# taz.de -- Spielerstreik in Italien: Lügen, Flucht und Schattenmänner | |
> Miese Geschäfte gibt es nicht nur in der Serie A. Viertligist Milazzo | |
> wird deswegen sogar von den eigenen Spielern bestreikt. | |
Bild: Der SS Milazzo Calcio: Ein Mosaik aus Lügen und Skandalen. Die streikend… | |
MILAZZO taz | Der Calcio fault schon in den Eingeweiden. Bis in die vierte | |
Liga hinunter geht der Versuch, durch Betrügereien Geld zu erbeuten. | |
Jüngstes Opfer ist der SS Milazzo Calcio. Von August bis Oktober wurden | |
dort keine Spielergehälter gezahlt. Bälle fehlten, Sportbekleidung auch. | |
Die Spieler traten in den Streik. | |
„Lo Monaco ist wie Toto Riina. Er ist ein Padrino. Er ist ein größeres Übel | |
als Luciano Moggi“, schimpft lautstark Fabio. Der vierschrötige Kerl fährt | |
in seiner Empörung über den alten und neuen Schattenpräsidenten seines | |
Lieblingsklubs schwere Geschütze auf. | |
Ob er recht hat, den aktuellen Sportdirektor der US Palermo und ehemaligen | |
starken Mann von Catania Calcio, Pietro Lo Monaco, auf eine Stufe mit | |
Siziliens oberstem Mafiaboss und gar über den früheren | |
Schiedsrichterbestecher in Juventus-Diensten zu stellen, ist nicht ganz | |
klar. Fakt ist jedoch, dass einiges verquer läuft bei diesem Viertligisten. | |
Die Spieler – Halbprofis mit einem Mindestgehalt von 1.000 Euro – bekamen | |
monatelang kein Geld. Ihnen drohte, wegen Mietrückständen auf die Straße | |
gesetzt zu werden. Der Klub bezahlte nicht einmal das Trainingslager. | |
Milazzo machte nationale Schlagzeilen. Die unrühmliche Krönung des Ganzen | |
war, dass Ende September der damalige Vereinspräsident Giuseppe Peditto im | |
Kofferraum eines Autos versteckt aus dem Stadion floh, um den heftigen | |
Nachfragen der Fans zu entgehen. | |
## „Er lügt mit Krankheiten“ | |
„So etwas habe ich noch nicht erlebt“, schüttelt Marc Lewandowski den Kopf. | |
Der in Marseille geborene Mittelfeldspieler mit Serie-B-Erfahrung erzählt | |
der taz von einem Klubchef, der sich am Tag der Kofferraumflucht noch auf | |
Knien vor der Mannschaft niederließ und mit Tränen in den Augen um Geduld | |
bat. Am nächsten Tag ließ Peditto die Mannschaft wissen, dass er das Geld | |
nicht bringen könne, weil er eine Chemotherapie anzutreten hätte. „Er lügt | |
mit Krankheiten, die anderen Menschen den Tod bringen“, so Lewandowski. | |
Auch Pippo Midili ist nicht gut auf Peditto & Co. zu sprechen. Auf dem | |
Tisch des Sportdezernenten der Kommune häufen sich die Rechnungen von | |
Trainingsstättenbetreibern, Gastwirten und Hoteliers, die angeben, dass der | |
SS Milazzo ihnen Geld schulde. | |
Auf insgesamt 120.000 Euro beziffert Midili die Außenstände. „Der Ruf | |
unserer Stadt ist nachhaltig geschädigt“, sagt Midili. Eingreifen will er | |
nicht. „Einer Kommune ist es nicht erlaubt, einen Profiklub zu führen. Und | |
das ist auch gut so. Sonst würden es Mode werden, Verluste aus dem | |
Fußballgeschäft den Kommunen anzulasten, die Gewinne aber zu | |
privatisieren“, meint Midili. | |
Gewinne gibt es durchaus. Auch in der vierten Liga. „Der Verband zahlt für | |
Einsatzzeiten von Nachwuchsspielern Prämien. Es stehen auch noch | |
Erfolgsprämien aus der letzten Saison sowie die Fernsehgelder aus. Das sind | |
ungefähr 450.000 Euro. Die will der Besitzer sich womöglich in die Tasche | |
stecken und dabei die Ausgaben so gering wie möglich halten, spekuliert | |
Mittelfeldspeler Lewandowski. | |
Auch um solch einer Gaunerei vorzubeugen, traten die Spieler in Streik. Man | |
muss ihnen zugute halten, dass sie das alte Kampfmittel der Arbeiter | |
wählten, um ihre Gehälter einzufordern, und nicht aufs in Italien | |
epidemisch verbreitete Verfahren auswichen, Spiele an die Gegner zu | |
verkaufen und Extragewinne durch Wetteinsätze zu generieren. | |
## Triumvirat von Gnaden Lo Monacos | |
Mittlerweile ist Präsident Peditto zurückgetreten. Das alte Triumvirat von | |
Gnaden Lo Monacos hat die Geschäfte erneut übernommen. Die Spieler bekamen | |
die Gehälter für Juli und August ausgezahlt. „Im November sollen die für | |
die folgenden Monate kommen“, erzählt Lewandowski. | |
Ist jetzt alles auf einem guten Weg? Kauf- und Rückkkaufsummen des Vereins | |
sind nicht einmal Sportdezernent Midili bekannt. Die Gerüchte sprechen von | |
10.000 bis 300.000 Euro. Die Tifosi halten den Zwischenpräsidenten Peditto | |
für genauso einen Strohmann Lo Monacos wie die alte und neue Besitzercrew | |
des Klubs. „Lo Monaco will sich nur die Prämien sichern“, vermutet Fanboss | |
Fabio. Für die These spricht, dass trotz zweifachen Besitzerwechsels die | |
Kontonummer, auf die die Lega Pro die Prämien für SS Milazzo zahlte, stets | |
dieselbe blieb. | |
23 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Tom Mustroph | |
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