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# taz.de -- Wettmanipulationen im Fußball: Razzia bei Italiens Nationalelf
> 19 Festnahmen und zahlreiche Durchsuchungen: Italien treibt die
> Ermittlungen im Wettskandal voran. Ein Nationalspieler steht unter
> Verdacht – und fliegt aus dem Kader.
Bild: Domenico Criscito (r.) galt bei der italienischen Nationalelf eigentlich …
MAILAND taz | Die Aufregung in Fußballitalien ist groß. In der Nacht auf
Pfingstmontag wurden 19 Personen verhaftet. Zudem kam es zu zahlreichen
landesweiten Razzien. Besondere Aufmerksamkeit erregten dabei vor allem die
Verhaftung des Nationalspielers und Kapitäns des Klose-Klubs Lazio Rom,
Stefano Mauri, und Razzien auf dem Trainingsgelände der Squadra Azzurra und
im Haus von Juves Meistertrainer Antonio Conte.
Zeitlich besser arrangiert hätten die von der Staatsanwaltschaft Cremona
angeordneten Maßnahmen gar nicht sein können. Nur wenige Tage vor dem
Jahrestag der ersten Verhaftungswelle im Wettbetrugsskandal im
italienischen Fußball und genau im Morgengrauen des Tages, an dem der
Zweitligaspieler Simone Farina, der einen versuchten Betrug angezeigt
hatte, seinen Belohnungsbesuch bei der Squadra Azzurra ableisten sollte,
erschien auch die Polizei auf dem Trainingsgelände in Coverciano. Sie
durchsuchte in einer dreistündigen Razzia die Sachen des Verteidigers
Domenico Criscito. Er gehört zum EM-Kader von Trainer Cesare Prandelli und
hatte gute Aussichten auf eine Berufung in den 23er-Kreis. Am Montag teilte
jedoch Demeterio Albertini, der Verbandsvizepräsident mit, Criscito sei
aufgrund der Ermittlungen aus dem Aufgebot gestrichen worden.
Dem aktuell bei Zenit Sankt Petersburg unter Vertrag stehenden Profi werden
die Bildung einer kriminellen Vereinigung und Sportbetrug vorgeworfen. Dies
betrifft Ereignisse in der Saison 2010/11, als er noch beim Serie-Verein
CFC Genoa unter Vertrag war. Criscitos Agent Andrea DAmico versuchte die
Anschuldigungen zwar aus der Welt zu schaffen. „Ich habe Mimmo heute morgen
gesprochen. Er ist aus allen Wolken gefallen, weil er mit dieser Sache gar
nichts zu tun hat“, wurde DAmico im Corriere della Sera zitiert.
In Bedrängnis ist Criscito aber dennoch. Gegen ihn spricht vor allem ein
Treffen nur wenige Tage vor dem mehrfach verdächtigten Spiel Lazio - Genua.
Die Besitzer einer Genueser Kneipe ließen am Schließtag ihres
Etablissements neben Criscito auch dessen erst in der Winterpause zu Lazio
Rom gewechselten früheren Mannschaftskollegen Giuseppe Sculli, ein bereits
arrestiertes mutmaßliches Mitglied einer Wettbetrügerbande aus Südosteuropa
und zwei Fananführer des CFC Genoa ein. Einer der Hooligans soll dem
Corriere della Sera zufolge auch Protagonist der Ausschreitungen am 22.
April gewesen sein. Erboste Fans hatten beim Stand von 0:4 gegen Siena die
Spieler dazu gebracht, ihre Trikots abzugeben. Erst ein spektakuläres
Einschreiten von Sculli - er kletterte auf die Absperrungen und diskutierte
mit einem Fanboss - brachte den Mannschaftskollegen die Trikots zurück und
führte zu einer Spielfortsetzung. Der damalige Held Sculli gehört jetzt
ebenfalls zu den Verdächtigten im Wettbetrugsverfahren. Er ist aber nicht
in Haft.
Härter traf es den Ex-Genua-Spieler Omar Milanetto und Lazio-Kapitän
Stefano Mauri, der nicht zum aktuellen EM-Aufgebot gehört. Beide mussten am
Pfingstmontag ins Gefängnis. Ihnen werden die Bildung einer kriminellen
Vereinigung und Sportbetrug vorgeworfen. Auch die Mitte Mai erstmals
öffentlich geäußerten Verdachtsmomente gegen Juve-Trainer Conte fanden nun
ihre Bestätigung. Der frühere Profi des AC Siena, Filippo Carobbio, hatte
ausgesagt, Conte hätte als Siena-Coach von zwei abgesprochenen Spielen
seines Vereins gewusst und die Spieler entsprechend instruiert. Conte
negierte bislang jede Verstrickung. Sollten sich die Anschuldigungen
bestätigen, dürfte Juventus ohne seinen Cheftrainer auskommen müssen.
Sperren von mindestens drei Monaten für unterlassene Anzeige von
Manipulationen sieht das Reglement vor. Aktive Absprache wird noch härter
geahndet.
Im Trainingscamp der Nationalmannschaft können die Auswahlkicker sich nun
Rat bei den WM-Helden von 2006 holen. Die sollten ausgerechnet am
Pfingstmontag für moralische Unterstützung sorgen. Jetzt sind Tipps
angebracht, wie Cannavaro & Co. 2006 die Schmach des Moggi-Skandals in
Treibstoff für den WM-Sieg ummünzten.
28 May 2012
## AUTOREN
Tom Mustroph
## TAGS
Fußball
Schwerpunkt Fußball-EM 2024
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