# taz.de -- Eröffnung am Bahnhof Zoo: Roter Teppich für ein Kino | |
> 600 Menschen feierten die Eröffnung des „Delphi Lux“. Die Party war auch | |
> Ausdruck der Hoffnung, dass das Kino an sich eine Zukunft hat. | |
Bild: Strenge Formen, breite Sessel: Blick in einen Saal des Delphi Lux | |
Normalerweise lässt die Filmbranche den Roten Teppich ausrollen, wenn die | |
Premiere eines neuen Streifens ansteht. Normalerweise flanieren die Stars | |
darüber, um anschließend Preise abzuholen oder zumindest anderen dabei | |
zuzuschauen. Am Mittwochabend war alles ein bisschen anders. Da feierte die | |
Branche samt vieler Promis um die Ecke vom Bahnhof Zoo die Eröffnung eines | |
– Kinos. | |
Die Party, die größer ausfiel als von vielen erwartet, war auch Ausdruck | |
einer Hoffnung: Dass da noch was geht auf der Leinwand. Und dass da vor | |
allem vor der Leinwand noch was geht. Dass also auch in Zukunft Leute ins | |
Kino gehen, fürs Filmegucken zahlen und sich nicht nur zu Hause | |
vollstreamen lassen. | |
Sieben Säle und knapp 600 Plätze hat das Delphi Lux, das neue Haus der | |
Yorck-Kinogruppe, untergebracht in den unteren Etagen eines Parkhauses | |
direkt neben dem einstigen Amerika-Haus. Es ist eine Art kleines Multiplex: | |
Gerade mal 140 Zuschauer fasst der größte Saal, das kleinste Kino ist schon | |
mit 36 Menschen proppenvoll. | |
Da ist wenig Platz für Glamour oder prunkvolle Weite wie in den Großkinos à | |
la Zoo-Palast oder International; die Nutzbarkeit steht im Vordergrund, wie | |
Georg Kloster, einer der beiden Geschäftsführer der Yorck-Gruppe, bei der | |
Eröffnung betont. „Kleine Kapazität, große Vielfalt“, fasst er das Konze… | |
zusammen. | |
Die Gruppe, die in Berlin zwölf Kinos betreibt, will auch hier vor allem | |
europäische und US-amerikanische Arthouse-Filme zeigen, und die gerne auch | |
mal ein paar Wochen länger. Dazu sind Filmreihen mit inzwischen auch | |
digital erhältlichen Klassikern geplant und kleine Festivals wie die | |
Russische Filmwoche. | |
Und weil es sich um ein komplett neues Kino und nicht etwa die | |
Wiedereröffnung eines alten handelt, erstrahlt das Delphi Lux in | |
zeitgenössischer Kinoarchitektur. Kein Plüsch, kaum Rundungen, alles ist | |
eher kantig gehalten und viele Säle in nur einem Farbton. Dazu strenge | |
helle Leuchtröhren und weite, großzügig aufgestellte Sitze mit manchmal | |
etwas kratzigem Cordstoff. Das ist für manche Besucher an diesem Abend | |
gewöhnungsbedürftig. | |
„Das Konzept eines Marktplatzes mit vielen verschiedenen Ständen“ sei die | |
Vorlage für die Innenarchitekten gewesen, berichtet Christian Bräuer, der | |
andere Yorck-Geschäftsführer. Lediglich im kleinsten Saal fand eine kleine | |
Reminiszenz an die großen Kinozeiten rund um den Ku’damm ihren Platz: | |
Originalleuchten aus dem nahen Kino Gloria, das trotz Denkmalschutz | |
abgerissen wurde, hängen hier an der Wand. | |
Ob mit der Eröffnung des Delphi Lux der Abwärtstrend für die Kinos (siehe | |
auch Text rechts) am Ku’damm gebrochen ist, ist dann auch die beherrschende | |
Frage unter den 600 Gästen beim Festakt im großen Kino Delphi (das neue | |
wäre dafür zu klein gewesen), darunter Regisseure wie Robert Thalheim, Rosa | |
von Praunheim und Hans-Christian Schmid, Berlinale-Chef Dieter Kosslick und | |
Schauspielerin Iris Berben, dazu zwei Senatoren und der Bürgermeister von | |
Charlottenburg-Wilmersdorf, Reinhard Naumann (SPD). | |
Er sei skeptisch gewesen, als er von den Plänen erfahren habe, gibt Naumann | |
offen zu. Inzwischen aber sei er „sehr zuversichtlich“, dass das „Wagnis�… | |
Erfolg haben werde. Schließlich entwickle sich die Gegend um den | |
Zoologischen Garten mit der 2014 hierher gezogenen Fotogalerie C/O Berlin, | |
dem Museum für Fotografie und eben dem neuen Kino zu einem Zentrum für | |
visuelle Kunst. Dennoch mahnte Naumann die Besucher des Festakts, „nicht | |
nur heute zu feiern“, sondern auch künftig das Kino zu besuchen und zu | |
empfehlen. Auch Berlinale-Chef Kosslick und Iris Berben verbreiteten den | |
gebotenen Optimismus. | |
„Wir waren immer Idealisten und haben oft Kinos gerettet, ohne ein Konzept | |
dafür zu haben“, erzählt Yorck-Geschäftsführer Kloster. Letztlich sei es | |
ihnen stets darum gegangen, jene Filme, „die wir mögen, groß zu zeigen“. | |
Denn nur im Kino können man sich wirklich auf einen Film konzentrieren; es | |
„könne einen zum Träumen bringen, aber eben nicht allein“. | |
Ob die Träume der Yorck-Gruppe an diesem Ort in Erfüllung gehen, hängt | |
nicht nur vom Kino selbst ab: Seit Jahren steigt die Zahl der | |
Independent-Filme, die in Deutschland in den Verleih kommen. Das Angebot | |
ist immer schwerer zu überblicken. Dem kann ein kleines Haus mit vielen | |
Sälen wie das Delphi Lux gerecht werden; es bietet aber keine Orientierung | |
im Filmdschungel. Vielleicht ist diese Diversität die Zukunft; vielleicht | |
ist sie aber letztlich so verwirrend, dass sie Besucher vom Kinobesuch eher | |
abhält. | |
Sicher ist: Seit Donnerstagmittag, 13.30 Uhr, zeigt das Delphi Lux Filme. | |
7 Sep 2017 | |
## AUTOREN | |
Bert Schulz | |
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