# taz.de -- Antideutsche vs Antiimps: Die Entscheidungsschlacht auf Sylt | |
> Die Sehnsucht, den Szene-Beef der Linken per Schlägerei zu beenden, | |
> ergibt Sinn – vor allem nach jahrzehntelangem Scheitern durch Dialog. | |
Bild: Ruhe vor dem Sturm. Bald heißt es schon im Zug nach Sylt: Antideutsche v… | |
Nach meiner [1][letzten Kolumne über den Sturm auf Sylt] (und ob er sich | |
lohnt), erhielt ich eine Leser_innenzuschrift oder vielleicht auch digitale | |
Einladungskarte. Es war ein Foto, das an irgendeinem Provinzbahnhof gemacht | |
wurde, beschriftet mit den folgenden Zeilen: „Antideutsche vs Antiimps. | |
ENTSCHEIDUNGSSCHLACHT.“ Ein Datum, eine Uhrzeit und als Ort: Sylt. | |
Zusätzlich der Hinweis: „keine Waffen, keine Argumente“. | |
Wahrscheinlich beginnen die Provokationen bereits in der Regionalbahn, wo | |
sich die beiden Teams alkoholisiert bei ihrer Anfahrt begegnen. Die | |
Antideutschen in ihren schwarzen Fred-Perry-Polohemden, ihren ill-fitting | |
Jeans und New Balance Sneakern (manche werden das Asics-Update gemacht | |
haben), die Antiimperialist_innen in T-Shirts mit Polit-Aufdruck, Kufiyah | |
um den Hals, ebenfalls schlecht sitzenden Hosen und Turnschuhen | |
(uneinheitlich). Sie werden sich gegenseitig Hässlichkeit vorwerfen. Beide | |
Lager werden im Recht sein. | |
In jedem zweiten Abteil sitzen ein paar Queers mit glänzenden Sport-Shorts, | |
Tanktops, Tennissocken, Plateau-Sandalen und exzentrischem Make-up, die von | |
den Antiimps als „Scheiß-Touris“ und von AntiDs als | |
„Dschihadismus-Apologet_innen“ bezeichnet werden. Die Pinkwashing-Vorwürfe | |
fallen gegenüber beiden Teams. Würde dieser Kampf queer ausgetragen werden, | |
hätten wir einen stundenlangen Vogueing Ball voller geiler Tanzeinlagen, | |
heftigen Outfits und cheeky Konzepten vor uns, aber die meisten sind eh cis | |
hetero. | |
## Residents sichern ihr Eigentum | |
Um sicherzugehen, dass die Antideutschen aus Angst, von stiernackigen | |
Kanaken auf die Fresse zu kriegen, nicht in letzter Sekunde kneifen, wird | |
vorab eine Fight-Club-Area mit verschiedenen Disziplinen angekündigt: Die | |
Stationen teilen sich auf in Backgammon, Armdrücken, Wrestling und | |
Quick-’n’-Dirty-Schlägerei. Beide Mannschaften bringen ihre massivsten | |
Knochenbrecher_innen mit. Während sie sich auf der Insel gegenseitig | |
bekämpfen, sichern die reichen Residents ihr Eigentum, reisen mit | |
Privatjets ab und rufen [2][die Polizei], die ohnehin schon ready war. Die | |
Übernahme Sylts zur roten Zone scheitert, wie die meisten linken | |
Bestrebungen, mal wieder am Israel-Palästina-Konflikt. Es gibt zig | |
Verhaftungen und auf der Rückreise Zoff auf Twitter. Gewonnen hat der | |
Staat. | |
Die Sehnsucht danach, den Szene-Beef der deutschen und österreichischen | |
Linken per Schlägerei zu beenden, ergibt nach jahrzehntelangem Scheitern | |
einer Annäherung durch Dialog oder Argumente Sinn. So mackrig dieser Aufruf | |
klingt, birgt er einen Hauch von Zärtlichkeit, den sich keine_r der beiden | |
Lager jemals eingestehen würde. Du kannst niemaus aufs Maul geben, ohne die | |
Person anzufassen. Eine Rauferei kann ein homoerotischer Playfight sein, | |
eine innige Umarmung, die intensivste Dimension von Reibung, die existiert. | |
Was, wenn es einen heißen Schwitzkasten braucht, um die Verachtung ins | |
Gegenteil kippen zu lassen? | |
2 Jun 2022 | |
## LINKS | |
[1] http://Sylt,%20wir%20kommen! | |
[2] /Abschaffung-der-Polizei/!5689584 | |
## AUTOREN | |
Hengameh Yaghoobifarah | |
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