kinder aussahen. Vor Corona beschäftigte die
Schule die Kinder mehr als sieben Stunden am Tag, in der Schließung nur
dreieinhalb.
Das heißt weniger lernen?
Ja. Uns fehlen zwar Informationen, wie viel Kompetenzentwicklung es in
Deutschland gab. Die meisten Eltern stimmen aber der Aussage zu: „Mein Kind
hat viel weniger gelernt als sonst.“ Und vor allem Eltern aus eher
benachteiligten Familien sagen: Zu Hause lernt mein Kind pro Stunde viel
weniger als in der Schule.
Können die das wissen?
Wir sind relativ sicher, dass dies nicht weit weg ist von der Realität. Es
gibt eine andere Studie, für die fragte das Forschungsinstitut von der
Bundesarbeitsagentur Gymnasiasten, wie sie ihre Tage im Lockdown
verbrachten. Die Antworten decken sich.
In Hamburg gibt es laut Lernstandserhebung mehr Drittklässler, die schlecht
lesen.
Es gibt jetzt zum Glück einige Erhebungen. Andere Länder wie die
Niederlande machen das im ganzen Land. Dort sieht man den Rückgang sowohl
in Mathe als auch bei Sprachen. Auch schneiden Kinder aus benachteiligten
Verhältnissen schlechter ab als die aus Akademikerfamilien, auch wenn es
die Rückgänge in allen Gruppen gibt.
Die Pandemie ist weltweit. Haben nicht alle Nachteile?
Wohl nirgendwo läuft es in Coronazeiten wie immer. Was uns in Deutschland
enttäuscht: Beim ersten Lockdown fand täglicher Online-Unterricht nur für
sechs Prozent statt. Aber im zweiten Lockdown, wo es ein halbes Jahr
Vorbereitungszeit gab, lief es nicht viel besser. Da hatten immer noch zwei
von fünf Kindern maximal einmal pro Woche Onlineunterricht. Es gelang
Deutschland nicht, für alle den täglichen Kontakt zur Klasse zu sichern.
Anderen Ländern gelang es?
Die legten andere Schwerpunkte. Estland und Finnland verlegten von einem
Tag zum anderen den Unterricht nach Hause, auch weil alle schon die Geräte
hatten. Deutschland war Schlusslicht bei der digitalen Ausstattung. Länder
wie Frankreich hatten eine kürzere Schulschließung. Da schränkten sich die
Erwachsenen ein. In der Schweiz war Homeoffice Pflicht, dafür konnten
Kinder zur Schule. Die unterstützten die Schüler besser. In einer
globalisierten Wirtschaft heißt das, dass Kinder in Deutschland mehr
Nachteile haben könnten.
Und weniger gute Abschlüsse?
Aus ökonomischer Sicht zählen am Ende nicht Abschlüsse, sondern
Kompetenzen. Will man Wirtschaftswachstum erklären, dann sind zum Beispiel
Pisa-Punkte wichtig.
Corona kostet Pisa-Punkte?
Das ist ein Maß, mit dem wir Kompetenzen messen. Haben wir trotz Corona
gleich viele Abiturienten, die aber weniger lernten, kann sich das
wirtschaftlich auswirken: nämlich dann, wenn die Kompetenzen fehlen, um im
Beruf für Produktivität zu sorgen.
Gab es positive Effekte?
Die Mehrheit der Eltern sagt, dass ihre Kinder besser mit digitalen
Technologien umgehen und lernten, eigenständig zu arbeiten.
Was müssen wir tun?
Wir müssen auffangen, dass sich Bildungsungleichheit nach Herkunft
vergrößert. Die war in Deutschland schon vor Corona hoch.
Helfen da die Lernferien?
Dort waren leider nur wenige. Und zwar elf Prozent der Akademikerkinder und
zwei Prozent der anderen. Wir müssen solche Programme niederschwelliger
anbieten. Lehrer sollten Kinder vorschlagen, die teilnehmen.
Hilft nicht mehr Schulzeit?
Ein Schuljahr mehr für alle wäre falsch. Etwa ein Fünftel der Schüler kam
sehr gut zurecht.
Aber für die, die es brauchen?
Für manche wäre es vielleicht am besten, das Jahr zu wiederholen. Lernen
Kinder in der Grundschule nicht die Grundrechenarten, fehlt das später. Die
Lehrkräfte müssten aber vermitteln, dass eine Wiederholung kein Versagen
ist.
7 Oct 2021
## AUTOREN
Kaija Kutter
## TAGS
Schule und Corona
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Unterricht
Hamburg
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Maskenpflicht
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