# taz.de -- Berliner Club SchwuZ wird 40: Politik, Kommerz und ganz viel Glitzer | |
> Die Szene-Institution hat sich seit den Anfängen als „Schwulenzentrum“ | |
> verändert: Früher stieß sie Debatten an, heute wird sie bisweilen von | |
> diesen eingeholt. | |
Bild: „Politik war immer ein Thema im SchwuZ – und immer ein umstrittenes�… | |
An sein erstes Mal im SchwuZ kann sich Florian Winkler-Ohm noch gut | |
erinnern: „Es war Ende der 90er Jahre, bei einem meiner ersten Besuche in | |
Berlin.“ Damals wohnte der heute 38-Jährige im bayerischen Augsburg und | |
besuchte Freunde in der Hauptstadt. „Die sagten: Wir gehen jetzt in so ’nen | |
Kellerclub, der ist ganz in!“ Das SchwuZ war damals noch am Mehringdamm: | |
„Ich kam mir vor wie eine Ölsardine: Es war eng, aber es war eine | |
wahnsinnig gute Stimmung!“ | |
Es war ein folgenreicher erster Besuch damals: Heute ist Florian | |
Winkler-Ohm einer von zwei Geschäftsführern des SchwuZ. | |
Ähnlich folgenreich, aber doch ganz anders war das erste Mal von Heiner | |
Beißwenger. Der heute 61-Jährige ist seit 35 Jahren Archivar des Clubs: „Es | |
war 1977, da war ich 21, hatte gerade mein Coming-Out und großen | |
Redebedarf.“ Deshalb ging er zur HAW, der Homosexuellen Aktion West-Berlin, | |
dem Vorläufer des SchwuZ. „Doch da fand ich niemanden zum Reden, weil die | |
Themen da gar nicht Coming-Out waren, sondern harte politische Diskussionen | |
– von denen ich überhaupt nichts verstand.“ | |
Zwei unterschiedliche Erlebnisse, die für unterschiedliche Zeiten stehen: | |
die Anfangszeit des SchwuZ, in der Politik im Vorder- und Party im | |
Hintergrund stand, und die Gegenwart, in der Politik die Party ergänzt: | |
„Wir sind heute eine GmbH, ein wirtschaftlicher Betrieb mit einem | |
politischen Anspruch“, so Winkler-Ohm. „Manchmal wird das verwechselt.“ | |
Politik war immer ein Thema im SchwuZ – und immer ein umstrittenes. Denn | |
das SchwuZ wollte basisdemokratisch sein, und das bedeutete anfangs auch: | |
Jedes Plenum war offen. „Da ging es heftig zu“, erinnert sich Heiner | |
Beißwenger. „Wenn jemand eine Mehrheit brauchte, brachte er Leute mit, die | |
für ihn stimmten. Beim nächsten Plenum haben dann andere Leute ihre | |
Mehrheiten mitgebracht, so dass wieder anders abgestimmt wurde.“ | |
Aber nicht nur intern wurde politisch miteinander gerungen – das SchwuZ bot | |
auch Gruppen eine Heimat, die politisch nach außen wirkten. „Im SchwuZ hat | |
sich eine schwule Schülergruppe gegründet, außerdem das rosa Telefon, der | |
Vorläufer der Berliner Schwulenberatung, und dann, ganz wichtig: die | |
Siegessäule – das queere Stadtmagazin, das es bis heute gibt“, erzählt | |
Beißwenger. „Das SchwuZ hat die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass | |
diese Gruppen ihre Energie auf ihre Vorhaben konzentrieren können und sich | |
nicht die ganze Zeit fragen müssen: Wo treffen wir uns?“ | |
All das ist lange her, das SchwuZ hat sich verändert. „Es ist natürlich | |
kommerzieller geworden“, gibt Beißwenger zu. „Aber das war notwendig, sonst | |
gäbe es uns jetzt nicht mehr.“ Trotzdem hätten viele Menschen das | |
kritisiert – „und sind deshalb auch ausgestiegen“. | |
Die Kommerzialisierung habe aber auch gute Seiten, meint Geschäftsführer | |
Florian Winkler-Ohm: „Früher haben die Leute für ein paar Freigetränke an | |
der Bar gearbeitet – heute bieten wir über 80 Menschen Arbeitsplätze.“ Das | |
kann Heiner Beißwenger bestätigen: „Ich habe lange jedes Wochenende umsonst | |
geputzt, nur für eine Flasche Sekt als Lohn.“ | |
Trotz so viel Einsatzbereitschaft stand das Projekt SchwuZ immer wieder auf | |
der Kippe – und das nicht nur wegen Geldmangels: „Uns wurden die Räume | |
gekündigt – dann haben wir darum gekämpft, dass sie erhalten blieben“, | |
erinnert sich Beißwenger. Solche Sorgen gibt es heute nicht mehr, auch | |
finanziell geht es dem SchwuZ mittlerweile gut. Florian Winkler-Ohm betont | |
aber: „Wir sind kein hoch lukratives Wirtschaftsunternehmen, und wir haben | |
auch keine riesigen Überschüsse, von denen wir nicht wissen, wohin damit.“ | |
Fast alles, was an Gewinn übrig bleibe, investiere man wieder in den Club – | |
zum Beispiel in Umbauarbeiten, die bald starten sollen. Und man sei sich | |
der sozialen Verantwortung bewusst: „Wir zahlen über dem Mindestlohn, wir | |
