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# taz.de -- 30 Jahre CCC: Gemeinsam gegen die Großmächte
> Vor 30 Jahren gründete sich der Chaos Computer Club - in der "taz". Heute
> ist er so weit etabliert, dass sogar Bundesrichter auf seine Expertise
> setzen.
Bild: Gar nicht so chaotisch: Besucher beim 27. CCC-Kongress in Berlin.
BERLIN taz | Auch Geeks pflanzen sich fort. Ohne Spielecke und Kindercamp
kommt heute keine Veranstaltung des Chaos Computer Clubs mehr aus.
Wie sagt man einem Kind, dass es den Mund für den Brei öffnen soll?
"Geschweifte Klammer auf." Babyfütterung als Programmierschleife, auf diese
Idee kommen nur Menschen, die viel Zeit vor dem Computer verbringen. Nur
Frauen, die sind beim CCC immer noch selten. Im Vorstand sitzen nur Männer,
die - oft im schwarzen Kapuzenpulli - auch die Veranstaltungen dominieren.
Nicht weniger als "die Weltherrschaft" strebe der Club an. Constanze Kurz
lacht. "Aber das kommt natürlich erst, nachdem wir die Frauen besser
integriert haben." Kurz zählt sich "mindestens" zur vierten Generation der
CCCler. "Technik und Politik hängen ja oft zusammen. Da wollen wir halt
dahinterkieken", sagt sie. Und nimmt in breitem Berlinerisch den Schrecken
der Komplexität aus der Technik, die sich sonst hinter Abkürzungen und
Fachdiskursen versteckt.
Nicht, dass sie nicht beides könnte. Aber gemeinsam mit dem zweiten
Club-Sprecher, Frank Rieger, hat Kurz es geschafft, dass Politiker,
Journalisten und Verbände bei Internetthemen um den Club nicht mehr
herumkommen.
## "Wir als Komputerfrieks"
Während man früher selbst Klinken putzen musste, stehen nun politische und
staatliche Institutionen Schlange. Auch das Bundesverfassungsgericht fragte
schon mehrfach an. Als es vom CCC 2007 eine Stellungnahme über Wahlcomputer
anforderte, war wieder eine Hürde genommen. "In dem Moment war das ziemlich
ernst", sagt Constanze Kurz.
"Erst als das erledigt war, haben wir angefangen, darüber zu flachsen, dass
wir die Bundesrepublik gehackt haben." Gehackt? "Na ja, das war ja mehr so
Sprachhacking", sagt sie und lacht. Man müsse ja die Sprache der
Institutionen treffen, nicht die der Clubmitglieder, wenn man etwas
bewirken wolle.
Drei Jahrzehnte sind vergangen, seit am 7. September 1981 in einem kleinen
Text in der taz aufgerufen wurde: "Damit wir als Komputerfrieks nicht
länger unkoordiniert vor uns hinwuseln, tun wir wat und treffen uns." Als
elektronische Geräte jeder Art und insbesondere der Rechner in weiten
Teilen der alternativen Szene noch verpönt waren, setzten sich die Gründer
des Chaos Computer Clubs zusammen, um Alternativen zu zentralisierter
digitaler Machtstruktur zu diskutieren. "Tuwat war im Wesentlichen, mal
miteinander zu reden", sagt Constanze Kurz.
Wer heute zum Chaos Computer Camp oder zum alljährlichen Kongress geht,
erlebt professionelle Veranstaltungen, die die Szene zusammenbringen. Die
diskutiert, was sie interessiert, bewegt und stört. Nur die Frage, was man
tun kann, die scheint vor lauter Erstaunen über Politik und Wirtschaft
manchmal etwas in den Hintergrund zu rücken.
## Mehrgenerationenprojekt CCC
"We lost the war" hieß ein vielbeachteter Vortrag beim Chaos Communication
Congress 2005. CCC-Sprecher Rieger versuchte, die Hackergemeinde
wachzurütteln: Der Kampf um Privatsphäre und Bürgerrechte sei verloren. So
richtig widersprechen wollten damals nur wenige.
Aber sieben Jahre später hat der Club immer noch nicht aufgegeben. "Aus
Ärger und Empörung erwachsen oft Projekte", sagt Constanze Kurz. Der Club
plant politisch nicht langfristig. Der Club macht, wenn die Mitglieder dies
wollen und sich Engagierte finden.
Was die Gründer zusammenbrachte, ist das, was auch die heutige, vierte oder
fünfte Generation CCC ausmacht - die Freude an Technik und die Kritik am
kritiklos konsumistischen Umgang mit ihr. Und natürlich die Treffen. Für
manche Mitglieder ist der Club Familienersatz.
