# taz.de -- Abgeordneten-Patenschaften für Iran: Grüne halten sich zurück | |
> Zahlreiche deutsche Abgeordnete haben Patenschaften für politische | |
> Gefangene in Iran übernommen. Die Grünen sind verhältnismäßig schwach | |
> vertreten. | |
Bild: Diese Aktivistinnen nahmen im Oktober 2022 an einer Großdemonstration in… | |
BERLIN taz | „Bitte macht weiter so. Das hören wir sehr oft aus dem Iran“, | |
sagt Mariam Claren. Gemeinsam mit Daniela Sepehri hat sie ein [1][Programm | |
für die Vermittlung von Patenschaften für politische Gefangene] in Iran | |
initiiert. | |
Ehrenamtlich koordinieren die beiden Aktivistinnen dieses Programm, bei dem | |
sie Patenschaften an Abgeordnete aus Bund, Ländern und aus dem Europäischen | |
Parlament vermitteln. Aktuell haben bundesweit 338 Abgeordnete eine solche | |
Patenschaft übernommen. „Wir bekommen viele Informationen aus den | |
Gefängnissen“, sagt Claren. „Und immer viel Lob.“ | |
Das Programm, so die beiden Aktivistinnen, wird in Iran wertgeschätzt und | |
rettet Leben. Denn Aufmerksamkeit hilft: Bei einigen Gefangenen haben sich | |
kurz nach der Aufnahme ins Patenschaftsprogramm die Haftbedingungen | |
geändert – so wurden beispielsweise die beiden Journalistinnen Nilufar | |
Hamedi und [2][Elahe Mohammadi], kurz nachdem Pat*innen begonnen hatten, | |
sich für sie einzusetzen, aus der Isolationshaft geholt. Andere Gefangene | |
wurden auf Kaution freigelassen, bei wieder anderen wurde eine Berufung | |
zugelassen. | |
Das Programm der Patenschaften hält Dieter Karg, Iran-Experte bei Amnesty, | |
für eine „gute Initiative“. Denn es „sei wichtig, den Druck auf die | |
iranische Führung aufrechtzuerhalten und ihr zu zeigen, dass ihre Taten | |
genau beobachtet werden“. Es sei „auch den Patenschaften zu verdanken, dass | |
dieses Mal die Namen und die Geschichten der Protestierenden, die in Haft | |
und von der Todesstrafe bedroht sind, einer breiteren Öffentlichkeit | |
bekannt sind“, so Karg. Das Programm bringt nach Ansicht von Amnesty keine | |
zusätzlichen Risiken für die mit der Todesstrafe Bedrohten mit sich – „im | |
Gegenteil“. | |
Dass Aufmerksamkeit Risiken mit sich bringe – diese Behauptung scheint | |
manche Abgeordnete im Deutschen Bundestag zu besorgen. Vor allem eine | |
Fraktion der Ampelregierung ist zurückhaltend mit der Annahme von | |
Patenschaften: die Grünen. | |
## Schlusslicht in der Ampel | |
Claren und Sepehri haben in den vergangenen Wochen eine spürbare | |
Verunsicherung bei Abgeordneten der Grünen wahrgenommen. Diese | |
Verunsicherung zeigt sich auch in Zahlen: Aus der grünen Bundestagsfraktion | |
haben 21 Abgeordnete Patenschaften übernommen. Bei der SPD sind es 76, bei | |
der kleineren FDP-Fraktion sind es 25. Aus der Opposition machen 32 | |
Abgeordnete der Union und 10 der Linkspartei mit. | |
Die grüne Zurückhaltung könnte daran liegen, dass wiederholt Warnungen | |
bezüglich der Patenschaften ausgesprochen wurden. So schrieben unter | |
anderem die Abgeordneten Lamya Kaddor und Jürgen Trittin im Dezember in | |
einer E-Mail an ihre Fraktionskolleg*innen, die Abgeordneten sollen das | |
„bestehende Risiko“ beachten, das die Übernahme einer Patenschaft auf die | |
Vollstreckung von Todesurteilen haben könne. Es sei „eine mögliche Gefahr�… | |
