| # taz.de -- Italienischer Fußball: "Niemand muss aus Not wetten" | |
| > Der Drittligafußballer Fabio Pisacane erstattet als erster Spieler im | |
| > italienischen Wettskandal Anzeige. Ein Gespräch über Moral, Gier und | |
| > Wettverbot. | |
| Bild: Fabia Pisacana als U21-Nationalspieler 2006. | |
| Im krisengeschüttelten italienischen Fußball ist Fabio Pisacane so etwas | |
| wie ein Held. Es war im April 2011, zwei Monate vor Bekanntwerden des | |
| Wettskandals. Damals spielte Pisacane beim Drittligisten Lumezzane, zeigte | |
| einen Manipulationsversuch an und verzichtete dabei auf schnell verdiente | |
| 50.000 Euro. | |
| Der 26-Jährige selbst sieht sich hingegen als einen Menschen, der etwas | |
| ganz Normales getan hat - und den Jungs aus seinem berüchtigten | |
| Heimatviertel in Neapel ein positives Beispiel geben wollte. | |
| taz: Herr Pisacane, wie hat sich Ihr Leben durch diese Episode geändert? | |
| Fabio Pisacane: Ich bin gestärkt daraus hervorgegangen. Meine Kollegen | |
| haben mich beglückwünscht. Die Spielergewerkschaft AIC stand mir bei und | |
| hat mir einen Preis verliehen. Auch die Fifa hat mein Engagement anerkannt | |
| und mich zum Botschafter ernannt. | |
| Noch vor Wochen waren Sie aber ziemlich sauer, dass alle Welt nur vom | |
| Zweitligaspieler Simone Farina sprach, der im November einen Betrugsversuch | |
| vor dem Pokalspiel von Gubbio gegen Cesena vereitelt hatte, während Sie | |
| doch schon im April 2011 eine Manipulation im Spiel von Lumezzane gegen | |
| Ravenna ablehnten. | |
| Das stimmt. Ich habe mich aber nicht gegen Simone Farina gewandt. Ich fand | |
| es nur traurig, dass meine Geschichte als die eines Mannes aus den | |
| Quartieri Spagnoli aus Neapel nicht an die Öffentlichkeit kam. Neapel ist | |
| immer dann auf den Titelseiten, wenn dort Morde und Erpressungen passieren, | |
| wenn die Müllberge wachsen oder Ähnliches geschieht. | |
| Wenn sich etwas Positives ereignet, wird das jedoch nicht berichtet. Ich | |
| wollte auch den Jungs aus meinem Viertel zeigen, dass man einen geraden Weg | |
| gehen kann. | |
| Was ist im April 2011 genau geschehen? | |
| Vor dem Spiel rief mich Ravennas Sportdirektor Giorgio Buffone an und bot | |
| mir 50.000 Euro für die Niederlage meiner Mannschaft an. Ich habe das | |
| sofort meinem Trainer gesagt und wir haben es angezeigt. | |
| Ich habe mich aber gewundert, dass sich niemand vom Verband dafür | |
| interessierte und ich alleingelassen wurde. Später habe ich dann vom Ausmaß | |
| der ganzen Geschichte in der Zeitung erfahren. | |
| In welchem Zeitraum vor dem Spiel hat Sie Buffone, der ja mehrere Partien | |
| für Ravenna tatsächlich gekauft hat und mittlerweile für fünf Jahre als | |
| Funktionär gesperrt ist, angerufen? | |
| Das war drei Tage vor dem Spiel. | |
| Hat er auch andere Profis in Ihrer Mannschaft zu beeinflussen versucht? | |
| Nein. | |
| Haben Sie eine Ahnung, warum er ausgerechnet Sie als geeignet eingeschätzt | |
| hat? | |
| Ich habe vor fünf Jahren in Ravenna gespielt. Daher kannte er mich. Und | |
| wahrscheinlich dachte er deshalb, dass ich mich darauf einlassen würde. | |
| Das klingt exakt nach dem Modus Operandi der Wettbetrüger. Man kontaktiert | |
| Spieler, die man aus früheren Engagements kannte. Wie verrottet sind die | |
| Verhältnisse im italienischen Fußball? | |
| Man kann das nicht verallgemeinern. Es gibt viele ehrliche Leute, auch im | |
| Fußball. | |
| Gegenwärtig ist das aber nicht unbedingt der vorherrschende Eindruck. | |
| Schon seit einigen Jahren hört man, dass gerade in den unteren Ligen | |
| Spieler geneigt sind, sich ihr Monatsgehalt wegen mangelnder Zahlungsmoral | |
| der Vereine durch Wetten auf abgesprochene Spiele zu sichern. Und dass | |
| manche Präsidenten den Etat durch ebensolche zweifelhaften Einkünfte | |
| aufbessern. | |
| Haben Sie dies auch so erlebt? | |
| Im Fußball muss niemand aus Not wetten. Wer dies tut und dabei noch Spiele | |
| manipuliert, tut dies einzig und allein aus seiner Wettleidenschaft heraus. | |
| Das ist die treibende Kraft. | |
| Das Wettverbot, das es ja bereits gibt, sollte also konsequenter | |
| durchgesetzt werden? | |
| Oh ja, das sollte es. | |
| Was sagen Sie dazu, dass auch Profis aus der Serie A Spiele verschoben | |
| haben? | |
| Es ist traurig, dass Spieler, die so viel Geld verdienen, sich darauf | |
| einlassen. | |
| Hat Sie eigentlich schon Nationaltrainer Prandelli angerufen? Ihr Kollege | |
| Farina wird ja demnächst mit einer Einladung zur Nationalmannschaft geehrt. | |
| Es wurde geschrieben, dass Prandelli mit mir Kontakt aufnehmen will. Bisher | |
| ist das noch nicht geschehen. Ich stehe für ein Telefonat natürlich bereit | |
| und würde mich sehr darüber freuen. Aber meine Aufmerksamkeit gilt meinem | |
| Klub Ternana Calcio. Wir stehen jetzt an der Tabellenspitze und können den | |
| Sprung in die Serie B schaffen. Ich selbst will eines Tages in der Serie A | |
| spielen. | |
| 30 Jan 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Tom Mustroph | |
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