Kurz sieht den Club als Mehrgenerationenprojekt: "Am Ende gehts immer auch
um Informations- und Wissensaustausch, da ist es wichtig, dass die
Althacker ihr Wissen auch an die Jüngeren weitergeben."
Und wenn Wau Holland, eine der wichtigsten Figuren der Clubgründung, noch
leben würde, wäre er sicherlich noch aktiv dabei, sagt Kurz. Er prägte das
Gewissen des Clubs: "Keine Hacks für Geld" oder "Wir machen das Gegenteil
von grobem Unfug. Wir machen feinen Fug" sind zwei seiner ethischen Werte,
die seit seinem Tod von einer Stiftung bewahrt werden.
Ob diese Ethik von allen Mitgliedern eingehalten wird? Eher nicht.
Tatsächlich ist der Club bei allen kleineren Erfolgen noch keine
Erfolgsgeschichte. Dass Hacken kein Verbrechen ist, das ist kein
Allgemeingut geworden. Stattdessen werden heute alle möglichen Sorten von
Netzwerk-Angriffen Hackern zugeschrieben. Guter Hacker, schlechter Hacker -
das Problem wird den CCC noch einige Zeit begleiten.
## Anonymous und Lulzsec
Frank Rieger sagt, auf Hacker- und Protestgruppen wie Anonymous und Lulzsec
angesprochen, dass er sich so etwas wie eine "Digitale Armee Fraktion"
vorstellen kann, die Aktionen von Anonymous wären ein Vorgeschmack.
Zumindest, wenn Politik und Wirtschaft weiterhin so ahnungslos-ignorant
beziehungsweise kolonialistisch-kontrollfixiert mit den digitalen Themen
umgingen. Und dann würde es sehr hässlich.
Der Club ist immer stark von einzelnen Personen geprägt worden. Während
Constanze Kurz und Frank Rieger dem Verein als Sprecher ihren Stempel
aufdrücken, haben sie eigentlich keine Vereinsfunktion. Auch Andy
Müller-Maguhn war von 1990 bis 2003 Sprecher des Clubs. In seine Zeit fällt
die Pubertät des Clubs. Er ist inzwischen in den Vorstand gewechselt, dem
vor allem Mitglieder der zweiten und dritten Clubgeneration angehören.
Erstmals seit Jahren trat er im bizarren Streit mit Daniel Domscheit-Berg,
dem Ex-Wikileaks-Helfer, Katzenliebhaber und OpenLeaks-Initiator vor
wenigen Wochen wieder in Erscheinung. Und erweckte mit seiner öffentlichen
Kritik an Domscheit-Berg und dessen neuem Projekt bei manchen Mitgliedern
den Eindruck, hier würden alte Animositäten auf dem Rücken des Vereins
ausgetragen.
Doch kann das den CCC ernsthaft beschädigen? Den Verein, dessen Mitglieder
oft und gern Verschwörungstheorien zelebrieren, weil das
Vorstellungsvermögen, das ihnen technisch viel ermöglicht, der Politik
ähnlich viel Kreativität und Fantasie zuschreibt?
## "Der Gilb war das Hassobjekt"
Die CCCler wissen, dass Technik immer wieder auch für politische Ziele ge-
oder missbraucht wird. Der Club, er besteht wie beim Tuwat-Treffen nach wie
vor vor allem aus Menschen, die von der Technik kommen, sagt Kurz:
"Technikfolgenabschätzung und Programmieren gehört bei uns zusammen."
Am Anfang war es die Bundespost. Modems, die den Datenverkehr in
Telefonleitungssignale übertrugen und noch offiziell von der Post
zugelassen werden. "Der Gilb war das Hassobjekt, die haben überall gestört
und gefiltert und alles teuer gemacht", sagt Kurz.
Heute sind die Feindbilder andere: der Staat als Datensammler, private
Datenfresser. Die Telekommunikationskonzerne gehören immer noch dazu. Ob
Netzneutralität oder Vorratsdatenspeicherung: Ihre Infrastruktur ist ein
maßgeblicher Hebel in Gestaltung und Überwachung der Netze. Viele Fragen
hatten die Tuwat-Teilnehmer schon aufgeworfen. Doch die Baustellen sind
fast alle noch da. Man wird sich wohl weiter zum Quatschen treffen müssen.
12 Sep 2011
## AUTOREN
Falk Lüke
## TAGS
Roboter
Schwerpunkt Chaos Computer Club
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