zahlen Nachtzuschläge nach Tarif, die über den gesetzlichen Anforderungen | |
sind, und wir denken auch jetzt wieder über eine Lohnerhöhung nach.“ | |
Auch sei das Programm immer wieder politisch – was die eher kommerzielleren | |
Partys möglich machten: „Wir haben große Renner, die uns Gelder | |
verschaffen, die wir in andere Bereiche investieren können.“ So könne das | |
SchwuZ auch Diskussionsabende veranstalten, zu denen nur 30 bis 40 Leute | |
kämen – „und für die wir trotzdem das ganze Personal brauchen: sei es für | |
Tür, Garderobe oder Bar“. | |
Manchmal kommt die Politik aber auch von außen: Erst vor drei Wochen gab es | |
den Vorwurf, SchwuZ-Türsteher*innen hätten Schwarzen Menschen aufgrund | |
ihrer Hautfarbe den Eintritt zu einer Party verwehrt, bei der mit Beyoncé | |
ausgerechnet eine Schwarze Künstlerin gefeiert wurde. | |
Das SchwuZ veröffentlichte daraufhin ein langes Statement auf Facebook – an | |
dem es prompt wieder Kritik gab: weil das SchwuZ die eigenen | |
Befindlichkeiten mehr in den Vordergrund gestellt habe als die der | |
Betroffenen. Zwei Tage später gab es ein zweites Statement, diesmal mit | |
einer eindeutigen Entschuldigung – wirklich geklärt, was genau passiert | |
ist, wurde aber auch dort nicht. | |
Auch jetzt möchte Geschäftsführer Winkler-Ohm nur ungern über das Thema | |
reden, denn: „Egal, was ich sage: Ich verletze entweder die Menschen auf | |
der einen Seite – also die, die Diskriminierung erfahren haben – oder die | |
auf der anderen Seite, also unsere Mitarbeitenden.“ | |
Aber in einem ist er eindeutig: „Es sind Verletzungen entstanden – dafür | |
können wir uns einfach nur entschuldigen.“ Und Winkler-Ohm betont: „Wir | |
haben inzwischen vieles in die Wege geleitet, damit sich so ein Vorfall | |
möglichst nicht wiederholt.“ | |
So habe er zahlreiche in den Konflikt Involvierte an einen Tisch geholt: | |
Vertreter*innen der Menschen, die Diskriminierungen erfahren haben, genauso | |
wie die eigenen Mitarbeiter*innen. Zudem gab es ein Gespräch mit der | |
Organisation „White Guilt Clean Up“, die von Vertreter*innen der | |
Betroffenen vorgeschlagen wurde. Diese wolle noch einmal mit beiden Seiten | |
des Konflikts sprechen und am Ende einen Plan vorlegen, was das SchwuZ in | |
Zukunft besser machen kann. | |
Politische Auseinandersetzungen sind also eine Konstante geblieben in 40 | |
Jahren SchwuZ – vieles andere hat sich aber gründlich geändert. | |
„Der Club ist von einem Wohnzimmer zu einem großen Veranstaltungsort | |
geworden“, sagt Archivar Beißwenger. Für Florian Winkler-Ohm sind es vor | |
allem die Gäste, die sich verändert haben: „Während ich das SchwuZ in den | |
ersten Tagen meiner Berlin-Zeit als sehr schwulen Club wahrgenommen habe, | |
ist es heute hoch divers: Da sind Trans*personen, queerfeministische | |
Personen, Menschen im Rollstuhl, die mittanzen – einen größeren, bunteren | |
Club kann ich mir gar nicht vorstellen.“ Für ihn sei das die schönste | |
Veränderung der vergangenen 40 Jahre. | |
Und in den kommenden 40 Jahren? Winkler-Ohm kann sich vorstellen, dass der | |
Club noch mal umzieht: „Vielleicht in eine Location, wo wir eine | |
Außenfläche haben – so etwas fehlt uns bisher.“ Im derzeitigen Domizil im | |
Neuköllner Rollbergkiez sei das nicht möglich. Im Gegensatz zu einer | |
Erweiterung der Räume, die dort möglich und auch nötig wäre – schließlich | |
ist die Schlange am Eingang oft ziemlich lang. | |
Doch Winkler-Ohm muss vorerst vertrösten: „Vor allem die | |
Brandschutz-Ertüchtigung kostet so viel Geld, dass wir in den nächsten | |
zwei, drei Jahren nicht über eine Erweiterung des Clubs nachdenken können.“ | |
Heiner Beißwenger wünscht sich für die Zukunft vor allem eins: „Dass das | |
SchwuZ allen Leuten eine Heimat bietet, dass die Mitarbeiter gerne dort | |
arbeiten und es einfach weiter so unvergleichlich bunt bleibt, wie es ist.“ | |
Da will ihm auch Florian Winkler-Ohm nicht widersprechen: „Schön wäre es, | |
wenn wir vieles aus der Vergangenheit mit in die Zukunft nehmen könnten: So | |
verkehrt kann ein Club ja nicht sein, der es schafft, 40 Jahre lang zu | |
bestehen.“ | |
26 Jun 2017 | |
## AUTOREN | |
Klaas-Wilhelm Brandenburg | |
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