dass das iranische Regime Todesurteile durch die Sichtbarkeit „sogar | |
früher“ umsetze. Belegt werden diese Behauptungen nicht. | |
Am Freitag vergangener Woche lud die Menschenrechtsbeauftragte der | |
Bundesregierung, Luise Amtsberg, ebenfalls Grüne, zu einem | |
überfraktionellen Abgeordnetentreffen ein, um die Patenschaften zu | |
besprechen. Auch in ihrer Einladung zu diesem Treffen war von „Grenzen und | |
Risiken“ politischer Patenschaften die Rede. | |
Angesichts der Fragen bei einigen Abgeordneten ist so ein überfraktionelles | |
Treffen sicherlich ein sinnvolles Angebot. Auffällig ist jedoch, dass | |
Sepehri und Claren – um deren Programm es vorrangig ging – bei dieser | |
Veranstaltung nicht dabei waren. Im Bundestagsbüro von Norbert Röttgen | |
(CDU), der ebenfalls eine Patenschaft übernommen hat, wunderte man sich, | |
dass Sepehri und Claren auf der Einladung nicht erwähnt wurden, und bat das | |
Büro von Amtsberg, die beiden einzuladen. Der Bitte wurde nicht | |
nachgekommen. | |
## Spekulationen über das Auswärtige Amt | |
Auf Anfrage erklärte das Amtsberg-Büro aber, dass man Sepehri und Claren zu | |
einer weiteren Austauschrunde einladen wolle. Aus Kreisen der | |
Teilnehmer*innen an der Besprechung am Freitag heißt es, Amtsberg habe | |
dort erklärt, dass die Verstimmung nicht beabsichtigt gewesen sei. Sie habe | |
das ehrenamtliche Engagement von Sepehri und Claren explizit gelobt. | |
Woher die Behauptungen stammen, dass die Übernahme von Patenschaften das | |
Leben der Gefangenen gefährden könnte, darüber lässt sich nur mutmaßen. | |
Claren vermutet, dass die Warnungen auch aus dem Auswärtigen Amt kommen | |
könnten. Ihre Mutter ist seit 2020 politische Gefangene in Iran. „Mir hat | |
das Auswärtige Amt auch immer geraten, nicht an die Öffentlichkeit zu | |
gehen“, berichtet Claren. | |
Weder sie noch Sepehri vermuten dahinter böse Absichten. Sondern | |
möglicherweise schlicht eine Politik der öffentlichen Zurückhaltung | |
gegenüber dem iranischen Regime, die das Auswärtige Amt unabhängig von | |
seiner jeweiligen Führung seit Jahren vertritt. Diese Linie, die manche | |
Beobachter*innen für falsch halten, scheint sich mit der aktuellen | |
Protestbewegung nicht verändert zu haben. Das Ministerium bestätigte das | |
auf Anfrage der taz. | |
„Natürlich muss man auch mal die Füße stillhalten“, sagt Mariam Claren. | |
Gemeinsam mit Abgeordneten überlegen sie und Sepehri denn auch genau, wann | |
Öffentlichkeit gut ist und wann Schweigen wichtiger ist, zum Beispiel | |
unmittelbar vor einem Gerichtstermin. „Man muss nicht pauschal laut sein“, | |
sagt sie. | |
Das bestätigt auch der Iran-Experte von Amnesty: „Natürlich muss in jedem | |
Einzelfall abgewogen werden, ob öffentliche Aktionen oder nichtöffentliches | |
Agieren Gefangenen am besten hilft oder eventuell sogar schaden könnte“, | |
sagt Dieter Karg. „Unsere Erfahrung aus jahrelangem Einsatz für Gefangene | |
ist aber, dass Öffentlichkeit oft schützen kann.“ | |
Eines steht jedenfalls fest: Die politischen Gefangenen in Iran werden, | |
auch dank der Patenschaften, nicht vergessen. | |
29 Jan 2023 | |
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## AUTOREN | |
Gilda Sahebi | |
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