| # taz.de -- Moderatoren bei Olympiaeröffnung: Horrorshow am Mikrofon | |
| > Der Gegensatz könnte nicht größer sein: Die Eröffnung der Olympischen | |
| > Spiele war überwältigend, die deutschen Moderatoren hingegen null | |
| > inspiriert, kein bisschen eloquent und gnadenlos inkompetent. | |
| Bild: Zu hoch für Wolf Dieter Poschmann: Die elegante Flügelshow – eines de… | |
| Noch viele Worte über den [1][Auftakt] nötig? Alles gesagt. Cool, britisch, | |
| ein Dokument des Stolzes, das Epizentrum der Popkultur immer schon gewesen | |
| zu sein – inklusive einer Art Deko, die aus dem Olympiastadion so eine Art | |
| Ökobauernhof-Wellnesspark machte. | |
| Very kitschy, das Gegenteil von dem, was Briten als German Weltschmerzyness | |
| bezeichnen: Aber das ließe sich auch über irgendeine der publikumsbeliebten | |
| Royalty-Shows sagen. Die TV-Bilder vom Geburtstag der Königin in London im | |
| Juni waren auch schon beeindruckend. | |
| Was sie allerdings erst genießbar machen, sind Kommentare von Experten, von | |
| kundigen Menschen, die voll sind mit Wissen und erfüllt von der Aufgabe, | |
| dieses auch möglichst elegant uns, den Zuschauern, nahezubringen. Etwa, um | |
| beim Monarchischen zu bleiben, Rolf Seelmann-Eggebert. | |
| Okay, dieser NDR-Mann ist echter Journalist, kein | |
| Hau-den-Lukas-Sport-Promoter – aber von ihm ist die Geschichte überliefert, | |
| dass er erstens die Royals alle kennt und, was wichtig ist, wiedererkennt, | |
| wenn sie ins Bild kommen. | |
| Und dass er vor einer Übertragung tagelang die Gesichter quasi auswendig | |
| lernt. Dieser Mann weiß immer, welche Bedeutung eine Person hat, schreitet | |
| sie St. Pauls Cathedral ein – er ist ein Transporteur von ethnologischer | |
| Konkretion, ließe sich sagen. Mit anderen Worten: ein Journalist, der nicht | |
| an eigenen Klischees hängt und informiert ist. | |
| Das lässt sich nun endgültig über Wolf-Dieter Poschmann nicht sagen. Er ist | |
| erkennbar kein Journalist, er ist Entertainer hinter dem Mikrofon, und das | |
| auch noch enervierend uninformiert. An seiner Seite saßen Christian Keller, | |
| einst Schwimmer, und Katrin Boron, einst Ruderin. Beiden lässt sich kein | |
| Vorwurf machen: Sie haben sich ja nicht selbst gecastet für diese Jobs. | |
| ## Uninformiert und desinteressiert | |
| Aber das ZDF und Poschmann: eine Horror- und Schauergeschichte, in der | |
| olympischen Mediengeschichte beinah beispiellos. Wobei sich das „beinah“ | |
| lediglich darauf bezieht, dass es in den sechziger Jahren schon schlimmer | |
| gewesen sein könnte, aber das lässt sich momentan nicht überprüfen. | |
| Jedenfalls: Sein Job wäre gewesen, zunächst die zeichensatte Show vor dem | |
| Einmarsch der 204 Länder zu dechiffrieren. Und was tat er? Erging sich | |
| Tremolohafte. Wie immer, man kennt ihn ja vom Eisschnelllaufen und von der | |
| Leichtathletik, zu laut und zu sehr ins eigene Wort vertieft. Immerhin: Sir | |
| Simon Rattle wusste er zu erkennen, auch Mr. Rowan Atkinson mit seinem | |
| coolen Slapstick im Orchester, das Vangelis' Thema von „Chariots of Fire“ | |
| intonierte. | |
| Übel nehmen muss man Poschmann und seinen KompagnEusen unbedingt, dass sie | |
| übers Schwimmen und Rudern sprachen, meist jedoch die Männer und Frauen aus | |
| den Delegationen nicht erkannten. Mag sein, dass man nicht alle | |
| Fahnentragenden der 204 Länder kennen muss – aber darf man das, | |
| hochbezahlt, nicht verlangen, etwa zu erklären, was es mit den Staatenlosen | |
| auf sich hat? Und warum wurden Länder übergangen, zum Beispiel Südafrika, | |
| das mit der 800-Meter-Läuferin Caster Semenya voranging? | |
| Oder oder oder: Poschmann und seine Assis kommentierten, als säßen sie bei | |
| einem Dorfsportfest auf der Tribüne, bei dem es nicht zählt, ob da nun der | |
| Bürgermeister im Publikum sitzt oder bloß der Stadtkämmerer. | |
| Oder irre ich mich? Seelmann-Eggebert hätte auch diese Personen gekannt. | |
| Poschmann, man hörte es heraus, hat sich auf diese Show offenbar keine | |
| einzige Minute vorbereitet. Und wahrscheinlich gab es auch kein Team, das | |
| ihm die 204 FahnenträgerInnen durchrecherchiert. | |
| ## Der tapfere Sigi | |
| War das ZDF also zu geizig, die Kosten für solche Recherchen zu übernehmen? | |
| Ist es unerheblich, die kleinen Länder nicht zu kennen – recht eigentlich | |
| kein Interesse an ihnen zu haben? Und wenn das stimmt: Worüber freut sich | |
| Poschmann eigentlich, wenn er wie am Anfang der Sendung behauptet, er freue | |
| sich auf die London-2012-Tage? | |
| Speist sich das interessierte Vergnügen nicht vor allem daraus, dass man | |
| unbedingt alles wissen will über jene, die sonst im mitteleuropäischen | |
| Deutschland nicht so im Aufmerksamkeitskegel stehen? | |
| Sigi Heinrich, nur nebenbei, war ein tapferer Kommentator auf Eurosport. | |
| Man hörte quasi heraus, wie er die Pressebroschüre – „Commentators Manual… | |
| wie es in der Fachsprache heißt – durchpflügte und las und sich doch | |
| verhedderte. Kriegte Mittelalter und Frühkapitalismus durcheinander, nannte | |
| aber Namen wie Karl Marx und sprach das Wort „Revolution“ aus, auch wenn er | |
| gleich anfügte, dieses nicht so sehr zu mögen. | |
| Nein, das darf man dem adorablen Sigi Heinrich nicht ankreiden: Er musste | |
| politisch werden, so wie es die Show nahelegte, und er tat das aufrecht und | |
| tapfer. Auch er erkannte nicht sehr viele der einlaufenden AthletInnen, | |
| aber er würdigte die Königin wenigstens angemessen. | |
| Auch das ist Poschmann: null Inspiration in Sachen Elizabeth II. – und | |
| überhaupt keine Hinweise auf Modisches, auf Accessoires. Er ist einfach ein | |
| splittriger Holzklotz des Reportagewesens, ohne Eleganz und mit einer | |
| Eloquenz, die auf die Register der mitteltemperierten Desinteressiertheit | |
| plus Grölerei geeicht scheint. Was für ein Betrug: Jeder Journalist, jede | |
| Journalistin mit Herz und Verständ hätte uns die Magie dieses | |
| Eröffnungsabends kompetenter nähergebracht. | |
| 28 Jul 2012 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jan Feddersen | |
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