| # taz.de -- Kritik am queeren Club Schwuz in Berlin: Schwarz, Weiß und Regenbo… | |
| > Vor drei Jahren zog das SchwuZ nach Neukölln. Am Samstag wird das | |
| > Jubiläum gefeiert. Doch der Club steht zunehmend in der Kritik von | |
| > Minderheiten. | |
| Bild: Auch Feiern im Club ist politisch – erst recht im SchwuZ | |
| Freitagnachmittag, kurz nach vier. Für den deutschen Durchschnittsbürger | |
| ist jetzt Schluss mit Arbeit. Marcel Weber muss noch ein bisschen. „Ich | |
| mach so gegen 19 Uhr Feierabend und dann hab ich Wochenende“, erzählt der | |
| 36-Jährige. Selbstverständlich ist das für ihn nicht – denn Marcel Weber | |
| ist der Geschäftsführer des SchwuZ, des ältesten Berliner Clubs für queere | |
| Menschen, und da geht der Betrieb Freitagabend erst so richtig los. | |
| „Die ersten fangen abends um halb elf an, die Bar vorzubereiten“, so Weber. | |
| Um die 30 Mitarbeiter*innen – wenn es besonders voll ist, um die 40 – | |
| schlagen sich die Nacht um die Ohren, damit Schwule, Lesben, bisexuelle und | |
| auch heterosexuelle Menschen dort gemeinsam feiern können. Das SchwuZ ist | |
| häufig voll – doch in letzter Zeit mehren sich die Konflikte. | |
| Sichtbar wurden die zum ersten Mal rund um eine Podiumsdiskussion Ende | |
| September, veranstaltet von den Szene-Magazinen Siegessäule und L-Mag unter | |
| der Überschrift „Gute Lesbe, böse Lesbe“. Auf Facebook kritisierten einig… | |
| dass unter den Diskutant*innen keine lesbische Trans*frau war. | |
| Die Reaktion: Hasskommentare. „Da ging es wirklich unter die Gürtellinie, | |
| und zwar aus allen Facetten der Feindlichkeiten, die es so gibt auf diesem | |
| Planeten“, sagt Weber. Vor allem gegen Lesben und Trans*frauen wurde | |
| gehetzt, so Weber. „Mich persönlich widert das an. Ich kann nicht | |
| nachvollziehen, warum Menschen so sind.“ | |
| Nach den ersten Hasskommentaren kam auch die erste Kritik am SchwuZ: Warum | |
| reagiert der Club nicht, lässt die Diskussion entgleiten? „Wir wurden davon | |
| sehr überrollt“, gibt Weber zu. „Für uns war das in der Art und Weise nic… | |
| vorhersehbar.“ Am Ende werden die schlimmsten Kommentare gelöscht, „mehrere | |
| Hundert am Tag“. | |
| Auch das gefällt einigen nicht. „Mit der Kritik an der Veranstaltung setzen | |
| wir uns stark auseinander, weil uns das ein wichtiges Anliegen ist: zu | |
| gucken, was hätte man da anders machen können und was wir in Zukunft daraus | |
| lernen können“, sagt Weber. In einem jedoch ist er ganz klar: „Wenn es in | |
| Zukunft wieder beleidigende Kommentare gibt, werden wir sie im Zweifelsfall | |
| wieder löschen.“ | |
| ## Ohne schwarze DJs | |
| Der nächste Konflikt, keine zwei Wochen später, wieder auf Facebook. Anfang | |
| Oktober will das SchwuZ eine Soli-Party für die „Black Lives | |
| Matter“-Bewegung veranstalten. Die DJs sollen umsonst spielen, es gibt | |
| keinen Eintritt, stattdessenen entscheidet jeder Gast, wie viel er spendet | |
| – alles geht an Initiativen Schwarzer Menschen. | |
| Diesmal entzündet sich die Kritik an den DJs: fast alle sind weiß. „Wir | |
| hätten das merkwürdig gefunden, People of Color da spielen zu lassen, ohne | |
| sie zu bezahlen“, sagt Weber. Eine nachvollziehbare Haltung. Nur | |
| kommuniziert wurde sie im Vorfeld nicht. „Wir sind da ohne Argwohn | |
| herangegangen, den es sicherlich bedurft hätte, schon bei der Konzeption.“ | |
| Kooperationspartner für die Party sind die Initiative Schwarze Menschen in | |
| Deutschland (ISD) und das Feministische Frauenkollektiv. Beide müssen | |
| kontaktiert werden, bevor ein gemeinsames Statement verfasst werden kann, | |
| das auf die Vorwürfe eingeht. Es dauert, bis es online steht, für so | |
| manchen zu lange, aber dann beruhigt sich die Diskussion. Zumindest auf | |
| Facebook. | |
| Unterdessen gibt es einen Anruf bei der ISD. Der Vorwurf: Die Initiative | |
| wisse nicht, mit wem sie da kooperiere. Denn das SchwuZ, das Marcel Weber | |
| oft als „Schutzraum“ bezeichnet, sei das eben nicht für alle: People of | |
| Color, die eine Trans*-Identität haben, seien dort sexuell belästigt | |
| worden. | |
| Und auch die Podiumsdiskussion aus dem September spielt wieder eine Rolle: | |
| Mit auf dem Podium saß damals Monika Herrmann, die grüne | |
| Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg. Vor allem aus der | |
| Schwarzen Community hagelt es Kritik an ihrem Umgang mit den Flüchtlingen | |
| der Gerhart-Hauptmann-Schule. Und am SchwuZ: Erst biete der Club ihr eine | |
| Plattform, dann wolle es sich mit einer Black-Lives-Matter-Party schmücken, | |
