| # taz.de -- Afghanistan-Anhörung im US-Kongress: Fehler, Schuld und Vorwürfe | |
| > Eine Anhörung im Militärausschuss des US-Senats offenbart Widersprüche | |
| > zwischen US-Militär und Präsident Biden zum Truppenabzug aus Afghanistan. | |
| Bild: Unter Druck: US-Generalstabschef Mark Milley bei der Afghanistan-Anhörun… | |
| New York taz | Von „strategischem Scheitern“, von „unangenehmen | |
| Wahrheiten“, von „schwerwiegenden Fehleinschätzungen“ und von | |
| „Glaubwürdigkeitsverlusten bei unseren Alliierten“, war die Rede, als sich | |
| am Dienstag drei Generäle, von denen einer gerade US-Verteidigungsminister | |
| ist, vor dem Militärausschuss des US-Senats zu dem [1][Truppenabzug aus | |
| Afghanistan] äußerten. „Der Feind ist in Kabul“, sagte der höchstrangige | |
| Militär der USA, Generalstabschef Mark Milley, in ungewöhnlichem Klartext: | |
| „es ist offensichtlich, dass der Krieg nicht endete, wie wir das wollten“. | |
| Zugleich machte das Hearing Meinungsunterschiede zwischen der militärischen | |
| und der politischen Führung der USA rund um den Truppenabzug deutlich. | |
| „Meine ehrliche Meinung: Ich habe empfohlen, dass wir 2.500 Soldaten in | |
| Afghanistan behalten“, sagte Milley. General Kenneth McKenzie, der | |
| zuständige US-Kommandeur für die Region, versicherte: „Wir wollten, dass | |
| 2.500 Soldaten in Afghanistan bleiben“. | |
| Beides kontrastiert mit den Worten von US-Präsident Joe Biden. Der hatte im | |
| August angesichts des Chaos in Kabul in einem Interview mit dem TV-Sender | |
| ABC erklärt: „Niemand hat mir geraten, mit 2.500 Soldaten in Afghanistan zu | |
| bleiben“. | |
| Mehrere Republikaner im Militärausschuss stürzten sich auf diesen | |
| Widerspruch. Der US-Präsident solle zurücktreten, weil er nicht auf seine | |
| Generäle gehört und weil er gelogen habe, verlangte die Senatorin aus | |
| Tennessee, Marsha Blackburn. Tom Cotton, Senator aus Arkansas, wollte im | |
| selben Aufwasch auch Milley loswerden. „Warum sind Sie nicht | |
| zurückgetreten, nachdem der Präsident Ihren Rat nicht befolgt?“ fragte er. | |
| Milley, der in Uniform mit fünf Reihen von kleinen Abzeichen auf der linken | |
| Brustseite zu dem Hearing gekommen war, antwortete mit militärischer | |
| Disziplin: „Der Präsident entscheidet. Es wäre ein unglaublicher Akt | |
| politischer Missachtung, wenn ein Offizier zurücktreten würde, nur weil | |
| sein Rat nicht befolgt wird.“ | |
| ## In 20 Jahren Präsenz das Land nicht verstanden | |
| Vor dem Ausschuss begründeten Milley und McKenzie ihren Wunsch nach | |
| Verlängerung der Truppenpräsenz in Afghanistan damit, dass sie | |
| Kontrollmöglichkeiten und Einblicke am Boden behalten wollten. „Wir können | |
| Fahrzeuge und Maschinengewehre vom Weltraum aus zählen“, sagte Milley, | |
| „aber wir können nicht messen, was in den Herzen der Menschen vorgeht“. | |
| Doch der Auftritt von Verteidigungsminister [2][Lloyd Austin], der sich am | |
| Dienstag ebenfalls den Fragen der Senatoren stellte, zeigte, wie wenig sein | |
| Land in den 20 Jahren seit dem Beginn der Invasion von Afghanistan | |
| verstanden hat. 800.000 US-Soldaten waren in Afghanistan. Zu ihnen gehörte | |
| auch General Austin, bevor Biden ihn zum Verteidigungsminister machte. Aber | |
| als Chef des Pentagon war Austin dennoch völlig überrascht von dem | |
| schnellen Kollaps des Militärs und der Regierung in Afghanistan binnen elf | |
| Tagen. „Wir haben nicht voll verstanden, wie begrenzt die Bereitschaft des | |
| afghanischen Militärs war, weiter zu kämpfen“, bekannte der Minister vor | |
| dem Ausschuss. | |
| Vor dem Ausschuss nannten die Generäle die Evakuierung von 124.000 Personen | |
| aus Afghanistan binnen weniger Tage im August einen „außerordentlichen | |
| logistischen Erfolg“. Doch diese Leistung verdeckt nach Milleys Ansicht | |
| nicht das „strategische Scheitern“. Ob ein früherer Beginn der | |
| Evakuierungen geholfen hätte, ließ er offen. | |
| Hingegen war er überzeugt, dass ein Verbleib von US-Militärs in Kabul über | |
| den 31. August hinaus erneut Krieg mit den Taliban bedeutet hätte. Und dass | |
| das afghanische Militär auch einen späteren Abzug der US-Truppen nicht | |
| überlebt hätte: „Wir haben es nicht geschafft, starke Institutionen | |
| aufzubauen“, sagte er. Stattdessen hätte sein Land ein afghanisches Militär | |
| ausgebildet, das abhängig von Lieferungen aus den USA war. | |
| Republikaner im Ausschuss bemühten sich wiederholt, Biden und dessen | |
| „überstürzten“ Abzug aus Afghanistan für den Tod von 13 US-Militärs bei | |
| einem [3][Bombenanschlag] Ende August vor der US-Botschaft in Kabul | |
| verantwortlich zu machen. Milley folgte ihnen nicht auf diese | |
| parteipolitische Ebene. Er erinnerte daran, dass [4][Trump] im Herbst 2020 | |
| bereit war, ohne jede Bedingung abzuziehen. Und er nannte das „strategische | |
| Scheitern“ eine „Folge von Entscheidungen der zurückliegenden 20 Jahre“. | |
| Er sagte auch, dass die Zahl der Opfer in den Reihen des US-Militärs und | |
| die Risiken für zurück gebliebene US-Staatsangehörige bei einem längeren | |
| Verbleib der US-Truppen gestiegen wären: „Nahezu mit Sicherheit“ hätte es | |
| einen weiteren Anschlag gegen US-Truppen gegeben. | |
| 29 Sep 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Dorothea Hahn | |
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