| # taz.de -- Journalistinnen in Iran vor Gericht: Prozess statt Preisverleihung | |
| > Der Tod Mahsa Jina Aminis wäre ohne Hamedi und Mohammadi nicht so | |
| > öffentlich geworden. Nun klagt Iran sie an – und offenbart damit eigene | |
| > Schwächen. | |
| Bild: Haben ihre Arbeit gut gemacht: die Journalistinnen Nilufar Hamedi und Ela… | |
| Wien taz | Im Ausland werden sie gefeiert: Im April zählte das Time-Magazin | |
| die Iranerinnen Nilufar Hamedi und [1][Elahe Mohammadi] zu den 100 | |
| einflussreichsten Persönlichkeiten des vergangenen Jahres. Anfang Mai wurde | |
| ihre Arbeit mit dem Pressefreiheitspreis der Unesco gewürdigt. Und im Juni | |
| hätte Hamedi als Finalistin beim True Story Award, einem globalen | |
| Journalismuspreis, nach Bern in die Schweiz reisen sollen. | |
| Doch sowohl Hamedi als auch Mohammadi sitzen seit September 2022 | |
| abwechselnd [2][im Evin-Gefängnis für politische Gefangene] und dem | |
| Frauengefängnis Quarchak in Teheran fest. Das, wofür sie im Rest der Welt | |
| mit Ehrungen überschüttet werden – kompromisslose Arbeit als Reporterinnen | |
| –, macht sie in ihrem eigenen Land zu Staatsfeinden. | |
| Nun, acht Monate nach ihrer Festnahme, hat der offizielle Prozess gegen die | |
| beiden Journalistinnen begonnen – am Montag gegen Mohammadi, am Dienstag | |
| gegen Hamedi. Die Anklagepunkte: Kooperation mit den „feindlichen“ USA, | |
| Verschwörung gegen die nationale Sicherheit und Propaganda gegen das | |
| islamische Regime. Die Verhandlungen finden unter Ausschluss der | |
| Öffentlichkeit statt. | |
| Tatsächlich hätte die Welt ohne die beiden Journalistinnen wohl nie vom | |
| [3][Tod Mahsa Jina Aminis] erfahren. Die junge Frau war im September 2022 | |
| in ein Teheraner Krankenhaus eingeliefert worden, nachdem die iranische | |
| Sittenpolizei sie wegen ihres „schlecht gebundenen Hidschabs“ festgenommen | |
| und misshandelt hatte. | |
| ## Dutzende Journalisten verhaftet | |
| Kurz bevor sie am 16. September verstarb, fotografierte sie Hamedi, eine | |
| Journalistin der reformorientierten iranischen Tageszeitung Shargh, im | |
| Koma. Das Foto zeigte deutliche Gewaltspuren an Aminis Kopf. Mohammadi, | |
| Journalistin bei der iranischen Tageszeitung Hammihan, berichtete daraufhin | |
| von Aminis Begräbnis in ihrer Heimatstadt Saqez. | |
| Die Nachricht ihres gewaltsamen Todes löste [4][heftige Aufstände im ganzen | |
| Land] aus, die zum Teil noch immer anhalten. [5][Proteste gegen das Regime | |
| gab es auch früher schon, dieses Mal aber richtete sich die Wut erstmals | |
| direkt gegen die islamistische Staatsordnung.] Frauen verbrannten ihre | |
| Hidschabs, junge Männer schlugen den Mullahs die Turbane von den Köpfen, | |
| religiöse Seminare gingen in Flammen auf. | |
| Die islamistischen Hardliner verteidigen ihre Macht mit ungebrochener | |
| Härte. Mehr als 500 Demonstranten wurden bislang getötet; erst am 19. Mai | |
| wurden drei weitere Demonstranten hingerichtet. | |
| Von Beginn an traf die Repression auch kritische Berichterstatter. Nach | |
| Angaben des Komitees zum Schutz von Journalisten (CPJ) wurden seit Beginn | |
| der Protestbewegung mindestens 95 Journalisten verhaftet. Viele kamen vor | |
| ein sogenanntes Revolutionsgericht, eine pseudojuristische Einrichtung, die | |
| in der Islamischen Republik dazu dient, politische Gegner ohne | |
| rechtsstaatliche Hindernisse zu bestrafen – so auch Nilufar Hamedi und | |
| Elahe Mohammadi. | |
| Ihren Verhandlungen wird Abolghassem Salavati als Richter vorstehen, der | |
| wegen seiner unverhältnismäßigen Urteile als Blutrichter bekannt ist. | |
| Sollte er die Anklagen bestätigen, dann drohen den Journalistinnen | |
| langjährige Haftstrafen bis hin zur Todesstrafe. | |
| ## Ausländische Medien in Iran | |
| „Den Angeklagten und ihren Anwälten wurden weder der Gerichtstermin | |
| mitgeteilt noch die Möglichkeit gegeben, sich vor der Verhandlung zu | |
| treffen und sich abzusprechen“, gab Hamedis Ehemann auf Twitter bekannt. | |
| Mit dem Durchgreifen gegen kritische Journalisten versucht das Regime | |
| offensichtlich, die Kontrolle über ein Narrativ zurückzuerlangen, das ihm | |
| zunehmend entgleitet. Statt amerikanischer Flaggen sieht man in Iran | |
| inzwischen häufiger die Fahnen der Islamischen Republik selbst brennen. | |
| Ob die Rechnung des Regimes aufgeht, ist jedoch fraglich. Während selbst | |
| gemäßigt kritische, reformorientierte Inlandsmedien ausgeschaltet werden, | |
| greifen immer mehr Iranerinnen und Iraner über VPNs und illegales | |
| Satellitenfernsehen auf soziale Medien und persischsprachige Auslandssender | |
| zurück wie Iran International, Manoto oder BBC Persian. Dort gibt es weder | |
| rote Linien noch Zensur, die Iraner erfahren täglich Neues über die Lügen | |
| und Gewaltexzesse ihrer Regierung – und die Wut im Land wächst weiter. | |
| 30 May 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Teseo La Marca | |
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