| # taz.de -- Ausstellungsempfehlung für Berlin: Mit der Nase die Stadt erforsch… | |
| > Sissel Tolaas sammelt und erforscht die Gerüche der Weddinger | |
| > Müllerstraße. Die taz sprach mit der Künstlerin und Forscherin. | |
| Bild: Sissel Tolaas, „22“, 2019, Installationsansicht im Projektraum der Sc… | |
| Die Müllerstraße im Wedding, heute dessen Hauptverkehrs- und | |
| Hauptgeschäftsstraße, trägt ihren Namen nicht ohne Grund. Im 19. | |
| Jahrhundert standen dort Mühlen, 22 an der Zahl, hauptsächlich für | |
| Getreide, bis sich Ende der 1850er Jahre der Apotheker Ernst Christian | |
| Friedrich Schering von der Chausseestraße dorthin verlagerte, eine neue | |
| Zeit einläutete sowie die Geburtsstunde des Pharmaunternehmens Schering. | |
| „22“ heißt die zweiteilige Ausstellung, welche die Künstlerin und | |
| Geruchsforscherin Sissel Tolaas vor diesem Hintergrund im [1][Projektraum | |
| der Schering Stiftung] sowie der [2][Galerie Wedding] entwickelt hat. | |
| Die beiden Ausstellungen nähern sich der olfaktorischen Vergangenheit und | |
| Gegenwart der Müllerstraße auf unterschiedliche Art und Weise. Im | |
| Projektraum der Schering Stiftung hängen Glaskolben und Laborapparaturen | |
| von der Decke. Einige stammen aus der historischen Sammlung Scherings, die | |
| sich mittlerweile im Besitz des Technikmuseums befindet. | |
| Duftmoleküle, die Tolaas bei ihren Forschungen gesammelt und isoliert hat, | |
| dampfen aus ihnen heraus, manche angenehmer, manche weniger, und lassen das | |
| Publikum in Tolaas Alltag als Geruchsforscherin hineinschnuppern. | |
| Die Weddinger Ausstellung, die heute eröffnet wird, dringt tiefer vor, | |
| überträgt in die Galerie echte Gerüche von den ehemaligen Mühlenstandorten, | |
| an denen sich heute unter anderem eine Jobagentur, eine Fischfabrik oder | |
| eine Autowaschanlage befinden, und mit diesen Weddinger Lebensrealitäten, | |
| geprägt von der Geschichte des Bezirks. | |
| Einblick (769): Sissel Tolaas, Künstlerin und Wissenschaftlerin | |
| taz: Welche Ausstellung in Berlin hat Sie zuletzt an- oder auch aufgeregt? | |
| Und warum? | |
| Sissel Tolaas: Philippe Parreno im Gropius Bau. Der Bioreaktor zum Beispiel | |
| ist einfach brillant. Die Ausstellung wirft Fragen auf und gibt | |
| gleichzeitig auch Antworten auf Fragen wie: Was ist normal? Was ist Zeit? | |
| Es regt mich auf, wenn ich erlebe, wie ungeduldig der Mensch ist und wie | |
| wir uns total auf den äußeren Schein verlassen. | |
| Zu sehen, wie die Menschen durch die Ausstellung laufen, ohne wirklich | |
| etwas davon zu erfahren und in sich aufzunehmen (weil es eben kaum etwas zu | |
| sehen gibt), zeigt, wie sehr sich die meisten von uns von ihrem Körper und | |
| ihren Sinnen entfremdet haben. | |
| Welches Konzert oder welchen Klub in Berlin können Sie empfehlen? | |
| Berlins Vielfalt zeigt sich sowohl in seinen kulturellen Angeboten als auch | |
| in seinen Institutionen und Klubs. Ich bin ein neugieriger Mensch, also | |
| versuche ich so viel wie möglich von dieser Vielfalt zu erleben, vom | |
| Deutschen Theater und der Berliner Staatsoper bis hin zur Kantine am | |
| Berghain und dem A-Trane. | |
| Ich kann sie alle zu verschiedenen Tageszeiten und an verschiedenen | |
| Wochentagen empfehlen. | |
| Welches Buch begleitet Sie zurzeit durch den Alltag? | |
| „Sphären“ von Peter Sloterdijk und „Elemente und Ursprünge totaler | |
| Herrschaft“ von Hannah Arendt. | |
| Was ist Ihr nächstes Projekt? | |
| Mein nächstes großes Projekt ist eine Geruchsfeldforschungsexpedition nach | |
| Alaska und Grönland im Juni. Parallel dazu arbeite ich zusammen mit | |
| Christina Agapakis, Alexandra Daisy Ginsberg und Ginkgo Bioworks an einem | |
| Projekt zum Thema Pflanzensterben. | |
| Welcher Ereignis des Alltags macht Ihnen am meisten Freude? | |
| Aufwachen und die Welt riechen. Da draußen ist eine ganze Welt, die es zu | |
| riechen gilt und eine ganze Welt, der man das Riechen beibringen muss, | |
| sodass ich kaum noch Zeit zum Schlafen habe, aber für mich gibt es nichts | |
| Schöneres. Mein Geruchsrekorder ist mir wichtiger als mein Handy. | |
| Dieser Text erscheint im taz.plan. Mehr Kultur für Berlin und Brandenburg | |
| immer donnerstags in der Printausgabe der taz. | |
| 17 Apr 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://scheringstiftung.de/de/projektraum/ | |
| [2] http://galeriewedding.de/ | |
| ## AUTOREN | |
| Beate Scheder | |
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