| # taz.de -- Berliner Amtsarzt über die Corona-App: „Wir erwarten nichts“ | |
| > Die Corona-App wird Infektionen nicht wirklich eindämmen, sagt Patrick | |
| > Larscheid – etwa, weil sie ungenaue Meldungen produziert. | |
| Bild: Risiko? Oder falscher Alarm? Seit Dienstag ist die Corona-App erhältlich | |
| taz: Herr Larscheid, wem hilft die [1][Corona-Warn-App], die seit Dienstag | |
| heruntergeladen werden kann? | |
| Patrick Larscheid: Aktuell sind die Berliner Gesundheitsämter mit einem | |
| klassischen Problem konfrontiert: Krankheitsausbrüchen bei armen und | |
| benachteiligten Menschen. Diese werden häufiger krank. Wenn nicht alle | |
| Betroffenen lesen und schreiben können, was nutzt dann eine App? | |
| Welche Folgen hat das für Sie? | |
| Das macht mich unruhig, weil ich bemerke, dass die App völlig an der | |
| Realität vorbeigeht. Sie mag für einen elektrorollerfahrenden | |
| Mitte-Bewohner etwas Großartiges sein. Der hat aber auch ein nagelneues | |
| iPhone. Ich glaube, dass wir alle wenig von der App haben, weil sie an | |
| entscheidenden Stellen defizitär ist. | |
| Welche Schwachstellen meinen Sie? | |
| Die App kann nur den Kontakt zwischen zwei Telefonen herstellen, aber nicht | |
| zwischen zwei Menschen. Nehmen wir an, Sie sind in einem Restaurant, haben | |
| ihre Jacke über den Stuhl gehängt und hinter ihnen sitzt eine fremde Frau. | |
| Die Smartphones kommunizieren miteinander, obwohl Sie nur Rücken an Rücken | |
| sitzen. Diese Situation ist für eine Infektion ungefährlich, trotzdem | |
| würden Sie eine Warnung bekommen, sollte die Frau positiv getestet werden. | |
| Die App verrät nur, dass Sie für zwei Stunden Kontakt mit einer infektiösen | |
| Person hatten. Auch das Gesundheitsamt wird ihnen nichts zu der Person | |
| sagen können. | |
| Welche Konsequenzen ergeben sich daraus? | |
| Der entscheidende Unterschied zum persönlichen Rekonstruieren ist, dass | |
| Ihnen niemand individuell sagt, was der Kontakt für Sie bedeutet. Und es | |
| gibt noch einen zweiten Schwachpunkt, der sehr ernst ist: Nicht alle Leute | |
| gehen bei Symptomen direkt zum Arzt. Die App würde bei allen Personen | |
| sagen: Wer heute einen positiven Befund bekommt, ist seit fünf Tagen | |
| ansteckungsfähig. Das kann aber nicht stimmen. Für den einen ist der | |
| Zeitraum zu groß und für die andere ist der Zeitraum zu klein. Die App | |
| würde also zu viel oder zu wenig Personen informieren. | |
| Braucht es also immer das persönliche Gespräch mit dem Gesundheitsamt, in | |
| dem die vergangenen Kontakte durchgegangen werden? | |
| Ich kenne keine Alternative dazu. Nur so kann ich ausschließen, ob eine | |
| Gefahr für eine Person bestanden hat oder nicht. Der erwähnte Kontakt im | |
| Restaurant wäre völlig uninteressant gewesen. Sie hätten sich niemals | |
| anstecken können. So etwas kann man nur klären, wenn alles genau | |
| durchgegangen wird. Ich kann Ihnen in einem Gespräch sehr genau sagen, | |
| welche Situationen gefährlich waren. Wir können differenziert darüber | |
| sprechen, Technik aber muss vereinfachen. Dazu kommt, dass die App eine | |
| Fehlerquote von 20 Prozent hat. | |
| Kann die App dann überhaupt bei der Eindämmung der Neuinfektionen helfen? | |
| Wir haben keine Erwartungen an die App. Die Neuinfektionszahlen sind sehr | |
| niedrig und auf überschaubare Ereignisse zurückzuführen. Von diesen | |
| Ereignissen wissen wir, dass sie nicht in die Allgemeinbevölkerung | |
| überschwappen – wie beispielsweise bei den [2][400 Fleischarbeitern in | |
| Gütersloh]. Diese Arbeiter haben keinen Kontakt zur Bevölkerung, weil sie | |
| dort isoliert leben. Das allgemeine Ansteckungsrisiko ist sehr niedrig. Die | |
| App wird an keiner Stelle beweisen, dass sie Infektionen eingrenzt. Sie | |
| wird sich aber auch nicht als schlecht erweisen. Sie tut eben keinem weh, | |
| aber das scheint den meisten schon zu genügen. | |
| 19 Jun 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jannis Hartmann | |
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