| # taz.de -- Understatement im DFB-Team: Neue deutsche Sachlichkeit | |
| > Nicht nur Joachim Löw spricht von Seriosität und Demut. Auch seine | |
| > Spieler tun alles, um nicht abzuheben. Das ist schon fast gespenstisch. | |
| Bild: Ein bisschen feiern ist erlaubt, trotz aller Demut. | |
| SÃO PAULO taz | Noch in der Nacht, in der Argentinien in São Paulo ins | |
| Finale einzog, drangen erste Reaktionen des deutschen Teams nach außen. | |
| DFB-Pressechef Jens Grittner twitterte Zitate von Bundestrainer Joachim Löw | |
| in die Welt. „In der Offensive haben sie überragende Spieler wie Messi und | |
| Higuaín. Wir werden uns gut vorbereiten und freuen uns auf Rio.“ | |
| Die deutsche Nationalmannschaft hat mit ihrem Fußball zuletzt die ganze | |
| Welt verblüfft, mit ihren Analysen und Erkenntnissen – wie der Fall Löw | |
| zeigt – gelingt ihr das weniger. Es wird großer Wert auf absolute | |
| Sachlichkeit gelegt. Wobei diese Maßgabe in einer Radikalität verfolgt | |
| wird, die dann doch wiederum ein wenig überraschend ist. | |
| „Seriös“ war das Lieblingswort unter den deutschen Spielern nach dem kaum | |
| glaubhaften [1][7:1-Erfolg gegen Brasilien]. Mats Hummels etwa sagte: „Es | |
| war wichtig, dass wir seriös spielen und nicht irgendwelche Faxen machen, | |
| versuchen Zaubertricks oder Vorführungen darzubieten.“ Auch Thomas Müller, | |
| Philipp Lahm und natürlich Löw hoben die Seriosität hervor, die man nach | |
| der frühen 5:0-Führung gezeigt hätte. Es war auffällig, wie sich alle | |
| jegliche Triumphgefühle verbaten. | |
| Und etwas seltsam wirkten nach diesem historischen Ereignis die | |
| Understatements schon. Ein perfektes Spiel sei das „auf keinen Fall“ | |
| gewesen, erwiderte Hummels auf Nachfrage. So etwas würde es wahrscheinlich | |
| niemals geben. „Aber davon waren wir auch schon mal weiter weg wie heute“, | |
| ergänzte er. Und es huschte ihm bei diesen Worten nicht einmal ein Grinsen | |
| über das Gesicht. | |
| ## Serös auch im Spiel | |
| Diese Seriosität haben die deutschen Spieler tatsächlich auf ihr Spiel | |
| übertragen. Gegebenenfalls wird sie eben bis zum für den Gegner bitteren | |
| Ende durchgezogen. Man hat auch aus dem traumatischen Schweden-Spiel | |
| gelernt, bei dem man trotz einer 4:0-Führung sich mit einem Remis begnügen | |
| musste. Mit ihrer Ballsicherheit sondieren die deutschen Nationalspieler | |
| ganz nüchtern die Situation, bevor sie plötzlich mit einem Risikopass die | |
| gegnerische Abwehr aushebeln. | |
| Oft haben sie dann auch einen gewinnbringenden Sinn für das | |
| Unkonventionelle. Hummels hob zu Recht zwei der sieben Treffer gegen | |
| Brasilien hervor: „Das war phantastisch, wie wir vor dem zweiten und dem | |
| vierten Tor den Ball noch einmal quergelegt haben. Chapeau vor den Jungs da | |
| vorne! Darauf kommen nicht viele, das so zu machen.“ | |
| Sachlich schön! Das ist kein Widerspruch, auch wenn man im Fußball lange | |
| Zeit das Schöne eher mit Leidenschaft und Herz in Verbindung gebracht hat. | |
| Aber bereits die Spanier, die in den letzten Jahren den Weltfußball | |
| dominierten, hatten diese Nüchternheit und Rationalität in ihre Spielkunst | |
| implantiert. Und deren Protagonisten Iniesta und Xavi waren ebenfalls nie | |
| Freunde der großen Worte. | |
| Diese neue deutsche schöne Sachlichkeit konnte man gerade bei der Partie | |
| gegen Brasilien wie unter einem Vergrößerungsglas studieren. Die emotional | |
| so aufgewiegelten Seleção-Spieler verdeutlichten den Unterschied um so | |
| mehr. Denn ihr ungeordnetes Auftreten schien frei von irgendwelchen | |
| Überlegungen zu sein. Mit Wucht wollten sie das Spiel bestimmen. Kühl | |
| ließen sie die Deutschen ins Leere laufen und übernahmen selbst die Regie. | |
| „Sie haben uns einen phantastischen Rhythmus aufgedrängt“, erklärte | |
| Brasiliens Trainer Felipe Scolari nach der Begegnung. | |
| Automatisiert, geradezu maschinell, wirkten die Abläufe des anmutigen | |
| Spiels der DFB-Kicker. Es ist eine seltsame Mischung, die in ihrer | |
| Konsequenz in Belo Horizonte fast schon gespenstisch anmutete. | |
| ## Ähnliche Argentinier | |
| Gegen Argentinien allerdings dürften sich kaum solche Gegensätze auftun. | |
| Die Mannschaft von Alejandro Sabella hat bislang einen überaus | |
| kalkulierten, wenn auch wenig schönen Fußball bei diesem Turnier gespielt. | |
| Aber das haben die Deutschen schon längst realisiert. Sie werden sich | |
| gewiss nicht von ihren Glücksgefühlen übermannen lassen. | |
| „Ich habe keine Euphorie gesehen“, erklärte Joachim Löw nach dem Halbfina… | |
| und sprach stattdessen von der „nötigen Demut“. Auch Kroos sagte, die | |
| Stimmung sei nicht „euphorisierend“, weil man von seinem großen Ziel noch | |
| ein Schritt entfernt wäre. Und er relativierte den größten Erfolg der | |
| deutschen Fußballgeschichte: „Die Spielweise der Brasilianer ist der | |
| Mannschaft sehr entgegengekommen.“ | |
| Da war sie wieder, die notorische Sachlichkeit, mit der man im | |
| Maracanã-Stadion am Sonntag in Rio de Janeiro den vierten | |
| Weltmeisterschaftstitel holen will. Und selbst auf die nun nicht mehr von | |
| der Hand zu weisenden Favoritenrolle, welche die Deutschen nun innehaben, | |
| konterte Kroos kühl: „Brasilien war vor dem Turnier auch Favorit. Es geht | |
| nicht darum, wer Favorit ist, sondern wer es am Ende zeigt. Mir ist es | |
| egal, ob wir im Finale Favorit sind oder nicht. Wir müssen einfach eine | |
| gute Leistung zeigen.“ | |
| 10 Jul 2014 | |
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| ## AUTOREN | |
| Johannes Kopp | |
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