| an deren Konzipierung keine Schwarzen Menschen oder People of Color | |
| beteiligt sind. | |
| „Wenn aus unseren Communities so massive Vorbehalte kommen, dann können wir | |
| natürlich nur schwer sagen, wir bleiben bei der Kooperation“, rechtfertigt | |
| sich Tahir Della aus dem Vorstand der ISD. Deshalb kündigt die Initiative | |
| gemeinsam mit dem Feministischen Frauenkollektiv kurzfristig die | |
| Kooperation auf. Die Party findet trotzdem statt, nachdem auf Facebook ein | |
| ausführliches Statement erscheint. „Learning Solidarity“ heißt die Fete | |
| nun, es wird weiterhin Geld für Black Lives Matter gesammelt. Macht es sich | |
| das SchwuZ damit zu einfach? | |
| ## Nicht nur weiße Schwule | |
| „Als Kompromiss ist das tragbar“, sagt Della. Ursprünglich habe die ISD | |
| eine Absage der Party favorisiert. „Andererseits habe ich natürlich auch | |
| verstanden, dass man eine Party, für die man wochenlang plant, nicht vom | |
| einen auf den anderen Tag absagen kann.“ Am Ende kommen fast 2.200 Euro für | |
| drei Initiativen zusammen. Aber die Vorwürfe gegen das SchwuZ wiegen | |
| schwer, auch innerhalb des Teams, erzählt Marcel Weber: „Ich glaube, dass | |
| es tatsächlich für einige eine sehr berührende Erfahrung war, die auch | |
| emotional geschlaucht hat.“ | |
| So unterschiedlich all diese Auseinandersetzungen sein mögen, sie spiegeln | |
| doch grundsätzlich zentrale Konflikte innerhalb der gesamten queeren Szene | |
| in Deutschland wieder. In dieser gibt es eine Mehrheit, die weiß, männlich | |
| und schwul ist – was man auch bei einem Besuch im SchwuZ schnell merkt. | |
| Schwarze Menschen, Frauen oder Trans*-Personen sind zum Teil deutlich in | |
| der Minderheit. „Das SchwuZ ist aus seiner Historie heraus ein Laden von | |
| vornehmlich weißen schwulen Männern“, weiß auch Marcel Weber. Sie waren es, | |
| die vor fast 40 Jahren den Laden gründeten. | |
| Weber möchte nicht, dass das auf ewig so bleibt. „Heute macht eine Frau bei | |
| uns die Pressearbeit, eine Trans*-Person ist in der künstlerischen Leitung, | |
| und im Club arbeiten Menschen mit verschiedensten Hintergründen – das ist | |
| etwas nichts selbstverständliches.“ Trotzdem bewahre das nicht vor Fehlern: | |
| „Wir haben in vielen Punkten noch zu wenig Expertise.“ Deshalb hole man | |
| sich für manche Veranstaltungen Kooperationspartner wie die Initiative | |
| Schwarze Menschen in Deutschland dazu. | |
| Allerdings will das SchwuZ sich auch von alleine mehr für nicht-weiße | |
| Menschen öffnen. Ab Januar gibt es eine neue Partyreihe, auf der einmal im | |
| Monat vor allem Middle Eastern Beats, HipHop und Trap gespielt werden – | |
| Musikgenres, die man bisher eher selten im SchwuZ hört. „Es war unter | |
| anderem ein Wunsch der queeren Flüchtlingscommunity, mehr ihren eigenen | |
| musikalischen und kulturellen Background repräsentiert zu sehen“, erklärt | |
| Weber. | |
| Auf diesen Wunsch will das Team nun eingehen: „Da geht es sehr viel um die | |
| Einbindung von neuen Menschen, die ins SchwuZ kommen“, sagt Weber. „Wir | |
| wollen uns nicht einfach Dinge aneignen, sondern die Leute tatsächlich | |
| fragen: Was sind eure Bedürfnisse, und sie auch aktiv einbringen als | |
| Performerinnen oder DJs.“ | |
| ## Die falschen Schlager | |
| Schon seit dem Sommer arbeiten zwei queere Geflüchtete als Übersetzer am | |
| Einlass. Der Wille ist also da, sich neuen Gruppen zu öffnen, und nicht | |
| mehr nur Party für weiße schwule Männer zu machen. Trotzdem ist noch viel | |
| zu tun. Als auf der „Learning Solidarity“-Party, die für Schwarze | |
| Initiativen Geld sammelte, Kritikboxen aufgestellt wurden, gab es viel | |
| positives Feedback – aber auch die Frage: „Warum laufen bei euch eigentlich | |
| immer noch rassistische Schlager?“ Auch Marcel Weber selbst kann das nicht | |
| verstehen, gibt er zu: „Es gibt zwei Milliarden andere schreckliche | |
| Schlager, die sich um die seichte Liebe drehen – warum muss dann ein Lied | |
| wie ‚Zigeunerjunge‘ gespielt werden?“ | |
| Noch in diesem Jahr soll es ein Gespräch zwischen der Initiative Schwarze | |
| Menschen in Deutschland und dem SchwuZ geben. „Es soll darum gehen, wo auf | |
| Seiten des SchwuZ problematische Punkte sind, über die man reden muss, wo | |
| es zu Ausschlüssen beispielsweise gegenüber schwarzen Trans*-Menschen | |
| kommt, und wie wir Probleme beheben können“, erzählt Tahir Della. Da könnte | |
| man mit den Schlagern gleich mal anfangen. | |
| 18 Nov 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Klaas-Wilhelm Brandenburg | |
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