# taz.de -- Begriff „Postfaschismus“: Italienischer Sonderweg | |
> Bei der Italien-Wahl fiel häufig das Wort „Postfaschismus“ für die Part… | |
> Fratelli d’Italia, die sich durchgesetzt hat. Was ist damit gemeint? | |
Bild: Italien, Vorreiter beim Rechtspopulismus in Europa: Wahlgewinnerin Giorgi… | |
Dass Sprechen und Sprache ein sich wechselseitig beeinflussender | |
Aushandlungsprozess ist, der es ermöglicht, zu kommunizieren, ist bekannt. | |
[1][Neue Wörter] in aktuellen Wörterbüchern können Indikatoren für | |
gesellschaftlichen Wandel sein. Ein Beispiel gefällig? 1929 stand das Wort | |
Faschismus das erste Mal im Duden. Das sind exakt sieben Jahre, nachdem die | |
italienische Partito Nazionale Fascista (PNF) unter [2][Benito Mussolini] | |
1922 in Italien an der Regierungsbildung beteiligt war, und drei, nachdem | |
sie sich 1926 zur diktatorischen Staatspartei aufgeschwungen hat, bis sie | |
1943 aufgelöst wurde. | |
„Faschismus“ war eine Eigenbezeichnung des PNF und leitet sich ab vom | |
italienischen fascio, was so viel wie „Bund“ bedeutet. Heute wird mit dem | |
Begriff eine nach dem Führerprinzip organisierte, nationalistische, | |
antidemokratische, [3][rechtsradikale Bewegung] beschrieben. | |
Sieben Jahre sind eine lange Zeit, bevor das Wort sich im deutschen | |
Sprachraum etabliert hatte. Schneller geht das heute im Netz. Seit dem 24. | |
September 2022 gibt es bei Wikipedia einen kleinen Eintrag für das Wort: | |
[4][Postfaschismus]. Er korreliert natürlich mit der Parlamentswahl in | |
Italien, in der die als [5][postfaschistisch bezeichnete Partei Fratelli | |
d’Italia] sich durchgesetzt hat. | |
Postfaschismus, so der Eintrag, soll die politischen Strömungen bezeichnen, | |
die aus dem historischen Faschismus hervorgegangen sind und ihre Wurzeln in | |
diesem Erbe sehen, ohne die existierende demokratische Ordnung umstoßen zu | |
wollen. Demokratische Faschisten also. Das kommt bekannt vor, oder? Genau. | |
Denn hier in Deutschland, in den USA und anderen Demokratien sprechen wir | |
von diesem Phänomen als Rechtspopulismus. | |
## Treffende Beschreibung des Phänomens | |
Die Gründe des italienischen Sonderwegs in der Begriffsbildung liegen | |
darin, dass im Unterschied zu Deutschland kein harter Bruch mit dem | |
Faschismus vollzogen wurde und der Begriff 1948 durch die MSI, | |
Nachfolgepartei der PNF, mit dem Slogan „Nicht leugnen, nicht | |
wiederherstellen“ wieder salonfähig wurde. | |
Als der [6][Rechtspopulismus in Europa] auch medial populär wurde, hatten | |
die Italiener schon längst ihren eigenen Begriff dafür und ergo keinen | |
Bedarf, ihn anzupassen. Vielleicht wäre es nun angebracht, auch im Rest | |
Europas den italienischen Begriff zu übernehmen. Er beschreibt das Phänomen | |
treffender und macht auch die historischen Kontinuitäten offensichtlicher. | |
26 Sep 2022 | |
## LINKS | |
[1] /Natur-in-der-Sprache/!5876652 | |
[2] /Neue-Biografie-ueber-Mussolini/!5280884 | |
[3] /Fratelli-dItalia-werden-staerkste-Kraft/!5883609 | |
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Postfaschismus | |
[5] /Italienische-Politikerin-Giorgia-Meloni/!5870739 | |
[6] /Wahlkampfauftakt-in-Frankreich/!5800149 | |
## AUTOREN | |
Daniel Schütz | |
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