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# taz.de -- Abtreibungsrecht in Irland: London ordnet Gratisservice an
> Nordirland ist langsam bei der Umsetzung des Abtreibungsrechts. Viele
> wissen nicht mal von ihrem Anspruch darauf. Das soll sich nun ändern.
Bild: Demonstration für das Recht auf Abtreibung in Nordirland, London 2019
Dublin taz | Die britische Regierung hat die Geduld mit Nordirland
verloren. Der in London für die Krisenprovinz zuständige Minister Chris
Heaton-Harris hat angeordnet, dass die Belfaster Regionalregierung einen
umfassenden und kostenlosen Service für Schwangerschaftsabbrüche einrichten
muss. Er beschuldigte das nordirische Gesundheitsministerium der
„fortdauernden Tatenlosigkeit“. Es sei nicht richtig, dass Frauen und
Mädchen ein Service vorenthalten werde, auf den sie einen gesetzlichen
Anspruch haben. Auch die Vereinten Nationen hatten erklärt, dass die
britische Regierung die Rechte von Frauen in Nordirland verletze.
Geld stehe ab sofort zur Verfügung, um Krankenhauspersonal zu rekrutieren
und auszubilden. London werde in der ersten Phase bis März 2025 das Geld
bereitstellen, erklärte der Torie Heaton-Harris. Danach sei die nordirische
Regionalregierung selbst für die Finanzierung zuständig.
Obwohl [1][Nordirland nicht auf der Insel Großbritannien] liegt, gehört es
zum Vereinigten Königreich. In der dortigen Regierung ist seit 50 Jahren
ein Ministerium für Nordirland verantwortlich. Die Abtreibungsgesetzgebung
ist zwar Sache der Regionalparlamente. Aber die nordirische Regierung in
der Hauptstadt Belfast war schon im Oktober 2019 zerstritten und ihre
Arbeit lag quasi auf Eis. Darum hatte das [2][Londoner Unterhaus bereits
damals das nordirische Abtreibungsgesetz liberalisiert] und die in
England, Wales und Schottland schon lange geltenden Regelungen auf
Nordirland ausgeweitet.
Bis dahin galt in Nordirland eines der schärfsten Anti-Abtreibungsgesetze
Europas. Nordirische Frauen mussten mit Strafverfolgung rechnen, wenn sie
einen Schwangerschaftsabbruch einleiteten. Drei Jahre nach der
Liberalisierung sind sich viele Menschen – darunter auch Mediziner –
dennoch nicht sicher, ob man für Abtreibungen strafrechtlich belangt werden
könne. Nicht mal die Hälfte der nordirischen Frauen weiß, dass
Schwangerschaftsabbrüche legal sind, hat Amnesty International bei einer
Umfrage festgestellt. Nur zehn Prozent wissen, wie sie die medizinische
Unterstützung in Anspruch nehmen können.
## Nach jahrelanger Verschleppung dauert es noch immer
Gráinne Teggart, die stellvertretende Direktorin von Amnesty International
in Nordirland, sagt, das Ergebnis der Umfrage sei zwar schockierend, aber
nicht überraschend. „Die Regierung hat die Einführung des Service seit
Jahren verschleppt“, sagte sie.
Die Gynäkologin Laura McLoughlin, eine Mitbegründerin der Organisation
Doctors for Choice, fügte hinzu: „Es ist inzwischen legal, dass Frauen bis
zur 12. Schwangerschaftswoche sich nicht nur über Abtreibungen informieren,
sondern die Schwangerschaft in Nordirland auch abbrechen lassen dürfen.“
Allerdings rechne sie damit, dass es noch eine Weile dauert, bis der
Service in vollem Umfang zugänglich sein wird. Laut McLoughlin wird der
Entwicklungsprozess nicht wie geplant bis zum April nächsten Jahres
abgeschlossen sein.
Robin Swann von der Ulster Unionist Party, der bis zur Auflösung des
Belfaster Parlaments Ende Oktober Gesundheitsminister war, hatte stets
behauptet, die Mehrparteienregierung müsse die Liberalisierung des
Abtreibungsgesetzes absegnen. Das wäre allerdings wenig aussichtsreich,
denn die Democratic Unionist Party (DUP), die stärkste unionistische Kraft,
hätte dem nie zugestimmt.
Das muss sie auch nicht, lautet das Urteil der Londoner Regierung im Mai:
Das Belfaster Gesundheitsministerium könne selbständig entscheiden.
Gleichzeitig bevollmächtigte London den Nordirlandminister damals, den
Service für Schwangerschaftsabbrüche selbst in die Wege zu leiten, falls
die Regionalregierung versage. Das hat der konservative Heaton-Harris nun
getan.
Die Gesellschaft zum Schutz ungeborener Kinder (Spuc) hat Klage gegen die
Abtreibungsverordnung eingereicht. Der für Anfang November anberaumte
Gerichtstermin ist auf den 23. Januar verschoben worden. Es gilt als
unwahrscheinlich, dass der Spuc-Klage stattgegeben wird.
9 Dec 2022
## LINKS
[1] /Nordirland-Konflikt-und-Grossbritannien/!5856440
[2] /Abtreibung-in-Nordirland/!5634664
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
## TAGS
Schwerpunkt Abtreibung
Tories
Nordirland
Vereinigtes Königreich
Hexen
Irland
Paragraf 218
Nordirland
sexueller Missbrauch
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